S-Bahn München:Störungen gehören auf der S 7 zum Alltag

S-Bahn München: Der Ärger über Verspätungen gehört Pendler in der S 7 dazu.

Der Ärger über Verspätungen gehört Pendler in der S 7 dazu.

(Foto: Robert Haas)
  • Die S7 gilt als Verdrussstrecke. Weil sie zum Großteil eingleisig ist, wirken sich Verspätungen automatisch auf den Gegenzug aus.
  • Hinzu kommen Probleme, die freilich auch andere S-Bahn-Linien haben, etwa, dass die Stammstrecke stark ausgelastet ist.
  • Bei der Bahn verweist man auf die gute Statistik, gibt detaillierte Vergleichsdaten zu Störungen auf den einzelnen S-Bahnstrecken allerdings nicht bekannt.

Von Wolfgang Schäl und Claudia Wessel

Das Erlebnis am Bahnsteig ist immer das gleiche. Erst ein Knacken im Lautsprecher, danach ein vernehmliches Rauschen und schließlich ein schwer verständliches Quäken: "Verehrte Fahrgäste, bitte beachten Sie...". Angesäuert sind die Adressaten der Botschaft spätestens nach dem Rauschen, denn das kündigt immer Verspätungen an, mal nur ein paar Minuten, mal deutlich mehr.

Im glücklichsten Fall ist die Ansage selbst überholt, und der Zug kommt just, während noch die Verzögerung angekündigt wird. Mal sind es aber auch 36 Stunden, wie bei der jüngsten großen Störung. Und dann liegen die Nerven blank.

Am 1. und 2. Dezember ging nichts mehr, totaler Blackout, ein Stellwerkfehler, der nur schwer zu beheben war. Inzwischen weiß man bei der Bahn, woran es lag, und warum es so lang gedauert hat, die Ursache zu finden: Es sei ein Übertragungsfehler gewesen, ein Leitungsproblem, sagt ein Bahnsprecher. Schließlich arbeite ein modernes Stellwerk heutzutage nicht mehr mit Seilzügen, sondern elektronisch. Und ein Kabeldefekt irgendwo zwischen Wolfratshausen und Ebenhausen, der sei auf einer so langen Distanz eben schwer ausfindig zu machen.

Dass die Fahrgäste einen Ausfall dieser Dimension als ärgerlich empfinden, kann man bei der Bahn zwar irgendwie nachempfinden. Andererseits müsse man feststellen, dass die als Verdrusslinie geltende S 7 gar nicht überproportional von Störungen betroffen, ja in gewisser Weise sogar im Vorteil sei. Denn abgesehen von den wenigen für das Geretsrieder Gewerbegebiet bestimmten Güterwaggons und der Münchner Teilstrecke bis Solln, die von der Bayerischen Oberlandbahn mitbenutzt wird, habe die S 7 die Trasse ganz für sich allein und müsse sie nicht, wie andere Linien, mit Regional- und Schnellzügen teilen. "Es gibt hier praktisch keinen Mischverkehr." Und die früher durch das schwierige Gelände bedingten Ausfälle spielten dank der mittlerweile aufwendigen Hangsicherung im Bereich des Isartals kaum noch eine Rolle für die Pünktlichkeit.

Problematisch an der S 7 sind aus Sicht der Bahn letztlich nur zwei spezifische Faktoren: Die Strecke ist zum größten Teil eingleisig, sodass sich Verspätungen automatisch immer auch auf den jeweiligen Gegenzug auswirken, der an den Ausweichbahnhöfen warten muss. Und ungünstig wirkt sich auch die "Wendezeit" in Wolfratshausen aus, in der der Lokführer ans andere Ende des Zuges geht und auf die entgegengesetzte Fahrtrichtung umschaltet - die sei mit knapp neun Minuten arg kurz bemessen. Dies mache es schwierig, längere Verspätungen auszugleichen, lasse sich aber nicht ändern.

Mittlerweile bis in den Landkreis Miesbach verlängert

Besonders problematisch, das gelte für alle S-Bahnen und somit auch für die S 7, sei schließlich die hohe Belastung der Stammstrecke mit 30 Zügen pro Stunde. "Bei einer Taktfrequenz von zwei Minuten kommen immer wieder Züge zu spät aus dem Tunnel." Dies werde sich mit dem Bau der zweiten Stammstrecke, die 2026 fertig sein soll, aber ändern, ist sich der Bahnsprecher sicher. Dann werde das gesamte Netz umstrukturiert.

Alles in allem ist die Bahn mit der S 7 aber auch heute schon nicht unzufrieden: Bei ihr lägen "Zielvorgabe und Istwert für 2017 voraussichtlich bei 94,6 Prozent Pünktlichkeit" - wobei Verspätungen von bis zu fünf Minuten statistisch gar nicht erfasst werden. Im Gesamtnetz kommt die S-Bahn auf einen Wert von rund 96 Prozent, der technisch über elektrische Gleiskontakte ermittelt und prozentual aufgeschlüsselt wird. Detaillierte Vergleichsdaten zu Störungen auf den einzelnen S-Bahnstrecken gibt die Bahn allerdings nicht bekannt. "Das machen wir bewusst nicht", sagt ihr Sprecher. Nur so viel: "Die Linie S 7 ist nicht die unpünktlichste."

Zufriedenheit herrscht bei den S 7-Anliegergemeinden trotzdem nicht, vor allem Lokalpolitiker in den Rathäusern murren immer lauter. Sie machen für die häufigen Störungen vor allem die Streckenlänge verantwortlich - fuhr die S 7 früher nur von Wolfratshausen bis zum Ostbahnhof, so wurde sie vor einigen Jahren bis zur Haltestelle Kreuzstraße im Landkreis Miesbach verlängert.

"Die DB hat immer schöne Ausreden"

Gegen diese Koppelung erhebt sich Protest in Schäftlarn, Icking, Baierbrunn und Wolfratshausen, aber, schon seit 2013, auch in den Gemeinden des östlichen Streckenabschnitts im Landkreis München. Sie alle machen die enorme Länge der eingleisigen S 7-Strecke für die vielen Ausfälle verantwortlich und fordern, den Streckenabschnitt zwischen Ostbahnhof und Kreuzstraße mit einer anderen Linie zu koppeln, sie ganz abzutrennen oder mehrgleisig auszubauen.

Auf die "infrastrukturellen Rahmenbedingungen" und das "Nadelöhr Stammstrecke" verweist auch die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG), die dem Verkehrsministerium untersteht und für die Planung, Bestellung und für Qualitätskontrollen beim Schienenpersonennahverkehr zuständig ist. In den vergangenen Monaten habe es aber "auf der S 7 keine systematische Häufung an technischen Störungen, die über dem Niveau anderer Linien lagen, gegeben". Man gehe davon aus, dass es sich bei dem Vorfall Anfang Dezember "um eine einmalige Störung handelt".

S-Bahn München: Thomas Kantke (li.) und Jürgen Stanke zeigen einen DB-Plan von 1973, auf dem die Notwendigkeit des zweigleisigen S7-Ausbaus schon eingezeichnet ist.

Thomas Kantke (li.) und Jürgen Stanke zeigen einen DB-Plan von 1973, auf dem die Notwendigkeit des zweigleisigen S7-Ausbaus schon eingezeichnet ist.

(Foto: Robert Haas)

Eine Aussage zum generellen Zustand der Infrastruktur im S-Bahn-Netz macht die BEG in ihrer Erklärung nicht. Dafür findet der Fahrgastverband Pro Bahn umso deutlichere Worte zum Thema S 7. Pro Bahn-Sprecher Andreas Barth wünscht sich für Störfälle "fahrgastbezogene statt zugbezogene Daten". Über die nämlich verfüge die Bahn durchaus. Danach müsse klar werden, welcher S-Bahn-Benutzer beispielsweise an welcher Haltestelle keinen Anschluss mehr bekommen habe und mit welcher Verspätung der einzelne Fahrgast ans Ziel gekommen sei.

"Die DB hat immer schöne Ausreden, um davon abzulenken, dass ihre gesamte Infrastruktur verfällt", sagt Barth. Stellwerksstörungen wie jüngst in Wolfratshausen seien schon lange nicht mehr die Ausnahme, sondern ereigneten sich mit schöner Regelmäßigkeit. Und die Bahn finde immer wieder Ausflüchte, auch was die Dauer von Störungen betreffe. Eine mehrstündige Unterbrechung wie zuletzt auf der S 7 tauche in der Statistik überhaupt nicht auf - "wenn ein Zug gar nicht mehr fährt, dann gilt er als pünktlich".

"Erst mal den Tieftunnel für die zweite Stammstrecke stoppen, dann die Außenäste ausbauen." Das ist das Credo der Bürgerinitiative S 7 Ost, gegründet 2013 von dem Ottobrunner Jürgen Stanke. Warum die geplante Tunnel-Stammstrecke Auswirkungen auf die S 7 hat? "Weil aufgrund der Kosten von vier Milliarden Euro kein Geld mehr da ist für den Ausbau der Außenäste der S-Bahn", sagen Stanke und sein Mitstreiter Thomas Kantke. Zwar sei ein solcher Ausbau geplant, aber erst für das Jahr 2035.

Besonders die S 7 leide unter der Eingleisigkeit, die südlich von Giesing beginnt. Immer wieder hält die Bahn an und eine Durchsage des Fahrers ertönt: "Unsere Weiterfahrt verzögert sich wegen Verspätung des entgegenkommenden Zuges." All das liegt daran, dass die Züge nur an den Bahnhöfen Perlach, Neubiberg, Hohenbrunn, Höhenkirchen-Siegertsbrunn und Aying aneinander vorbeifahren können, Verspätungen pflanzen sich auf diese Weise immer weiter fort, "ein Synchronisationsproblem", sagt Stanke. "Ist die Verspätung zu groß, wird der Zug einfach rausgenommen, das sind dann die Zugausfälle."

Ein zweigleisiger Ausbau ab Giesing und auf der anderen Seite der S 7 ab Höllriegelskreuth würde diese Probleme lösen, so die Bürgerinitiative. Der ließe sich ihrer Meinung nach auch sofort realisieren, denn "die Bahn besitzt schon die notwendigen Flächen", so Stanke. Er ist auf jeden fall überzeugt, dass die S 7 ganz oben auf der Prioritätenlisten stehen sollte. "Es ist die Strecke mit dem längsten eingleisigen Betrieb", so Stanke.

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