Schröder spricht über sich selbst:Das Ich und das Ex-Ich

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Der Autor Gerhard Schröder lobt den Kanzler Schröder.

Kurt Kister

Wenn man die Augen zumacht, ist für einen Moment alles so wie früher. Man hört Gerhard Schröder, der sagt: "Die Politik vertritt das Gemeinwohl." Dann weiß man sofort, dass er sich natürlich selbst mit die Politik meint und deswegen das, was er sagt, viel bedeutender und vor allem wahr sein muss im Vergleich zu dem, was die schwätzen, die ja nur "Partikularinteressen" vertreten - also eigentlich alle anderen, Peters, Bsirske, die Arbeitgeber und selbstverständlich alle Journalisten.

Hämische Freude an der eigenen Schlagfertigkeit

Man lässt die Augen noch zu und lauscht weniger den Worten als viel mehr dem Timbre in seiner Stimme, das wieder fast so ist, wie es in seinen besten Zeiten war. Da schwingt die selbstbewusste Chuzpe mit, das hinter den Sätzen lauernde kehlige Lachen, die hämische Freude an der eigenen Schlagfertigkeit.

Dann macht man die Augen wieder auf - und es ist eben nicht mehr so wie früher. Sicher, auf der Bühne des Carl-Orff-Saals im Münchner Gasteig sitzt Gerhard Schröder, aber irgendwie hat man den Eindruck, als ob er in einer Dokumentation von Guido Knopp sich selbst spielte.

Der Schröder auf der Bühne spricht in der Ich-Form über den Bundeskanzler Schröder und bemüht sich, dies in objektivster Subjektivität zu tun. "Ich bin doch der Einzige, der weiß, wie es wirklich war", sagt er. Das ist eines der urältesten Argumente, mit dem Autobiographen begründen, warum man ihr Buch kaufen muss.

Sottisen gegen Stoiber, Scharping, Bush und Kohl

Manchmal gelingt es Schröder so überzeugend, über das Kanzler-Ich aus der distanzierten Nähe seines eigenen Nach-Kanzler-Kopfes heraus zu reden, dass man fast glauben mag, dieses Ich müsse zu Kanzlerzeiten in einem anderen Körper gewohnt haben - wo es in einem anderen, staatsmännischen, stets am Gemeinwohl orientierten Geist gehandelt hat.

Nicht viele, die damals mit Schröder zu tun hatten, erinnern sich an das strahlende, altruistische Kanzler-Ich so deutlich wie der Autobiograph selbst. Das macht aber nichts, denn wenn der Buch- und Erzähl-Schröder seine Sottisen gegen Stoiber und Scharping, gegen Bush und Kohl loslässt, freut das die Menschen im Saal.

Wenn sie am nächsten Tag wieder im Büro sind, können sie erzählen, dass der Schröder noch ganz der Alte ist und in jedem Fall was anderes als die Merkel. Und außerdem können sie noch sagen, dass der Ottfried Fischer auch da war. Gerade in München ist man gern irgendwo, wo auch Leute sind, die man aus dem Fernsehen kennt. Und sei's der Fischer.

Schröders alte Songs heißen Lafontaine und Putin

Weil Schröder nun seit geraumer Zeit durch Buchhandlungen, Fernsehstudios und Säle tingelt, gibt es an diesem Abend im Gasteig wenig Neues zu erfahren. Aber um Neues geht es eigentlich ja auch gar nicht, sondern darum, dass das Publikum den Politpromi Schröder sehen und hören will, so wie viele Bob Dylan, einen Altersgenossen des Altkanzlers, am liebsten auch immer mit den alten Songs hören mögen. Schröders alte Songs heißen Lafontaine und Putin, Neuwahlen und Agenda, Irak und Afghanistan.

SZ-Chefredakteur Hans Werner Kilz, der den Buchautor über den Kanzler befragt, ruft im professionellen Plauderton das Repertoire des charmanten Rechthabers Schröder ab. Die gut 500 Zuhörer - der Saal ist voll - goutieren die Live-Talkshow.

Schröder wird immer wieder von Applaus unterbrochen, manchmal wohl auch, weil man schon eine Grundsympathie hegen muss, wenn man zwölf Euro Eintritt bezahlt, um den immer noch erstaunlich dunkelhaarigen Altkanzler erzählen zu hören. Für nur fünf Euro übrigens hätte man im Gasteig, wenn auch in einem kleineren Saal und zwei Stunden früher, einen Vortrag mit dem Titel "Ist eine Interaktion von Gehirn und Geist denkbar?" besuchen können.

Es muss sein: "Basta!"

Manches was der Kanzler a.D. dem Chefredakteur und dem Publikum über das Leben sagt, ist bedenkenswert. Als Schröder erklärt, warum ein Kanzler die Gewissensfreiheit des einzelnen Abgeordneten nicht zu hoch hängen dürfe und dass "Basta!" gelegentlich sein müsse, nickt der Chefredakteur. Das findet er auch.

Zum Schluss will Kilz noch von Schröder wissen, was er denn jetzt in Zukunft machen wolle. Auf keinen Fall mehr Politik, sagt Schröder. Noch ein Buch wolle er auch nicht unbedingt schreiben. Anwalt sei neben Ministerpräsident und Kanzler immer einer seiner "Traumberufe" gewesen: "Jetzt bin ich wieder Anwalt." Ja, auf jeden Fall ein Anwalt seiner selbst. Und zwar ein guter.

© SZ vom 8.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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