Prozess:69-Jährige streitet nach Beinbruch um 311 000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz

  • Wegen eines mutmaßlichen Behandlungsfehlers verlangt eine Patientin Schmerzensgeld und Schadenersatz von mehreren Kliniken.
  • Die 69-Jährige brach sich bei einem Sturz ein Bein.
  • Sie wirft den Ärzten vor, den Bruch falsch behandelt zu haben.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Wegen eines Beinbruchs hat eine Patientin zwei Münchner Uni-Kliniken verklagt sowie ein Krankenhaus bei Miesbach, eine Reha-Klinik in Bad Wiessee, einen Klinikarzt und einen niedergelassenen Münchner Orthopäden. Sie streitet um insgesamt etwa 311 000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz.

Bei der heute 69-Jährigen, die sich jetzt mit einem Elektrodreirad fortbewegen muss, ist nach einer Kinderlähmung das rechte Bein seit 60 Jahren teilweise gelähmt. Ausgerechnet an diesem Bein erlitt sie bei einem häuslichen Sturz 2006 einen Oberschenkelhalsbruch. Im Verfahren vor dem Arzthaftungssenat am Oberlandesgericht München muss nun geklärt werden, ob bei dessen Behandlung eine spezielle Problematik infolge der Polio-Erkrankung unterschätzt wurde.

Der Sturz war kurz vor einem routinemäßigen Reha-Aufenthalt passiert. Der Sohn brachte seine Mutter daraufhin mit heftigen Schmerzen im rechten Hüftbereich ins Uni-Klinikum Großhadern. Dort machten die Ärzte eine Röntgenaufnahme, konnten aber keinen Bruch entdecken. Sie diagnostizierten eine Hüftprellung, verschrieben Schmerztabletten und gaben der Patientin einen Arztbrief und die Röntgenbilder für die Reha-Klinik St. Hubertus mit. Von dort wurde die weiterhin schmerzgeplagte Frau nach zwei Tagen in eine Radiologiepraxis zur Computertomografie gebracht: Erst hier entdeckte man eine Schenkelhalsfraktur.

Die Patientin wurde in das Krankenhaus Agatharied überwiesen. Die Chirurgen konfrontierten die Frau dort mit drei Therapiealternativen: konservative Behandlung, Verschrauben des Bruches oder künstliches Hüftgelenk. Wobei ihr die Mediziner zur Hüftprothese rieten. Die Patientin entschied sich zunächst aber für die nichtoperative Methode. Die Reha-Ärzte überzeugten sie in den nächsten Tagen aber, dass der Bruch doch operativ versorgt werden solle. Auf eigenen Wunsch wurde die Frau dann ins Klinikum rechts der Isar gebracht, wo der Bruch mit Schrauben fixiert wurde.

Verschwundene Röntgenbilder

Es folgte eine fünfwöchige Heilbehandlung. Danach ließ sich die Frau von einem Münchner Orthopäden monatlich untersuchen. Der stellte nach einiger Zeit fest, dass sich Schrauben verschoben hatten und der Hüftkopf abgerutscht war. Rechts der Isar wurde ihr dann doch eine Hüftprothese eingesetzt. Heute beklagt die Frau, dass ihr Bein nun zu lang sei und sie in allen Lebenslagen starke Schmerzen habe. Sie musste in eine Wohnung mit Lift umziehen und vorzeitig in Rente gehen.

Das Landgericht München I hatte nach Anhörung von medizinischen Sachverständigen in erster Instanz die Klagen gegen alle Beteiligten abgewiesen: Die Ärzte hätten korrekt aufgeklärt und keine Behandlungsfehler begangen. In der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht äußerte der 1. Zivilsenat am Donnerstag aber Zweifel, ob die Patientin vor dem letzten Eingriff eine ausreichende Grundaufklärung erhalten habe - etwa über die richtige Länge der Prothese und ob sie einzementiert werden sollte. Dazu muss voraussichtlich vom Gericht erneut ein Sachverständiger gehört werden. Außerdem geht es noch um verschwundene Röntgenbilder. Doch vier der sechs Klagen könnten möglicherweise schon abgewiesen werden, bevor die Verhandlung dann im Herbst fortgesetzt wird.

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