Sailerstraße:Zu spät für die Rettung

Sailerstraße: In die Jahre gekommen: Drei Häuser an der Sailerstraße sollen abgerissen werden.

In die Jahre gekommen: Drei Häuser an der Sailerstraße sollen abgerissen werden.

(Foto: Robert Haas)

Die Eigentümer wollen drei marode Häuschen abreißen lassen und durch Neubauten ersetzen. Nun will der Bezirksausschuss Schwabing-West wenigstens die idyllisch anmutenden Fassaden erhalten

Von Ellen Draxel, Schwabing

An der Fassade des mintgrünen Häuschens an der Sailerstraße 4 prangt noch in fleckigen Lettern der Name "M. Stopp". Einst konnten die Schwabinger hier Lebensmittel kaufen - doch diese Zeiten sind vorbei. Die pittoresk anmutende Häuserzeile mit den Hausnummern 2, 4, und 6 wurde 1898 gebaut, nach mehr als hundert Jahren soll sie Neubauten weichen. Den Eigentümern zufolge sind die Häuser nicht mehr rentabel sanierbar.

Am wenigsten die Sailerstraße 4: "Das Haus", sagt einer der neuen Eigentümer, "ist komplett marode". Das Dach sei undicht, Feuchtigkeit finde sich in allen Bauteilen. Weil jahrzehntelang nichts investiert wurde, war das Haus verkommen und musste zwangsversteigert werden. "Mit einer Sanierung", sagt der Eigentümer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, "kommt man da nicht weiter." Einem Gutachten zufolge würde die Renovierung 600 000 Euro kosten.

Nun also soll es abgerissen werden, ebenso wie die beiden Nachbarbauten rechts und links. Für die Hausnummern 2 und 4 liegen bereits Baugenehmigungen vor, für die Sailerstraße 6 hat die Lokalbaukommission (LBK) zumindest einen positiven Bescheid für den Abbruch bescheinigt.

Möglich ist das, weil das Ensemble, trotz seiner idyllischen Architektur mit Vorsprüngen und spitzen Hütchen auf den Gauben, nicht unter Denkmalschutz steht. Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege sei "leider erst im Sommer 2016" gebeten worden, zu prüfen, ob es sich um Baudenkmäler handle, sagt die Sprecherin des Landesamts, Dorothee Ott. Zu diesem Zeitpunkt seien die Anträge, die Häuser abzubrechen und stattdessen neu zu bauen, bereits genehmigt gewesen. "Eine Prüfung auf Denkmaleigenschaft war zu diesem Zeitpunkt, deutlich nach Abschluss des Verfahrens, bedauerlicherweise nicht mehr möglich."

Prinzipiell, erklärt Ingo Trömer, Pressesprecher des Planungsreferats, schalte die Lokalbaukommission bei Genehmigungsverfahren nur dann die Untere Denkmalschutzbehörde ein, wenn schon Denkmalschutz bestehe. Das sei hier nicht der Fall gewesen. Die Genehmigungsbehörde kann aber auch von sich aus aktiv werden und das Landesamt für Denkmalpflege um die Prüfung von Gebäuden bitten - wenn dafür Anlass besteht.

Das Problem bei der Sailerstraße aber war, dass die Information über eine mögliche Schutzwürdigkeit die Lokalbaukommission zu spät erreichte. 2012 bereits hatte diese dem Westschwabinger Bezirksausschuss den Vorbescheid für den Abbruch des ersten Häuschens an der Sailerstraße 2 vorgelegt. Die Lokalpolitiker äußerten seinerzeit keine Einwände, stimmten einstimmig zu. Erst 2014, als dann der Bauantrag kam, lehnten die Bürgervertreter die Planung ab - mit der Begründung, es müsse die Denkmaleigenschaft geprüft werden. Die Stadtteilpolitiker wollten "verhindern, dass die östlich gelegenen Altgebäude ebenfalls abgebrochen werden". Zu diesem Zeitpunkt jedoch sei es bereits zu spät gewesen, sagt Trömer: "Aufgrund der rechtlichen Bindungswirkung des Vorbescheides konnte die Stellungnahme des Bezirksausschusses zum Bauantrag im Jahr 2014 nicht mehr positiv berücksichtigt werden."

Die Eigentümer der Häuschen jedenfalls, allesamt Privatpersonen, ärgert die "auf einmal aufpoppende" Kritik an dem geplanten Abriss. "Wir sind keine Immobilienhaie, wir schaffen dringend benötigten Wohnraum in Münchens Innenstadtbereich", erklärt einer von ihnen. Die Familie, der die Sailerstraße 2 gehört, will in den geplanten Neubau wieder selbst einziehen. Auch die Mieter, die die Nummer 6 bewohnen, kehren nach den Bauarbeiten wieder an ihre alte Adresse zurück.

Außerdem entstehen in diesem Gebäude drei weitere Wohnungen. Statt bisher 209 Quadratmeter Wohnraum sollen es künftig 523 Quadratmeter sein. In Hausnummer 4 sind zudem fünf neue Mietwohnungen geplant. Dass es "schade" sei, die "süße Fassade" zu opfern, diese Meinung teilen die Eigentümer. "Dennoch ist der Neubau notwendig, alles andere wäre Flickwerk." Und für "Liebhaberei" sei der Erhalt der Optik einfach zu teuer. Architekt Erich Jenewein, der die Entwürfe für den Neubau an der Sailerstraße 6 gestaltet hat, gibt zu bedenken, dass zum Denkmalschutz mehr gehöre als nur das Äußere. "Aber innen in den Häusern ist nichts mehr da, was schutzwürdig wäre." Selbst die Türen seien reine Billigware. Im Übrigen sei es sinnvoll, eine Stadt auch optisch zu erweitern. Die Ersatz-Neubauten bilden laut Jenewein "wieder so eine Art Einheit": fünf Stockwerke hoch plus ein zurückgesetztes, fünftes Geschoss als Penthouse - analog zum Komplex an der unmittelbar benachbarten Ecke zur Lerchenauer Straße.

Die Baugrube wollen alle Hauseigentümer gemeinsam ausheben lassen, idealerweise soll auch zusammen gebaut werden. "Das wäre kostengünstiger und angenehmer für die Nachbarn." Erst vorige Woche gab es dazu ein Gespräch. Der Abbruch der alten Häuschen soll im kommenden Frühjahr beginnen, im Herbst 2018 könnten die Neubauten fertig sein.

Lokalpolitiker und der Verein Altstadtfreunde aber wollen noch nicht aufgeben. Sie schlagen einen Kompromiss vor: Erweiterung des Baurechts, aber mit Erhalt der Fassadenstruktur. Diese Variante schlägt der Bezirksausschuss nun schon zum dritten Mal vor.

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