Schadstoffe in der Luft:Diesel-Fahrverbot? Erst einmal tief durchatmen

Schadstoffe in der Luft: Gegen die hohe Stickstoffdioxidbelastung demonstrieren Anwohner der Isartalstraße. Tendenziell sind die Werte jedoch rückläufig.

Gegen die hohe Stickstoffdioxidbelastung demonstrieren Anwohner der Isartalstraße. Tendenziell sind die Werte jedoch rückläufig.

(Foto: Robert Haas)
  • In Stuttgart billigt ein Gericht Diesel-Fahrverbote. Die Politik sieht nur indirekte Auswirkungen auf München.
  • Denn anders als dort ist hier der Feinstaub kein Problem - und entscheidend wird ein Urteil aus Leipzig sein.

Von Dominik Hutter

Nach dem Stuttgarter Urteil über Diesel-Fahrverbote hat Oberbürgermeister Dieter Reiter die Verwaltung angewiesen, anhand der noch ausstehenden schriftlichen Begründung zu überprüfen, welche Auswirkungen der Richterspruch auf München hat. "Die Gesundheit der Bürger muss oberste Priorität haben", sagte der SPD-Politiker.

Allerdings ist der Freistaat ohnehin schon seit Ende Februar verpflichtet, ein Konzept für Diesel-Fahrverbote auszuarbeiten - in Zusammenarbeit mit der Stadt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dies angeordnet, weil nach Einschätzung des Vorsitzenden Richters Rainer Schenk die Grenzwerte für Stickstoffdioxid sonst nicht eingehalten werden können. Der entscheidende Unterschied zum Stuttgarter Fall: Die Münchner Richter sehen noch rechtliche Hürden und wollen erst abwarten, ob das Bundesverwaltungsgericht in einem anderen Fall Diesel-Fahrverbote für zulässig erklärt. Dieses Urteil aus Leipzig wird für Herbst erwartet. Damit keine Zeit verloren geht, muss bis spätestens zum Jahresende das Münchner Konzept stehen.

Anders als in Stuttgart gibt es in München auch keinen Feinstaub-Alarm. Das Problem mit den winzigen Schmutzpartikeln, das hat auch der Verwaltungsgerichtshof bestätigt, gilt an der Isar als bewältigt; die Limits werden seit 2012 eingehalten. Ohnehin gelten temporäre Fahrverbote beim Thema Stickstoffdioxid als unpassende Lösung: Denn anders als beim Feinstaub sind bei diesem Schadstoff nicht die Tageswerte, sondern der Jahresmittelwert das Problem.

Im Münchner Rathaus ist man davon überzeugt, dass die aktuelle Rechtslage keine Diesel-Fahrverbote hergibt. Bürgermeister Josef Schmid (CSU) rechnet aber fest damit, dass die Leipziger Richter in diesem Fall der Politik die Hausaufgabe mitgeben, eine entsprechende Möglichkeit zu schaffen. Was, so hofft die Mehrheit der Stadträte, auf die Blaue Plakette hinausliefe. Mit einem solchen Aufkleber ließen sich - ähnlich wie bei den auf Feinstaub zugeschnittenen grünen, gelben und roten Vignetten - Autos mit akzeptablem Schadstoffausstoß kennzeichnen. Die Blaue Plakette wäre dann Voraussetzung für die Einfahrt in die Münchner Umweltzone. Wer keine hat, müsste draußen bleiben.

Diese Variante gilt im Rathaus als die mit Abstand sinnvollste, da sie die Autos differenziert einstuft. Gäbe es ein allgemeines Verbot, dürften hingegen überhaupt keine Diesel-Autos mehr durch die Innenstadt fahren. Was auch deshalb schwierig wäre, da sie ohne entsprechende Kennzeichnung von außen nicht ohne weiteres erkennbar sind.

In München, so berichtet Schmid, wird derzeit auf zwei Schienen gefahren: Wie vom Gericht verlangt, wird ein Konzept für Diesel-Fahrverbote ausgetüftelt. Falls die Leipziger Richter diese Lösung aber vom Tisch wischen, müssen sich Freistaat und Stadt andere Ideen einfallen lassen, um die Schadstofflimits einzuhalten. Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) lehnt pauschale Fahrverbote weiter strikt ab. Die Staatsregierung setze auf "Vernunft und Augenmaß", sagte sie am Freitag.

Der Stadtrat hat erst in dieser Woche beschlossen, 20 zusätzliche Messstellen für Stickstoffdioxid aufzustellen. Damit sich überprüfen lässt, ob die von Stadt und Freistaat erarbeiteten Lösungen greifen. Reiter hofft, dass sich Fahrverbote durch technische Nachrüstungen vermeiden lassen. Ausschließen will der SPD-Mann sie aber nicht. Die Zufahrtsbeschränkungen blieben eine Option, falls die Limits weiterhin gerissen werden.

Was in der aktuellen Debatte ein wenig untergeht: Die NO₂-Belastung der Luft ist schon seit Jahren tendenziell rückläufig. 2005 hat das Landesamt für Umwelt am Stachus noch einen Jahresmittelwert von 76 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. Im Vorjahr lag der Wert bei 56. An der Landshuter Allee sank die Belastung im gleichen Zeitraum von 92 auf 80 Mikrogramm.

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