S-Bahn München:Hintertürchen zur Stammstrecke

Kämmerer Ernst Wolowicz hat beim Streit um die Finanzierung des zweiten S-Bahn-Tunnels ein Hintertürchen aufgezeigt. Ein Darlehen der Stadt München an den Freistaat Bayern wäre juristisch möglich. Es gibt jedoch noch ein paar Schwierigkeiten.

Dominik Hutter

Im Streit um die Finanzierung des zweiten S-Bahn-Tunnels hat Kämmerer Ernst Wolowicz erstmals ein Hintertürchen aufgezeigt. Zwar dürfe die Stadt München aus juristischen Gründen kein Geld für ein Projekt des Freistaats vorschießen. Als reine Geldanlage aber sei ein Darlehen theoretisch möglich - vergleichbar dem Kauf von Staatsanleihen.

Der Nachteil: Für einen solchen Kredit müssten hohe Zinsen verlangt werden, was Freistaat und Bund insgesamt teurer käme als der Gang zur Bank. Bayerns Verkehrsminister Martin Zeil (FDP) begrüßte es dennoch, "wenn nun endlich Bewegung in die Gespräche kommt". Noch sei es zu früh, "bestimmte Modelle und Varianten zu bewerten".

Einen ganz anderen Schluss aus der Wolowicz-Expertise zieht Alexander Reissl, der Chef der SPD-Rathausfraktion: "Dieses Hintertürchen ist keins", zeigt sich der Politiker überzeugt. Reissl schlägt Zeil stattdessen ein anderes Modell vor: PPP, Public Private Partnership. Wie bei dem inzwischen abgeschlossenen Ausbau der Autobahn zwischen München und Augsburg solle der Freistaat einen privaten Investor mit ins Boot holen. Den entsprechenden Antrag will die SPD an diesem Mittwoch im Plenum einreichen.

Der Planungsausschuss des Stadtrats hatte bereits am 1. Dezember eine Vorfinanzierung abgelehnt. Allerdings hat sich Oberbürgermeister Christian Ude damals ein kleines Hintertürchen offengelassen - indem er weitere Gesprächsbereitschaft signalisierte. Der erklärte Stammstrecken-Befürworter Ude könnte in den kommenden Monaten in eine Zwickmühle geraten: Schließlich strebt er vom Münchner Rathaus in die bayerische Staatskanzlei. Und wäre dann als Ministerpräsident plötzlich selbst für den S-Bahn-Ausbau zuständig.

Die Rathaus-CSU appellierte am Dienstag an die "Zusammenarbeit aller Beteiligten" und warnte vor einer Überbewertung des Wolowicz-Papiers. Gut möglich, dass der Freistaat zu einer ganz anderen rechtlichen Einschätzung gelangt, sagte Fraktionschef Josef Schmid. "Wenn der politische Wille vorhanden ist, wird man auch eine rechtlich zulässige Lösung finden können."

Wolowicz hat seine Geldanlage-Theorie an zwei Voraussetzungen geknüpft: Dass die Stadt überhaupt flüssig genug ist, um die Millionen zu überweisen - denn zusätzliche Schulden seien absolut tabu. Und eben, dass die Rendite stimmt. Beides hält der Kämmerer derzeit für "höchst unwahrscheinlich". Um einen angemessenen Gewinn zu erzielen, müsse die Stadt sich an den Zinssätzen vergleichbarer Finanzangebote orientieren. Und die lägen beispielsweise bei Pfandbriefen zwischen 2,72 und 2,96 Prozent. Auf dem Kapitalmarkt hingegen seien entsprechende Darlehen schon für 2 bis 2,5 Prozent Zinsen zu haben.

Wolowicz warnt zudem vor der Illusion, die Stadt könne mal eben 350 Millionen Euro aus ihrer Kasse entnehmen. Zum Jahresende verfüge die Stadt voraussichtlich über eine flüssige Reserve von etwa 420 Millionen Euro, dazu komme noch eine Tilgungs- und Investitionsreserve von etwa 270 Millionen. Das klingt zwar nicht schlecht, ist aber nach Angaben des stets vorsichtigen Kämmerers angesichts der Finanzrisiken nicht genug, um auch noch ein millionenschweres Darlehen abzuzweigen. München würde sich, so Wolowicz, "erheblicher Spielräume für die Zukunft berauben".

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