Schlechte Luft:Stickoxide: KVR empfiehlt Kindern extrem belasteten Schulweg

Schlechte Luft: Kinder von der Kapuzinerstrasse/Baldeplatz fordern einen sicheren Schulweg zur Tumblinger Grundschule.

Kinder von der Kapuzinerstrasse/Baldeplatz fordern einen sicheren Schulweg zur Tumblinger Grundschule.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Die Kapuzinerstraße ist extrem mit Stickoxiden belastet - wenn es nach der Stadt geht sollen Kinder aus dem Dreimühlenviertel aber genau hier entlang zur Schule gehen.
  • Deshalb hat eine Mutter dem KVR eine Alternativroute vorgeschlagen, die deutlich gesünder und größtenteils auch sicherer ist.
  • Das KVR sieht das ähnlich, doch ändern will sie nichts. Dort hält man sich an die Vorschriften.

Von Thomas Anlauf

Der Verkehr rauscht. Manchmal. Im Berufsverkehr steht er eher. Auto an Auto, etwa 25 000 Fahrzeuge quälen sich täglich über die Wittelsbacherbrücke. Die Folge: Die Kapuzinerstraße gilt als eine der am stärksten mit Stickoxiden belastete Straße in der Münchner Innenstadt. Mehr als 60 Mikrogramm des Reizgases sollen es sein, denen Fußgänger und Anwohner permanent ausgesetzt sind. Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm.

Trotzdem laufen morgens viele Kinder die Kapuzinerstraße entlang auf dem Weg in die Grundschule an der Tumblingerstraße. Der offizielle Schulweg für Kinder aus dem Dreimühlenviertel führt über die Isartal- und Kapuzinerstraße. Victoria Halt, Mutter zweier Buben, die dort in die Schule gehen, versteht nicht, weshalb ihre Kinder entlang der stark befahrenen Straße laufen sollen, zumal es gesündere Schulwegrouten gäbe. Doch die Stadt winkt ab.

In einem Antwortbrief an Victoria Halt schreibt das Kreisverwaltungsreferat (KVR): Die Beurteilung eines Schulweges "erfolgt ausschließlich auf Grundlage der Verkehrssicherheit. Andere Faktoren, wie z. B. etwaige vorliegende Lärmbelästigungen oder Feinstaubbelastung, können nicht berücksichtigt werden".

Der zuständige KVR-Mitarbeiter (die Verantwortung trägt in diesem Fall die "Hauptabteilung III - Straßenverkehr, Abteilung 1 - Verkehrsmanagement, Unterabteilung 4 - Verkehrssicherheit, Sachgebiet 2 - Schulwegsicherheit") räumt zwar ein, dass der von der Mutter vorgeschlagene alternative Schulweg "mit Sicherheit gesünder und angenehmer" sei. Doch das ist aus fachlicher Sicht offenbar nicht relevant.

Bereits bei der Einschulung sowie schon zuvor beim Elternabend wurden die Mütter und Väter der Schulkinder über die Sicherheit auf dem Schulweg aufgeklärt und erhielten dazu eine Broschüre mit Straßenplan, in der kritische Stellen auf dem Schulweg eingezeichnet sind.

Als kritischer Punkt wird auch die Kreuzung von Thalkirchner- und Kapuzinerstraße aufgelistet, also eine Stelle, wo die Kinder aus dem Dreimühlenviertel entlang laufen sollen, dort ist allerdings eine Schulweghelferin im Einsatz. Eine weitere Kreuzung birgt laut der Broschüre ebenfalls Gefahren: die Ecke Thalkirchner- und Waltherstraße. Eben dort wünscht sich Victoria Halt eine Bedarfsampel oder einen Zebrastreifen. Denn hier würde der von ihr ausgetüftelte Schulweg verlaufen, abseits von der belasteten Kapuzinerstraße.

"Alle Kinder des Dreimühlenviertels könnten eigentlich deutlich sicherer und gesünder am Westermühlbach entlang laufen und zwischen den beiden Teilen des Alten Südlichen Friedhofs hindurch bis zur Schule laufen", schreibt die Mutter an das KVR. Leider gebe es an der Thalkirchner Straße auf Höhe des Friedhofdurchgangs keine sichere Überquerungsmöglichkeit für Fußgänger, "sodass alle Eltern vor diesem Weg zurückschrecken, obwohl er tatsächlich der auf allen Ebenen deutlich ungefährlichere sein könnte".

Das sieht das KVR ähnlich, doch dort hält man sich an die Vorschriften. Und die sind eindeutig: Laut bundeseinheitlichen Richtlinien für Fußgängerüberwege müssen in der betreffenden Straße mindestens 200 Kfz pro Stunde fahren, gleichzeitig sollten dort mindestens 50 Fußgänger pro Stunde die Straße queren wollen. Bei mehreren Verkehrszählungen hätten Mitarbeiter des KVR festgestellt, dass nur sehr wenige Menschen an der Thalkirchner Straße auf die andere Straßenseite wollen. Das wiederum könnte nach Ansicht von Victoria Halt daran liegen, dass es eben keinen Fußgängerübergang an der Stelle gibt.

KVR-Sprecher Johannes Mayer verteidigt die Haltung des Sachbearbeiters. Dessen Einschätzung müsse ausschließlich auf Kriterien der Verkehrssicherheit beruhen. Zudem sei die Schulwegbroschüre lediglich ein Vorschlag, welche Strecke für Kinder am sichersten ist. Ansonsten stehe Eltern natürlich frei, ihre Kinder über andere Wege zur Schule zu schicken.

Der Bezirksausschuss Ludwigsvorstadt-Isarvorstadt hat bereits Ende Juli einen Dringlichkeitsantrag auf Initiative der Grünen gestellt. Darin wird die Stadt aufgefordert, "Maßnahmen zur Einhaltung der Stickoxid-Grenzwerte zu treffen, um Anwohnerinnen und Anwohner gegen die hohe Schadstoffbelastung zu schützen". In dem Antrag werden einige Straßen im Stadtbezirk aufgezählt, die laut Umweltministerium besonders stark belastet sind. Darunter sind neben der Kapuzinerstraße auch die Thalkirchner Straße und die Tumblinger Straße - wo die Schule der beiden Buben liegt.

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