Schmalznudel am Viktualienmarkt:Heiß und fettig

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Jeder kennt das Café Frischhut am Viktualienmarkt nur unter dem Begriff Schmalznudel. Früher brachte das Lokal müde Partygänger auf die Beine, heute lebt es von seiner Legende.

Thomas Anlauf

Café Frischhut? Kennt kein Mensch. Beim Stichwort "Schmalznudel" aber dämmert es den Münchnern. Denn das Lokal, das jeder nur unter dem Namen des heißen, fettigen Hefegebäcks kennt, lebt von seiner eigenen Legende. Damals, es waren die späten Siebziger und Achtziger des längst vergangenen Jahrhunderts, holte das Frischhut jedes Wochenende übernächtigte Partygänger frühmorgens wieder zurück ins Leben. Wenn um vier Uhr die Discos der Stadt zusperrten, wanderten die Übriggebliebenen hinüber Richtung Viktualienmarkt und warteten geduldig, bis sich um fünf die schwere Holztür öffnete.

Impressionen aus der Schmalznudel
:Leben von der eigenen Legende

Jeder kennt das Café Frischhut am Viktualienmarkt nur unter dem Begriff Schmalznudel - früher brachte diese Spezialität müde Partygänger auf die Beine.

Der Duft nach frischen Schmalznudeln und dampfendem Kaffee schlägt dem Besucher des Café Frischhut an der Prälatz-Zistl-Straße auch heute noch entgegen - wenngleich nicht mehr ganz so früh. Seit ein paar Jahren sperren Manfred Frischhut oder sein Sohn Andreas die "Schmalznudel" erst um sieben auf. "Um fünf Uhr morgens aufzusperren war eigentlich eine heilige Kuh", sagt Andreas Frischhut.

Doch das Prinzip "Frühcafé" machte immer weniger Sinn. Schon länger haben die Händler am Viktualienmarkt ihre Öffnungszeiten nach hinten verlegt, sie waren es, die früher nach dem Aufbau ihrer Stände ins Frischhut schauten und sich mit Kaffee und Schmalznudeln stärkten. "Es hat sich einiges getan hier", sagt Andreas Frischhut. Nicht nur, dass die Fieranten später kommen, auch diejenigen, die einst in der Nähe die Nacht durchmachten, sind heute im Osten am Kunstpark zu finden.

Richtig traurig sind die Frischhuts, die das Café seit 1973 führen, nicht über die Entwicklung. "Um fünf Uhr früh muss man schon eine andere Toleranz walten lassen", sagt Frischhut junior, der seit 20 Jahren mit Vater Manfred das Geschäft führt und schon mit 15 hier ausgeholfen hat. Er hat die härtesten Zeiten noch miterlebt, als späte Zecher nach einer Stabilisations-Schmalznudel selig auf den Holzbänken einschlummerten oder in einer anarchischen Anwandlung Kerben in die schweren Tische schnitzten.

Die vertrauten Bänke und Tische gibt es heute noch, die Welt scheint in der Schmalznudel stehen geblieben zu sein - auch wenn das Café einem stetigen Wandel unterworfen ist. Allein das Haus: 1980 wurde das alte Gebäude - laut Frischhut eines der ältesten Münchens - abgerissen. Das neue Haus fügt sich dennoch gut ins historische Straßenbild, mit seiner hölzernen Front, dem altdeutschen Schriftzug und dem mittelalterlich anmutenden schmiedeeisernen Wirtshausschild. Gleich am Eingang befindet sich das heiße Herz des Cafés: Hier zieht der Konditor nach Art des "Open Cooking" die Hefeteiglinge, die je nach regionaler Herkunft Schmalznudeln, Auszogne oder Kniekiachla heißen und im Mittelalter Schafbauern als stärkendes Mittagsmahl dienten. So hat es Andreas Frischhut gehört, der zwar nicht Konditormeister wie sein Vater ist, sondern Betriebswirtschaft studiert hat, aber natürlich längst alle Handgriffe im Café beherrscht.

Und er weiß, wie schwierig es ist, eine gute Schmalznudel zuzubereiten. "Ich kenne Konditormeister, die das nicht so gut hinbekommen", sagt der 42-Jährige, dessen siebenjähriger Sohn auch schon mit Begeisterung im Familienbetrieb aushilft. Wenn wie in diesen Tagen Gewitter in der Luft liegt, sei das Schmalznudel-Brutzeln besonders schwierig: "Der Hefeteig ist wetterempfindlich", so Frischhut. Die Spezialität zeichnet das Café aus. Schon um Punkt sieben Uhr sitzen die ersten Gäste an den kleinen Tischen am Eingang, lesen ihre Zeitung zum fettigen Gebäck, trinken Kaffee.

Das Prinzip Schmalznudel hat Vater Frischhut damals entwickelt, als er den kleinen Laden von Vorgänger Unsinn übernommen hatte: "Wir bieten wenige Sachen an, aber die wollen wir besser machen als die anderen", so Andreas Frischhut. Und so bleibt die Speisenkarte mehr als übersichtlich. Doch die Gäste wissen ja seit fast vierzig Jahren, was sie hier erwarten können. Zu der Vertrautheit des Heißgebäcks gehört auch das Interieur, für das Mutter Frischhut verantwortlich ist.

Die vielen Gemälde, oft sind es ländliche Idyllen oder Ansichten vom Viktualienmarkt im Stil der naiven Malerei, sind allesamt mit Ursula Frischhut gezeichnet. Entstanden sind die meisten, als Andreas noch in München zur Schule ging und die Mutter deshalb nicht so oft im Laden aushelfen konnte. Immer wieder kommen Anfragen von Gästen, ob die Bilder nicht zu verkaufen wären - eigentlich nicht, aber ein paar sind dann doch weggegangen und hängen über den Globus verteilt.

Und auch das Café Frischhut hat längst einen Ruf in der ganzen Welt - auch wenn es keine eigene Homepage hat. Doch Reiseführer und Mund-zu-Mund-Propaganda lassen das Geschäft brummen. Auch wenn sich manche Gäste aus Übersee wundern, dass Schmalznudeln eigentlich gar nichts gemein haben mit Pasta.

© SZ vom 04.06.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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