Ruhestand:Münchens Nahverkehrsminister

MVG-Chef Herbert König fährt zum Abschied Tram

Von Marco Völklein

Natürlich lässt sich Herbert König diese Fahrt nicht nehmen. Der scheidende MVG-Chef besitzt seit Jahren einen Trambahn-Führerschein. Und so kutschiert er an diesem Freitag selbst eine Straßenbahn voll mit Ehrengästen einmal quer durch die Innenstadt, vom Platz vor dem Hauptbahnhof zum firmeneigenen Museum an der Ständlerstraße. Dort wird Königs Abschied gefeiert. Nach 24 Jahren an der Spitze der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) wechselt der 64-Jährige Ende des Monats in den Ruhestand.

Von der "Ära König", die zu Ende geht, spricht denn auch kurz darauf Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) im MVG-Museum. Als "Münchens Nahverkehrsminister" bezeichnet Reiters Amtsvorgänger Christian Ude (ebenfalls SPD) den zu Ehrenden. Und Jürgen Fenske, der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), sagt, König habe an der Isar einen "ÖPNV-Leuchtturm in Europa" aufgestellt. Nahezu jeder, den man fragt, lobt König - selbst diejenigen, die, aus welchen Gründen auch immer, zur Feier gar nicht eingeladen sind. So fehlt Alexander Freitag, der Chef des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV), im Museum. Aber wer ihn fragt, der bekommt dennoch die Auskunft: Keine Frage, König habe ein Unternehmen hinterlassen, das "mehr als sehr gut aufgestellt" sei.

Ruhestand: Steht im Ruhestand bereit, sollte mal Fahrermangel herrschen bei der Münchner Verkehrsgesellschaft: Herbert König.

Steht im Ruhestand bereit, sollte mal Fahrermangel herrschen bei der Münchner Verkehrsgesellschaft: Herbert König.

(Foto: Stephan Rumpf)

König attestiert sich selbst ein "Nahverkehrsgen". Seine Eltern hätten den Kinderwagen mit dem schreienden Bub gerne in der Nähe von Bahngleisen abgestellt, erzählt König am Freitag. Dann war Ruhe.

Reiter sagt, der Noch-MVG-Chef könne wohl mit verbundenen Augen nur durch Tasten "jede Trambahnschwelle erkennen, zuordnen und deren Restlaufzeit bestimmen". Tatsächlich ließ die Leidenschaft für Busse und Bahnen König nie los. Nach dem Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften in Augsburg hatte er sich zunächst politisch engagiert. Von 1978 bis 1982 saß er für die SPD im Augsburger Stadtrat, als Assistent arbeitete er für einen Bundestagsabgeordneten. Mitte der Achtzigerjahre tritt er den Posten des Gründungsgeschäftsführers beim Augsburger Verkehrsverbund (AVV) an. Und wechselt von dort 1992 zur MVG nach München. Sein SPD-Parteibuch dürfte ihm dabei nicht geschadet haben.

Denn natürlich agiert ein MVG-Chef nicht einfach nur an der Spitze eines Unternehmens; der Posten ist durch und durch politisch. Zwar stellt der Stadtrat die grundsätzlichen Weichen in der Verkehrspolitik. Die MVG und vor allem deren Chef sind als Berater vor Entscheidungen sowie als Umsetzer der irgendwann gefassten Pläne eng eingebunden. Einigen im Stadtrat ging und geht sein Einfluss sogar deutlich zu weit: Vor allem in der CSU, aber auch bei vielen Grünen, gab es über die Jahre immer wieder Kritik, die MVG (und damit eben König) dominiere zu sehr die Verkehrsplanung. Die Fachleute im städtischen Planungsreferat hätten kaum noch etwas zu melden.

566 Millionen

Fahrgäste transportierte die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) im vergangenen Jahr. Als Herbert König 1992 an der Spitze des städtischen Verkehrsbetriebs begann, waren es 420 Millionen. Laut MVG lag der Zuwachs prozentual mehr als doppelt so hoch wie der Bevölkerungsanstieg. Das Netz umfasst heute unter anderem 95 Kilometer U-Bahn-Gleise, 100 U-Bahnhöfe sowie fast 80 Kilometer Trambahnschienen.

Und auch Reiter spricht von Königs "Beharrlichkeit", wenn es darum geht, den langjährigen MVG-Chef zu charakterisieren. "Andere mögen es Sturheit nennen", schiebt Reiter noch nach. Und auch Fenske sagt, König könne hartnäckig seinen Standpunkt vertreten, er sei "durchaus streitbar, aber nicht streitsüchtig".

Königs Credo war es von Anfang an, den Münchner Nahverkehr weiterzuentwickeln, zugleich aber auch auf dessen Wirtschaftlichkeit zu achten. Seither läuft es so: Den Betrieb muss die MVG allein und fast ausschließlich aus den Fahrgeldeinnahmen finanzieren. Für den Unterhalt des Netzes schiebt der MVG-Mutterkonzern, die Stadtwerke, aus seinen Erträgen aus dem Stromgeschäft regelmäßig Geld herüber. Für die Rathaus-Politiker ist das ein gutes Geschäft - in ihrem Haushalt müssen nur wenige Millionen, etwa für das Nachtnetz, bereitgestellt werden.

Branchenkenner zollen König dafür Respekt, auch wenn es über die Jahre so manchen Disput gab mit Gewerkschaften und Betriebsräten. Auch von Fahrgastvertretern kommt Kritik: Wegen des Sparzwangs, etwa bei der Instandhaltung, gerate die U-Bahn mehr und mehr aus dem Tritt, findet Berthold Maier vom "Arbeitskreis Attraktiver Nahverkehr" (AAN). Und alle aus der Nahverkehrsszene wurmt es, auch König selbst, dass noch immer nicht der Zulassungsprozess für die modernen U-Bahnen vom Typ C2 abgeschlossen ist. Sein Nachfolger Ingo Wortmann, 46, will dieses Thema als erstes angehen.

Und nun? Wie verbringt so ein Rastloser den Ruhestand? Sein Nahverkehrsgen will er auch weiterhin ausleben, sagt König. Mit seiner Frau wohnt er in einem ehemaligen Bahnhofsgebäude bei Augsburg; quasi vor dem Küchenfenster halten halbstündlich die Nahverkehrszüge. In die einstige Güterhalle hat sich König eine Modelleisenbahnanlage gebaut. Zudem hat er sich vorgenommen, seine Tram-Fahrerlaubnis so lange es geht immer wieder zu erneuern. Sollte mal Fahrermangel herrschen bei der MVG, sagt König am Freitag und wendet sich an seinen Nachfolger, "dann, lieber Ingo, darfst du gerne anrufen".

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