Sänger verlässt "Münchener Freiheit":Solange man Träume noch leben kann

Keine Lust mehr auf die Achtziger: Sänger Stefan Zauner verlässt nach 30 Jahren die Band "Münchener Freiheit" - ohne Abschiedskonzert, ohne große Worte. Nun will er mit 59 den Neuanfang als Solokünstler wagen.

Stefan Galler

Zweieinhalb Stunden dauert ein Flug von München nach Ibiza. Fünf Stunden hin und zurück, viel Zeit um nachzudenken. Etwa 50 Mal im Jahr ist der Musiker Stefan Zauner diese Strecke geflogen, immer fürs Wochenende, für Konzerte seiner Band Münchener Freiheit. Diese Routine kann ermüden, weswegen sich der Sänger vor zwei Jahren von seinem 7000-Quadratmeter-Anwesen auf der Baleareninsel getrennt hat und wieder zurück nach München gekommen ist - und sich auch weiterreichende Gedanken gemacht hat.

Muenchener Freiheit In Concert

"Solang man Träume noch leben kann": Für viele Liebespaare haben Stefan Zauner und seine Band "Münchener Freiheit" Hymnen fürs Leben geschrieben. Jetzt hat der Sänger keine Lust mehr auf seine Hits und wagt mit 59 einen Neuanfang.

(Foto: Getty Images)

30 Jahre lang gibt es nun die Münchener Freiheit - auch das kann eintönig werden, zumal, wenn man schon so gut wie alles im Musikgeschäft erreicht hat. "Klar hätte ich den gemütlichen Trott weitermachen können", sagt Stefan Zauner, "aber ich bin ein kreativer Kopf und will noch einmal was auf die Beine stellen."

Zauner verlässt die Band - ohne Abschiedskonzert, ohne große Worte. Und vor allem für Liebespaare wird die Welt eine andere sein - ihre Welt, ihre 80er. Es war in jener Zeit, als weite Teile Deutschlands das Quintett aus München feierte, als man mit dem Titel "Ohne Dich (schlaf ich heut Nacht nicht ein)" am Tag schon mal 32.000 Singles verkaufte. "Heute unvorstellbar", sagt Zauner.

Bis auf Platz zwei der deutschen Charts kletterte der Song, nur in einem Österreicher fand die Band ihren Meister: Falcos "Jeanny" thronte damals wochenlang über der Münchener Freiheit. "Wir sind einfach nicht an ihm vorbeigekommen, dabei fehlten uns nur rund 300 Singles pro Tag." Aber: "Ohne Dich" schaffte es in Falcos Heimatland an die Spitze.

Natürlich sind die Achtziger eines der bestimmenden Themen, wenn man sich mit Stefan Zauner unterhält. Und auch der Anlass des Gesprächs hängt eng mit dieser aus Sicht des heute 59-Jährigen erfolgreichsten Zeit seines Berufslebens zusammen: Denn Zauner mag sich, wie er es ausdrückt, "nicht mehr auf die 80er reduzieren lassen". Und hat deshalb vor wenigen Tagen offiziell seinen Ausstieg aus der Münchener Freiheit bekannt gegeben, die er selbst im Oktober 1980 zusammen mit dem Gitarristen Aron Strobel, dem Schlagzeuger Günter Stolz und dem Bassisten Freddie Erdmann gegründet hatte. Die Alternative zu diesem Schritt wäre laut Zauner gewesen, "mit 70 Jahren auf der Bühne zu stehen und ,Tausendmal Du' zu trällern - das hätte ich irgendwie grotesk empfunden".

Der "Geschmackswart"

Der Entschluss habe, so der Sänger und Komponist, schon längere Zeit festgestanden. Und sei keineswegs im stillen Kämmerlein gereift: "Die anderen waren stets über meine Pläne informiert, sonst wäre das ja äußerst unfair gewesen", sagt Zauner. "Wir sind ja nicht im Streit auseinander gegangen."

Allerdings verbinden ihn mit seinen Bandkollegen, zu denen heute von der Stammbesetzung nur noch Aron Strobel gehört, keine tiefgreifenden Freundschaften: "Natürlich sind wir enge Bekannte, sonst würde man es ja nicht 30 Jahre lang miteinander aushalten, aber es ist nicht so, dass wir alle zusammen in einer Kommune auf einem Bauernhof leben. Jeder hat sein eigenes Privatleben, ich bin mir ziemlich sicher, der Kontakt wird nach unserer Trennung abreißen."

Klare Worte - Zauner ist ein geradliniger Typ, der es sich keineswegs immer leicht macht. So erklärt sich auch sein Sprung ins kalte Wasser - und das ein gutes halbes Jahr vor seinem 60. Geburtstag. Genaue Pläne hat er nicht, eine Soloplatte ist in Arbeit, doch Zauner möchte auch verstärkt hinter den Kulissen tätig sein, so wie 2009 als Arrangeur eines Albums der Berliner Indie-Pop-Band Virginia Jetzt! und in diesem Jahr als Produzent für die Schlagersängerin Isabell Varell. "Das Problem ist, dass die Leute ja nicht auf meinen Ausstieg bei der Münchener Freiheit gewartet haben, damit ich etwas für sie produzieren kann. In diesem Bereich muss ich mir erst einen Namen machen", sagt er.

Sein musikalisches Spektrum ist jedenfalls breit, das zeigen nicht nur seine jüngsten Arbeiten im Studio, sondern auch die Geschichte der Münchener Freiheit. Angefangen hat alles in der Blütezeit der Neuen Deutschen Welle, als Zauner und seine Mitstreiter ein Demo produzierten und sofort zwei unterschriftsreife Verträge vorgelegt bekamen. "Wir haben 100.000 Mark Vorschuss bekommen, auch das gibt es heute nicht mehr."

Mit schrägen New-Wave-Nummern wie "Ich steh' auf Licht" wurde die Band bekannt, Pophits wie "S.O.S.", Schnulzen wie "Oh Baby" oder orchestrale Mammutprojekte wie "Solang man Träume noch leben kann" - die Münchener Freiheit hatte für jeden was im Repertoire - und oft die Kritiker gegen sich. "Natürlich schwankte die Kritik immer wieder im Laufe der Jahre. Aber an einen Text erinnere ich mich ganz genau, weil er so unfair war." Und dann ledert er ab über jene Rezension aus dem Jahr 1987, als seine Kapelle den Circus Krone "locker ausverkaufte" und dort 3000 völlig begeisterte Menschen auf einen einzigen trafen, der, wie es Zauner ausdrückt, "nicht gut drauf" war - es war ein Kritiker der SZ, oder wie ihn Zauner nennt: ein "Geschmackswart".

Mehr Schlager als Pop

Ihre Musik wurde von Mitte der 90er Jahre an immer softer, mehr Schlager als Pop. Doch der Erfolg blieb ein treuer Begleiter der Münchener Freiheit: Alle sieben Alben, die das Quintett zwischen 2000 und 2010 veröffentlichte, schafften es in die deutschen Charts, "Eigene Wege" stieß 2009 sogar bis auf Rang zehn vor.

Obwohl der Band angesichts ihrer Bekanntheit in den erfolgreichsten Zeiten die Groupies beinahe die Türe einrannten, führte etwa Zauner stets ein sehr bürgerliches Leben. "Klar hätte man da heftige Dinge anstellen können, aber wer in unserer Branche dem Motto Sex, Drugs, Rock 'n' Roll folgt, hat entweder keinen Erfolg oder er ist bald tot", sagt Zauner.

Auch er wird früh mit dem Tod konfrontiert, 2002 stirbt seine Ehefrau Birgit im Alter von 37 Jahren in der Wahlheimat des Paares auf Ibiza an einer doppelseitigen Lungenentzündung. "In so einer Situation hilft dir nur die Zeit, ich konnte niemanden um mich haben", sagt Zauner rückblickend. In dieser Zeit hat die Band ein Album eingespielt - alte Nummern, nur neu aufgenommen. Keine kreative Arbeit, aber für Zauner die beste Ablenkung: Nach einem halben Jahr hatte er den Verlust verarbeitet.

Mittlerweile ist der 59-Jährige wieder verlobt. Er wohnt nun in der Peripherie Münchens, jener Stadt, für die er "Heimatgefühle" hegt, obwohl er in Göttingen geboren wurde. Von hier aus startet er nun in seine zweite Karriere. Mit einem gesunden Sinn für Realismus, denn Zauner ist keineswegs hundertprozentig sicher, dass seine Träume wahr werden. "Aber wenn es nicht klappt, werde ich trotzdem überleben."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: