S-Bahn:Private am Zug

Die Konkurrenz steht schon in den Startlöchern: 2017 läuft der Verkehrsvertrag der Münchner S-Bahn aus. Sollte der Freistaat das Netz europaweit ausschreiben, ist nicht sicher, ob die Deutsche Bahn den Zuschlag erhält. Bei ähnlichen Ausschreibungen kamen zuletzt immer wieder andere Anbieter zum Zuge.

Marco Völklein

Vor ein paar Jahren war Heino Seeger schon mal am Flughafen. Mit dem Zug, genauer mit einem Dieseltriebwagen vom Typ "Integral", der normalerweise auf den Strecken der Bayerischen Oberlandbahn (BOB) fährt. Eine Reisegruppe wollte abgeholt und nach Garmisch gefahren werden. BOB-Chef Seeger fackelte nicht lange, schnappte sich einen Lokführer und ein Fahrzeug - und fuhr los. Wenn es nach ihm ginge, dann würde er bald mehr Züge ins Münchner S-Bahn-Netz schicken - und damit den roten Waggons der Deutschen Bahn Konkurrenz machen. Bis zum Jahr 2017 läuft noch der Vertrag, mit dem der Freistaat der Deutschen Bahn den Betrieb der S-Bahn übertragen hat. Wie es danach weitergeht, ist offen. "Wir überlegen und diskutieren sehr intensiv", sagt Fritz Czeschka, der Chef der Bayerischen Eisenbahn-Gesellschaft (BEG). Die BEG bestellt und bezahlt im Auftrag des Freistaats die Regionalzüge und damit auch die S-Bahnen. Klar ist nur eines: Es müssen nicht zwangsläufig DB-Züge sein, mit denen die Pendler künftig unterwegs sein werden. Denn zuletzt hat die BEG viele Regionalzugnetze europaweit ausgeschrieben - und immer wieder kamen Konkurrenten der Bahn zum Zug. So erhielt BOB-Chef Seeger zum Beispiel den Zuschlag für das "E-Netz Rosenheim", also für das Regionalzugnetz im südostbayerischen Raum. Der BOB-Mutterkonzern Veolia wird dort von Dezember 2013 an mit neuen Zügen ein erweitertes Zugangebot unterbreiten. Auch in Nord- und Ostbayern befahren Bahn-Konkurrenten ganze Netze. Die Bahn selbst war ebenfalls siegreich: Sie sicherte sich zuletzt das ausgeschriebene Werdenfels-Netz rund um Garmisch-Partenkirchen. Derzeit sind etwa drei Viertel des bayerischen Schienennahverkehrs noch in der Hand der Deutschen Bahn, den Rest teilen sich die Konkurrenten auf. Sollte der Freistaat auch die Münchner S-Bahn ausschreiben, wäre plötzlich das mit Abstand größte und wohl auch ertragreichste Schienennetz in Bayern auf dem Markt. Allerdings verursacht genau diese Größe auch enorme Probleme: So umfasst allein der S-Bahn-Fuhrpark 240 Triebfahrzeuge. Die Bahn unterhält in Steinhausen eine moderne Werkstatt. Würde ein Konkurrent zum Fahrplanwechsel im Dezember 2017 den Betrieb übernehmen, zöge sich die Bahn von einem auf den anderen Tag mit ihrem mehr oder weniger eingespielten Team komplett zurück - und der Konkurrent würde die gesamte Verantwortung tragen. Sollte etwas nicht klappen, wären hunderttausende Pendler betroffen. "Kein Verkehrsminister, egal, welcher Partei er auch angehören mag, würde sich so etwas antun", sagt ein Insider. Denkbar ist daher, dass die BEG das Netz aufteilt und die Einzellose separat ausschreibt. Seeger signalisiert da schon mal Interesse, beispielsweise an den Strecken der S 3 (Mammendorf - Holzkirchen) oder der S 7 (Kreuzstraße - Wolfratshausen), die direkt sein bestehendes BOB-Netz tangieren. "Das würden wir uns auf jeden Fall mal ansehen." Czeschka und seine BEG-Mitarbeiter warten indes dringend auf eine Entscheidung zur zweiten S-Bahn-Stammstrecke: Denn sollte die eines Tages gebaut werden, will der Freistaat zusätzliche Express-S-Bahnen und Regionalzüge durch den Innenstadttunnel führen. Diese Zusatzleistungen könnte die BEG dann an alternative Anbieter vergeben. "Das würde es uns sehr erleichtern, eine stufenweise Lösung einzuschleifen", sagt Czeschka. Viel Zeit bleibt nicht: Um bis 2017 die Weichen gestellt zu haben, müssten im Laufe des Jahres 2012 erste Entscheidungen fallen. (Kommentar)

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