Schule:Landleben: Aber bitte ohne Dreck!

Erlebnisbauernhof für Kinder, 2016

Das Landleben kann dreckig sein, aber nicht für Münchner Stadtkinder.

(Foto: Robert Haas)

Auf einem Schulbauernhof in Riem sollen Stadtkinder das echte Landleben kennenlernen. Eine tolle Sache, aber bitte nur nach Vorschrift. Und das heißt: Hygiene-Schleuse und Schutzkleidung.

Kolumne von Dominik Hutter

Das ursprüngliche Ansinnen war auf einhellige Zustimmung der Stadträte gestoßen: Münchens Betonkinder sollen lernen, wo ihr Essen herkommt - und dass Kühe eben nicht lila sind, wie es SPD-Kommunalsprecherin Ulrike Boesser ausdrückt. Also: Ein Schulbauernhof muss her, ein Vorzeige-Stall, wo die der Scholle entwöhnten Nachwuchskonsumenten ihren Horizont erweitern können.

750 000 Euro sollte das pädagogische Projekt auf dem städtischen Gut Riem kosten. Ursprünglich. Die Planungen liefen später aus dem Ruder - so sehr, dass nun plötzlich 1,8 Millionen Euro im Raum stehen und CSU-Stadträtin Kristina Frank ernsthaft über Bauchschmerzen klagt. Im übertragenen Sinne natürlich.

Denn ein Münchner Kind darf sich natürlich nicht einfach mal schnell zu den Schweinen gesellen. Eine Hygieneschleuse samt Stiefelwaschanlage muss her, die von allen Stallbesuchern passiert wird. So die Vorgaben des Betriebsärztlichen Dienstes. Dazu kommen Latzhosen und Overalls für die Kinder sowie Einmal-Schutzkleidung für die Erwachsenen.

Zum Händewaschen werden Handwaschbecken mit Einhebelmischer, Einmalhandtüchern und Ellbogen-bedienbaren Flüssigseife-Spendern benötigt. Der Satz "Muss das alles wirklich sein?" prangte wie ein riesiges Fragezeichen über dem Kommunalausschuss.

Frank findet, dass die privaten Gummistiefel ausreichen müssten und dass Dreck und Gestank zum Bauernhoferlebnis dazugehören. Auf privaten Erlebnis-Höfen werde ja auch nicht so ein Zinnober veranstaltet, sekundiert Johann Altmann von der Bayernpartei. Wobei in Riem kein Streichelgehege entstehen soll. Die Rinder, Schafe und Schweine sollen einen Bildungsauftrag erfüllen, erinnert Kommunalreferent Axel Markwardt.

Und ÖDP-Stadtrat Tobias Ruff gibt zu bedenken, dass ein Klassenausflug doch etwas sehr anderes ist als das Wochenendvergnügen wohlsituierter Familien - man müsse davon ausgehen, dass wohl bestenfalls die Hälfte der Kinder überhaupt Gummistiefel besitzt. Beerdigen will der Stadtrat den Schülerstall noch nicht. Aber Markwardt muss nun intensiv mit den zuständigen Behörden verhandeln. Ob es vielleicht auch ohne Hygieneschleuse geht.

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