Interview mit Sänger Abi Ofarim:Flirten ohne Altersgrenze

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Der deutsch-israelische Sänger Abi Ofarim bekam fünf Goldene Schallplatten. Seit er das Jugendzentrum für Senioren eröffnet hat, tritt er seltener auf. (Foto: Stephan Rumpf)

In seinem "Jugendzentrum für Senioren" führt Sänger Abi Ofarim lebensfrohe Menschen zusammen. Im Interview spricht er über das Anbandeln im Alter - und warum er lieber von 'reifen' spricht.

Interview von Wiebke Harms

Als Sänger tourte Abi Ofarim, 77, um die ganze Welt, seit einem Jahr empfängt der Initiator des "Jugendzentrum für Senioren" nun jeden Tag zwischen 80 und 120 Gäste höheren Alters.

SZ: Herr Ofarim, viele sagen: Man ist so alt, wie man sich fühlt. Wie halten Sie das?

Abi Ofarim: Ich bin alterslos. Das Alter ist keine Ziffer, sondern ein Gefühl. Ich habe heute viel mehr Erfahrung als früher. Ich werde nicht einfach nur älter, ich reife.

Älter werden, das sagen Sie nicht so gerne, oder?

Der Begriff ist so negativ. Alt, das klingt fertig, so als wäre man am Ende. Aber das stimmt nicht! Das sehe ich jeden Tag im Jugendzentrum für Senioren. Hier haben alle so viel Spaß. Manchmal geht es hier zu wie im Kindergarten!

Was machen Sie im Jugendzentrum für Senioren?

Wir basteln, wir essen zusammen, es gibt Musik, jeden Montag ist Schachtag und wir reden viel. Aber nicht über Krankheiten. Im ganzen vergangenen Jahr habe ich niemanden darüber sprechen hören. Die Leute machen lieber Pläne, sprechen über Reisen. Hier entstehen Freundschaften.

Sind Senioren denn immer noch offen für neue Freunde?

Oh ja! Viele der Damen und Herren leben allein, ihre Partner sind gestorben und die Kinder wohnen nicht in München. Oft kommen Leute mit ganz ernsten Gesichtern rein. Aber wenn sie gehen, lachen alle. Schließlich gibt es für Freundschaft kein Alter, das ist nicht nur etwas für Jugendliche. Genauso wie das Flirten. Das machen hier viele sehr gern.

Erzählen Sie mehr davon!

Ein alter Herr, er kommt jeden Freitag und ist 91 Jahre alt. Weil er sehr dünn ist, kann er nicht lange sitzen. Zwischendurch steht er eigentlich alle zehn bis 15 Minuten auf und spaziert umher. Letzens hat er sich mit einer unserer ehrenamtlichen Helferinnen unterhalten - sitzend. Sie ist gerade mal 18 Jahre alt und bildhübsch. Der ist drei Stunden lang nicht aufgestanden!

Flirten denn die Senioren auch miteinander?

Klar! Neulich habe ich gehört, wie ein 90-Jähriger zu einer 70-Jährigen sagte: "Ich kann zwar nicht mehr so, wie ich möchte. Aber daran denken darf ich, oder?"

Kommen mehr Männer oder mehr Frauen in Ihr Zentrum?

Das hält sich die Waage. Montags beispielsweise kommen viele Herren, um Schach zu spielen. Viele Frauen stricken oder nähen lieber. Männer sind Männer, auch im Alter. Wenn bei einer Dame eine Lampe kaputt geht, bieten sofort drei Gentlemen ihre Hilfe an.

Sie erzählen von Lebensfreude. Warum haben trotzdem so viele Menschen Angst vorm Altern?

Ich habe das Gefühl, dass viele fürchten, den Anschluss zu verlieren. Wir leben in einer digitalen Welt, die sich viel zu schnell verändert. Wie sollen die Älteren da mitkommen? Junge überweisen ihr Geld online, Alte gehen zur Bank.

Müssen wir mehr Rücksicht aufeinander nehmen?

Ja, ich vermisse oft den Respekt älteren Menschen gegenüber. In der Tram zum Beispiel steht keiner mehr auf, wenn ein älterer Mensch einsteigt. Zollt ihnen doch wieder mehr Respekt! Diese Leute haben Deutschland aufgebaut und zu einer Wirtschaftsmacht gemacht. Nun haben sie Schwierigkeiten mit ihrer Rente und können kaum ihre Wohnungen bezahlen.

Fürchten Sie sich manchmal davor, einsam zu werden?

Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Ich bin doch noch jung, erst 77 Jahre. Vater Abraham hat 100 Jahre geschafft und Methusalem noch mehr. Ich bin glücklich, dass ich neben der Musik eine weitere erfüllende Aufgabe gefunden habe.

© SZ vom 11.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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