Schizophreniekranker Sohn:Muttermord im Wahn

Frau von ihrem Sohn erstochen - Prozess um Unterbringung in der Psychiatrie.

Stephan Handel

Der Muttermörder ist noch ein Kind. Er lispelt, er trägt einen blonden Haferl-Haarschnitt, und er ist seinem Richter gegenüber so beflissen, wie ein Grundschüler, der seiner Lehrerin alles recht machen will.

In erster Linie aber ist Markus S. krank: Er leidet an Schizophrenie; wenn er seine Medikamente nicht nimmt, fühlt er sich verfolgt, er glaubt, er werde vergiftet. Dieser Wahn kostete im April seine Mutter das Leben - sie wollte den Sohn zum Arzt fahren, auf dem Weg zum Auto zog er ein 20 Zentimeter langes Messer und rammte es ihr in den Rücken.

Verfolgungswahn

Der Stich ,,durchdrang den Bauchraum, durchstach die gesamte Leber, verletzte die Bauchspeicheldrüse, die rechte Niere sowie die Gallenblase und eröffnete mehrere, darunter auch zentrale Gefäße''. Inge S. starb gut zwei Monate nach der Tat auf der Intensivstation.

So steht es in der Anklageschrift - die keine Anklageschrift ist: Denn im Prozess, der am Donnerstag begann, geht es nicht darum, Markus S. ins Gefängnis zu schicken. Wegen seiner Krankheit verhandelt das Gericht über seine Unterbringung in der Psychiatrie.

Dass das Bezirkskrankenhaus im Moment der richtige Aufenthaltort ist, das akzeptiert Markus S. - auch wenn er es ,,ein bisschen blöd'' findet, dass dort alles so lange dauert, dass er mindestens ein Jahr warten muss, bevor er die erste Vollzugslockerung erwarten kann.

Merkwürdige Dinge in seinem Kopf

Wo die Psychose ihren Anfang nahm, das ist unklar. Markus S., 21 Jahre alt, berichtet von mehr oder weniger regelmäßigem Drogenkonsum. Besonders ein LSD-Trip scheint dabei interessant zu sein: Danach, so der Beschuldigte, habe er drei, vier Tage an Angstzuständen gelitten, an Halluzinationen; Selbstmordgedanken hätten ihn bewegt. Es ist bekannt, dass LSD schon bei einmaligem Konsum eine Psychose auslösen kann.

Schon damals, 2004, wurde er vier Wochen lang in Haar behandelt. Doch, so sagt Markus S., als er richtig auf seine Medikamente eingestellt gewesen sei, da sei alles wieder normal gewesen, der mehr als beängstigende Gedanke im Kopf weg, verrückt zu werden.

Nach der Entlassung wird er ambulant behandelt, doch der Arzt will die Tabletten absetzen. Als Markus S. merkt, dass dadurch wieder merkwürdige Dinge in seinem Kopf geschehen, sucht er sich eine andere Ärztin. Die medikamentiert ihn, und wieder wird alles gut.

Doch Anfang 2006 setzt er die Medikamente wieder ab. Und erneut wird er aggressiv, hat Angst, glaubt, seine Mutter wolle ihn vergiften. Das Notfallpaket, das ihm die Ärztin gegeben hat, nützt nichts mehr: Bevor die Psychopharmaka ihre Wirkung entfalten können, ist der Junge zum Muttermörder geworden. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

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