Schauspieler Eisi Gulp:Hackedicht

Schauspieler Eisi Gulp: Eisi Gulp versucht ein Drogenpräventionsprogramm kabarettistisch aufzubereiten.

Eisi Gulp versucht ein Drogenpräventionsprogramm kabarettistisch aufzubereiten.

(Foto: Robert Haas)

Beinahe wäre Eisi Gulp so groß rausgekommen wie Heiner Lauterbach. Jetzt gibt er vor der Kamera den kiffenden Vater und den Kini-Wahnsinnigen. Und auf der Bühne warnt er Schüler mit offenem Hosenschlitz vor gestrecktem Kokain.

Von Sabine Buchwald

Eisi Gulp ist ein Bewegungstyp. Sagt er von sich selbst. Man sieht das auch. So einen Körper hat kein 58-Jähriger, der seine Freizeit auf dem Sofa verbringt. An Eisi Gulp zeichnet sich nicht ein Gramm Schwabbelfett unterm T-Shirt ab, und seine dünnen Beine schnellen in die Höhe, als hingen sie an einem Gummiband. Respekt.

Den holt er sich mit einer Tanzeinlage an einem Septembermorgen in der Willy-Brandt-Gesamtschule. Dicker Nebel hängt draußen in der Luft und drinnen, in der Schulsporthalle, hängen die Neunt- und Zehntklässler ziemlich schlaff auf den Stühlen. Noch hat sich hier niemand an den Schulalltag gewöhnt. Zur Einstimmung, dachte wohl die Direktorin, holen wir uns mal den Gulp ins Haus mit seinem Drogenpräventionsprogramm "Hackedicht".

Eisi Gulp, den manche hier aus dem Kinofilm "Dampfnudelblues" oder der Vorabendserie "München 7" kennen, zeigt hier, womit er seine Karriere vor mehr als 30 Jahren begann: Zu lauter Musik springt er auf die Turnhallenbühne und verbiegt seine Gliedmaßen in einem Tempo, dass die Augen kaum nachkommen mit dem Schauen. Die Songs, zu denen er tanzt, gehören nicht gerade zu jenen, die pubertierende Jugendliche auf ihrer Playlist haben. "Sexmachine" von James Brown zum Beispiel, das ist schon ziemlich retro.

Wie Gulp zur Marke wurde

Eigentlich auch für Eisi Gulp, der ja eher ein Achtzigerjahre-Typ ist. Jedenfalls hat die Öffentlichkeit ihn erst mit Beginn dieses Jahrzehnts der Schulterpolster und Vokuhila-Frisuren richtig wahrgenommen. 1984 wurde er im Bayerischen Fernsehen Moderator der Jugendsendung "Live aus dem Alabama" und im ZDF Vorbild in der Sendereihe "Breakdance". Man hatte ihn entdeckt als modernen Tänzer, als Clown, Pantomime, Kabarettist und Schauspieler mit Münchner Grantlschnauze.

Schauspieler Eisi Gulp: Eisi Gulp auf der Bühne.

Eisi Gulp auf der Bühne.

(Foto: Robert Haas)

Es war die Zeit, als in der Stadt das junge, bis dato wenig verzweigte U-Bahnnetz für Regisseure noch interessant war und Zugführer jede Stationen ihrer Fahrt selbst ankündigten. Percy Adlon drehte mit Gulp und Marianne Sägebrecht "Zuckerbaby". Ein für heutige Sehgewohnheiten langsam geschnittener, aber bildstarker Film, der damals auf Festivals im In- und Ausland München und Gulp zu Marken machte.

Eisi Gulp, der "große Blonde", wie Sägebrecht ihn auf der Suche nach ihm in "Zuckerbaby" beschreibt, hätte kurz nach dem Adlon-Film mit Doris Dörrie "Männer" drehen sollen. Sogar eine der Hauptrollen hätte er sich aussuchen können, mit denen dann bekanntlich Heiner Lauterbach und Uwe Ochsenknecht groß rauskamen.

Lebendige Masse als Gegenüber

So erzählt es jedenfalls Gulp. Er habe damals schon eine Tour für seine Comedy-Show zugesagt gehabt und wollte nicht vertragsbrüchig werden. Rückblickend ärgert ihn das, das ist ihm anzumerken. Vielleicht aber hat ihn damals die Bühne und der direkte Kontakt zum Publikum einfach mehr gereizt.

Wer ein Sendungsbewusstsein hat wie Gulp, der braucht eine lebendige Masse Menschen als Gegenüber, nicht nur den Kameramann und die Kabelträger, wie beim Dreh eines Films. Deshalb tritt er seit vier Jahren mit "Hackedicht" viel in Schulen auf. Ein gutes Dutzend Termine hat er noch in diesem Jahr.

Er versucht, ein schlechtes Beispiel zu sein

An jenem Vormittag in der Turnhalle im Hasenbergl läuft es nur mäßig für ihn, nachdem die beeindruckende Tanzperformance vorüber ist. Die Resonanz von der anderen Seite der Bühne ist verhalten.

Gulp versucht den Jugendlichen klar zu machen, was Zigarettenkonzerne verdienen, wenn die Lust auf die Fluppe zur Sucht wird. Er schimpft über verbleites Marihuana und gestrecktes Kokain. Mit offenem Hosenschlitz torkelt er über die Bühne, spielt den Besoffenen, und versucht ein schlechtes Beispiel zu sein.

Der Anteil an Migrantenkinder in dieser Schule ist hoch und Alkohol für viele der kichernden Mädchen aus religiösen Gründen sicher kein Thema. Auch nicht die anzüglichen Gesten von Gulp, der sich immer wieder in den Schritt greift und mit dem Becken provozierend nach vorne bumst. Das wirkt irgendwie unpassend retro, wie aus einem anderen Jahrhundert eben.

Aus dem stammt Gulp nun mal, der als Werner Eisenrieder 1955 in eine alt eingesessene Münchner Familie geboren wurde. Aufgewachsen ist er in der Kaulbachstraße, der Englische Garten war für ihn und seine Spezln ein großer, grüner Spielplatz. Er kenne den Park noch, so erzählt Gulp, als das Betreten der Wiesen verboten war. Aber die Kaulbachstraßen-Gang wusste den Wärtern und ihren Schäferhunden zu entkommen - notfalls mit einem Sprung in den damals noch ungeklärten Eisbach.

4000 Kilometer Abenteuer mit wehenden Haaren

Die Geschichte lässt sich schwerlich nachprüfen, aber Gulp behauptet, er und seine Freunde hätten die berühmte Welle beim Haus der Kunst zum Surfen entdeckt. Auf Brettern vom Bau an einem Seil befestigt, haben sich die Freunde auf dem Wasser gehalten. Eisi, so rief man ihn damals schon, ist eben ein Bewegungstyp. Warum sollte also nicht stimmen, was er erzählt, und da kommt noch so einiges, worüber man heute staunen kann.

Zwischen Mittlerer Reife und Fachabitur habe er einen fabrikneuen Mercedes in den Iran gefahren. 4000 Kilometer Abenteuer mit wehenden Haaren und ohne an Gefahren zu denken. "Ich war ziemlich stark, als ich zurückkam", sagt Gulp. Jedenfalls fühlte er sich so.

Er begann Architektur zu studieren, holte sich ein Stipendium in einem Jazztanzstudio und ging schließlich nach New York, wo Merce Cunningham Unterricht gab. Die Kleinkunst war hier auf den Straßen zu Hause. Das begeisterte Eisi, der seinen Spitz- zum Künstlernamen machte. Er fügte ein onomatopoetisches Gulp dazu, und war bereit für die Bühnen dieser Welt.

"Zehn Jahre on the road"

Er lernte Jonglieren und Einradfahren, schaute sich die Methoden der amerikanischen Stand-up-Comedians ab, fand Ruhe bei Kung Fu und wusste: Vielseitigkeit muss kein Nachteil sein. Er durfte im Aktuellen Sportstudio auftreten und in Alfred Bioleks "Bahnhof". "Danach kam ein Engagement nach dem anderen", sagt er.

Eine Ball-Jonglage während einer einen Apfel isst, so etwas hat man längst auch von anderen gesehen. Eisi Gulp ist mit dieser Nummer durch die Fernsehshows Nord- und Südamerikas und quer durch Europa getourt. "Zehn Jahre on the road." Man buchte ihn sicher auch, weil er fließend Englisch und Französisch spricht. Nach New York lebte er in Paris, wo er die Technik der Pantomime aufsog.

Er fühlte sich als Kosmopolit in dieser Zeit, wohnte in Berlin und genoss danach viele Jahre in München seine Wohnung im Glockenbachviertel. Bis er sich seiner Frau zuliebe für ein Leben auf dem Land entschied. Bis heute lebt er im Chiemgau. Seine Söhne sind erwachsen, die Ehe kaputt. Doch er sagt: "Ich liebe München." Weil er jede Ecke kenne, weil die Stadt seine Heimat sei.

Erstaunlich authentisch

So weich und gefällig Münchnerisch wie Eisi Gulp sprechen nicht mehr viele. Jetzt, da die Lokalkrimis so hoch im Kurs stehen, bucht man ihn gern. In der Verfilmung von Rita Falks "Dampfnudelblues" mimt er den kiffenden Vater von Franz Eberhofer (Sebastian Bezzel), was erstaunlich authentisch wirkt. Gulp wird gecastet für die schrägen Rollen, wie in dem BR-Film von Dominik Graf "Die reichen Leichen", in dem er einen Kini-Wahnsinnigen gibt.

Zu sehen ist der Film am 18. Oktober, vorher kommt Gulp noch in die Kinos mit der zweiten Falk-Verfilmung: "Winterkartoffelknödel". Es spielt die bewährte Crew, zu der auch Sigi Zimmerschied gehört. Mit dem mal was zusammen machen, sinniert Gulp, wäre super.

Zwei Monolithen? Der eine mit, der andere ohne Bauch? Vielleicht.

Wie er sich so fit halte, will man dann noch wissen. Mit Ausdauertraining und Salsatanzen - drei mal die Woche mindestens. Geraucht habe er übrigens nie. "Mein Vater ist an Lungenkrebs elendig dahingeschmolzen."

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