Schulferien:Woran die Ferienbetreuung in München scheitert

Schulferien: Die Ichoschule zählt zu den Vorzeigeschulen. Hier dürfen die Kinder selbst bestimmen, wie sie ihre Ferien gestalten wollen.

Die Ichoschule zählt zu den Vorzeigeschulen. Hier dürfen die Kinder selbst bestimmen, wie sie ihre Ferien gestalten wollen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • An Münchner Grundschulen ist die Ferienbetreuung eine Seltenheit. Nur 20 von 134 Schulen haben ein solches Angebot.
  • Träger, die eine Betreuung in den Schulferien anbieten wollen, brauchen eine Betriebserlaubnis. Die zu bekommen, ist mit viel Bürokratie verbunden.

Von Melanie Staudinger

Nach und nach trudeln die Kinder ein. Einige sind noch ganz verschlafen, andere wie Maxim oder Oscar laufen gleich zum Buffet, holen sich Nutella-Semmeln oder Müsli. Dann wird erst einmal geredet, erzählt, was so passiert ist am Pfingstwochenende, was im Kino läuft.

Der Tag soll für die Erst- und Zweitklässler der Ichoschule entspannt beginnen, schließlich sind Ferien. Jeden Tag bestimmen die Mädchen und Jungen, was sie tun werden. Deutsches Museum? Flugwerft am Flughafen? Oder doch lieber eine Discoparty mit der großen Discokugel? "Das ist viel besser als Mathe", ruft Oscar.

Die Ichoschule zählt zu den Vorzeigeschulen in München. Für alle 300 Kinder gibt es rechnerisch eine Nachmittagsbetreuung, sei es im Tagesheim oder im offenen Ganztag. Fast alle Familien nehmen dieses Angebot auch an, und ein Drittel der Kinder kommt sogar in den Ferien. Schulleiter Martin Rothenaicher weiß um die Sorgen der Eltern: Mit ihren Urlaubstagen können sie bei Weitem nicht die Schulferien abdecken.

Also öffnet Rothenaicher seine Schule auch in der schulfreien Zeit - und bisher war das problemlos möglich. Die Mitarbeiter des städtischen Tagesheims betreuen die Kinder auch in den Ferien. Seit September hat die Ichoschule aber auch Klassen im offenen Ganztag, die Schüler dort haben vormittags Unterricht und nachmittags eine Betreuung. Sie in den Ferien betreuen zu lassen, kostet Rothenaicher so einige Nerven. Er fühle sich gefangen in der Bürokratie, sagt er.

Wer ihm bei seinen Erzählungen zuhört, der weiß, warum eine Ferienbetreuung an Münchner Grundschule eine Seltenheit ist, obwohl viele Eltern darauf angewiesen wären. Nur 20 von 134 Schulen haben ein solches Angebot. 17 davon haben ein Tagesheim, drei Grundschulen organisieren die Ferienbetreuung selbst: die Grundschulen an der Burmester-, der Farinelli- und der Tumblingerstraße. Schulen, die starten wollen, müssen erst einmal einen Wust an Formularen und Ämterzuständigkeiten überwinden.

Für die offenen Ganztagsklassen zum Beispiel musste Rothenaicher bisher in jeden Ferien (außer an Weihnachten, da hatte die Schule tatsächlich zu) eine neue Betriebserlaubnis beantragen. Vier bis fünf Stunden habe die Ausfüllerei gedauert, sagt er. Die Regierung stellt die Betriebserlaubnis aus, die Stadt muss die Räume überlassen. "Das sind die gleichen Kinder mit den gleichen Betreuern in den gleichen Räumen", sagt Rothenaicher.

Der Antrag im Rathaus ist schnell erklärt: Das Bildungsreferat ist zuständig für Renovierungen und will wissen, wer in den Ferien alles im Schulgebäude ist. Nur so könnten nötige Arbeiten koordiniert werden, sagt ein Sprecher. Der Hauptgrund für die Bürokratie ist aber im Sozialgesetzbuch zu finden. Betreuungseinrichtungen müssen eine sogenannte Betriebserlaubnis haben, die die Regierung von Oberbayern erteilt.

Rothenaichers Odyssee könnte bald ein Ende haben

Die Eltern sollen sicher sein, dass ihre Kinder keinen Gefährdungen ausgesetzt seien, wenn sie das Angebot besuchten, teilt ein Sprecher der Regierung von Oberbayern mit. Geprüft werde, ob das Personal qualifiziert sei und geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stünden. Zudem gebe es nur mit Betriebserlaubnis einen Versicherungsschutz für die Kinder.

Ob die betreuten Mädchen und Jungen eine Halbtags- oder eine Ganztagsschule besuchen, ob diese nun gebunden oder offen ist, habe auf die Genehmigung keinen Einfluss. Das heißt im Klartext: Will eine Grundschule eine Ferienbetreuung in ihren Räumen anbieten, muss sie das gleiche Verfahren durchlaufen wie ein neuer Kindergarten, der in einem den Behörden unbekannten Gebäude eröffnet. Grundsätzlich, so erklärt der Sprecher, kann diese Betriebserlaubnis unbefristet beantragt und daraufhin unbefristet erteilt werden.

Dass Schulen wie die Ichoschule die Formulare mehrmals ausfüllen müssten, sei eine Ausnahme. Dieser Sonderfall aber könnte in der Praxis durchaus öfter vorkommen. Etwa wenn sich die Zahl der Kinder verändert oder bei neuen Räumen, dann muss der Träger jeweils einen neuen Antrag stellen. Bei der Ichoschule war der Betreuungsbedarf an Pfingsten ein anderer als im Herbst. Außerdem sei der Antrag im Vorjahr so kurzfristig gestellt worden, dass die Räume, die das ganze Schuljahr über genutzt werden, nicht mehr auf ihre Eignung hin überprüft werden konnten.

Rothenaicher findet den Vorgang "einfach nur absurd". Da sei es doch kein Wunder, dass nur wenige Schulen in den Ferien ein Betreuungsangebot aufsetzten, sagt er. Immerhin könnte seine Odyssee bald ein Ende haben. Denn die Regierung von Oberbayern meldet jetzt: "Inzwischen konnte die Begehung durchgeführt werden." Eine unbefristete Betriebserlaubnis werde der Ichoschule erteilt - solange sich die Zahl der betreuten Kinder nicht mehr ändere.

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