Schlösserverwaltung:Diese Männer holen Sie morgens aus dem Schlaf

Schlösserverwaltung: Drako Kovrlija pustet mit dem 5,3 Kilogramm schweren Rückenbläser das Laub vom Rand der Büsche und Bäume weg - und dabei die Blätter bis zu 2,50 Meter hoch in die Luft.

Drako Kovrlija pustet mit dem 5,3 Kilogramm schweren Rückenbläser das Laub vom Rand der Büsche und Bäume weg - und dabei die Blätter bis zu 2,50 Meter hoch in die Luft.

(Foto: Stephan Rumpf)

Sie haben einen schweren Job, die Laubbläser - und beschimpft werden sie auch noch, weil sie immer so laut sind. Doch Besserung ist in Sicht.

Von Anne Kathrin Koophamel

Wenn die Sonne über dem Englischen Garten aufgeht, hat Frank Bernhardt nur noch Augen für tote Blätter. Er ist Herr über 30 Hektar Wiese und Wege, die er jeden Tag in den Maximiliansanlagen als Abteilungsleiter pflegt. Und seit zwei Wochen heult und pustet er mit seinem vierköpfigen Team ab sieben Uhr in der Früh, was die Laubbläser der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung hergeben. "Es muss einmal richtig gefroren haben, damit viele Blätter fallen", erklärt Abteilungsleiter Bernhardt, während er mit seinem Auto über die Spazierwege am Isarhochufer rollt. Ist das Wetter trocken, hat es vielleicht sogar Fön wie diese Woche, sind die Bedingungen optimal. "Dann fliegen die Blätter gut."

Was Bernhardt und seine 15 Kollegen um den Landtag und im Englischen Garten leisten, ist ein Balance-Akt: Sie sollen Laub zusammentragen, damit niemand ausrutscht, aber nicht zu viel, damit die Tiere noch Unterschlupf finden. Sie sollen zügig arbeiten, aber nicht zu laut, damit die Anwohner nicht gestört werden. Sie sollen den Park sauber halten, aber auch Laub übrig lassen, damit genügend Humus für den Boden als Dünger bleibt.

Am Fuße des Maximilianeums hat Darko Kovrlija bereits mit der Arbeit angefangen. Auf den Rücken trägt er einen Motor, der den Laubbläser in seiner Hand antreibt. 5,3 Kilo wiegt das Gerät, das mit einem Heulen an den Büschen entlang pustet. Von dort treibt Kovrlija das Laub etwas zu Bernhardt, der es mit einer Art Golf-Car zusammentreibt. Der Bläser am Heck des kleinen Wagens katapultiert die Blätter bis zu 2,50 Metern hoch in die Luft und lässt sie in der Mitte zu einer Straße zusammenfallen. Mit der Schaufel am Fahrzeug schiebt Bernhardt sie kreisförmig zu einem Haufen zusammen. Zwei mittelgroße Wiesen schafft das Team so am Tag. "Es macht schon Spaß", sagt Bernhardt, der seit 18 Jahren in den Maximiliansanlagen arbeitet. "Das Beste ist für mich nicht die Technik, sondern, dass man den ganzen Tag an der Natur ist. Ich könnte nicht am Schreibtisch arbeiten. Nie!"

Im Park sind heute wenig Touristen unterwegs. Dafür viele Münchner. Ein Mann mit seinem Jack Russell, eine ältere Dame, drei Mütter mit Kinderwagen. Eine Radlerin passiert mit Handy am Ohr und schüttelt den Kopf über das "Kwähm" der Laubbläser. "Wir werden schon oft beschimpft, weil das den Leuten zu laut ist", sagt Bernhardt. "Ich kann sie ja auch verstehen, mich nervt es auch, wenn ich mal frei habe und vom Laubbläser geweckt werde. Aber schneller geht's, wenn wir einfach in Ruhe arbeiten können."

In Ruhe heißt, dass der Bläser mit bis zu 108 Dezibel röhrt, von der Lautstärke vergleichbar mit der eines Rockkonzerts. Acht Stunden täglich pusten die Männer Blätter von Esche, Buche, Ahorn und Ulme zusammen. Lärmschutz für die Ohren und Schutzbrille sind Pflicht. Insgesamt ist die Schlösserverwaltung Bayerns für 200 Hektar zuständig, davon 78 Kilometer Wege. Die übrigen 2000 Hektar der Stadt beackert das Städtische Baureferat.

Genug Laub muss für die Igel bleiben

Nur im Gehölz, dort wo die Büsche besonders dicht sind, darf das Laub liegen bleiben. Für die Tiere. "Sehr viele Bürger sorgen sich um die Natur, vor allem um den Igel", sagt Thomas Köster, der als Verwaltungsvorstand des Englischen Gartens alle Abläufe koordiniert. Bei ihm landen auch die Lärm- und Feinstaub-Beschwerden der Bürger. "Aber wer im Winter radelt, weiß, wie gefährlich nasses oder gefrorenes Laub ist. Darauf rutschen Sie sofort aus." Tierfreunde aber fürchten, dass ohne das Laub die Igel keinen Schlafplatz für den Winter finden.

Köster winkt ab. "Der Igel hat keine Probleme. Wir lassen genügend Laubhaufen für ihn stehen." Er sorgt sich gerade um ein anderes Tier: das Glühwürmchen. Es wird in den vergangenen Jahren immer seltener. Ein erster Verdacht: Die Larven im Laub können sich durch das Zusammenkehren nicht entwickeln. Zurzeit liege die Anfrage eines Bezirksausschusses vor, ob das Glühwürmchen ausstirbt, sagt Köster. "Das wäre schrecklich! Wir lassen deshalb schon diesen Winter mehr Laubhaufen stehen, in der Hoffnung, dass wir dem Glühwürmchen damit helfen können."

Der Fortschritt kommt mit einem Akku

Auch Bernhardt und seine Männer haben diese Anweisung bekommen. Er deutet auf das Ufer, an dem der Boden von braunen und gelben Blättern dick gefleckt ist. "Das bleibt alles, und die Blätterhaufen dort drüben werden in etwa zwei Wochen abgeholt." Am Wegrand türmt sich das Laub bis zu einen halben Meter hoch. In den 80er-Jahren habe er das mit Holzrechen gemacht, "das war körperlich wirklich hart", sagt Bernhardt.

Mit seinem Team schafft er heute dieselbe Fläche zehnmal so schnell - mit weniger Rückenschmerzen. Die Technik der Zukunft wird bereits von der Stadt München getestet: Akku-betriebene Laubbläser. Noch halten sie zu kurz durch. "Aber wenn die kommen, ha, die hören Sie dann nur noch flüstern", sagt Bernhardt. Dann blieben wenigstens die Lärm-Beschwerden aus. Bis dahin pustet er das Laub mit den Sprit-betriebenen Laubbläsern zusammen. In diesem Jahr könnte es gut laufen. "Wenn es nicht so bald nass ist oder schneit, schaffen wir es vielleicht bis Februar, alles zusammenzukehren."

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