Ruhestand:Kalbsfüße und Stierbeutel

Ruhestand: "Wir wollen einfach nicht mehr", sagen Rudi und Burgi Plabst.

"Wir wollen einfach nicht mehr", sagen Rudi und Burgi Plabst.

(Foto: Robert Haas)

Johnny Cash, Franz Beckenbauer, Gustl Bayrhammer und Udo Jürgens waren im Braunauer Hof zu Gast - aber jetzt ist für die Wirte Schluss

Von Andreas Schubert

Ob sich Johnny Cash hier ein saures Lüngerl hat schmecken lassen oder gebackene Briesmilzwurst mit Kartoffel-Gurkensalat, ist nicht überliefert. Fest steht: Er war einer von vielen prominenten Gästen, die im Laufe der Jahrzehnte im Braunauer Hof zu Gast waren, ob nun Franz Beckenbauer, Gustl Bayrhammer, Helmut Zacharias, Udo Jürgens oder Karel Gott. Und die Fotowand in einer Ecke des Braunauer Hofs ist eine kleine, aber feine Autogrammsammlung direkt neben Familienfotos, auf die Rudi Plabst mit ein wenig Wehmut schaut, während er von seiner Zeit als Wirt erzählt.

Zum Ende des Jahres schließt der Braunauer Hof, den er seit 1975 mit seiner Frau Burgi betrieben hat. An seine Stelle wird ein neues Wirtshaus einziehen, das sich deutlich vom bisherigen Lokal unterscheiden wird. Die neuen Wirte stehen schon fest: Es sind Mario und Kristina Klaric, die bisher das Franz Josef in der alten CSU-Parteizentrale an der Nymphenburger Straße leiteten. Ende Dezember ist auch dort Schluss, weil das Haus abgerissen wird und die CSU Anfang 2016 dann in die Parkstadt Schwabing zieht.

Wie jede andere Großstadt ist München im Wandel. Das trifft besonders für die Gastronomie zu. Pächter sowie Trends kommen und gehen. Und nach 40 Jahren als Wirt weiß das natürlich auch Rudi Plabst sehr gut. Wurde früher in den Wirtshäusern noch viel gekartelt, fühlten sich irgendwann Gäste davon abgeschreckt und blieben weg. Außerdem besetzten die Kartenspieler die Tische, ohne einen nennenswerten Umsatz zu machen. Also musste Rudi Plabst sie irgendwann bitten, woanders zu schafkopfen oder zu watten. Wieder ein Wirtshaus mit einer Wirtshaustradition weniger!

Was blieb, war die traditionelle bayerisch-gutbürgerliche Speisekarte, auf der auch viel Innereien standen sowie Speisen, die dem Massengeschmack irgendwann nicht mehr entsprachen und trotzdem von einer schrumpfenden Zahl an Genießern geschätzt werden. Dazu gehören etwa Kalbskopf oder Kalbsfüße - Spezialitäten, die erst in jüngster Zeit wieder von mehreren Lokalen entdeckt wurden. Auf der Karte im Braunauer Hof stehen aber auch Stierbeutel, also Hoden, die jahrzehntelang in Deutschland verboten waren, aber im Zuge der Gleichberechtigung in der EU nun wieder zugelassen sind.

Noch während Rudi Plabst von seiner Küche spricht, kommt ein Team des Bayerischen Rundfunks vorbei, das sich zu Dreharbeiten angesagt hat und fragt nach den - na was wohl? - Stierbeuteln. "Beim letzten Mal hatten wir keine da", sagt Plabst. Jetzt schon - die aufmerksamkeitsträchtigen Fernsehaufnahmen sind gesichert.

Rudi Plabst ist in die Gastronomie hineingeboren. Seine Mutter Antonia hatte schon früh als Biermädel im Augustiner in der Neuhauser Straße angefangen und mit nur 21 Jahren zusammen mit ihrem Mann den Franziskaner Hof in der Hochstraße übernommen. "Sie war Münchens jüngste Wirtin", sagt Plabst. 1949 dann übernahm sie den Braunauer Hof, in dem sie dann auch nach der Übernahme durch Sohn Rudi noch lange als Seniorchefin präsent war.

Bis zu ihrem Tod 2010 im Alter von 93 Jahren ging sie mit ihrem Gehwagerl von Tisch zu Tisch und ratschte mit den Stammgästen.

Von Anfang an sei das Lokal gut gegangen, erzählt Rudi Plabst. "Meine Mutter war eine sehr gute Köchin." Und auch Sohn Rudi erlernte zunächst das Konditor- und später das Kochhandwerk. Bis zum letzten Tag wird er noch selbst in der Küche stehen. Dass sie aufhören, liegt nicht daran, dass die Stammgäste mit den Wirtsleuten gealtert sind und das junge Publikum lieber zu Italiener gehe als ins altbayerische Wirtshaus. Auch nicht daran, dass die Paulaner-Brauerei das Haus schon vor ein paar Jahren verkauft hat und er sich die Pacht nicht mehr leisten könnte. "Wir wollen einfach nicht mehr", sagt Rudi Plabst. Dann ergänzt er aber noch, dass es vor allem der Wunsch seiner Frau Burgi gewesen sei, das Wirte-Dasein an den Nagel zu hängen. Voraussichtlich am 6. Januar wird er im dann schon geschlossenen Wirtshaus einen kleinen Flohmarkt aufbauen und die Dekoration verkaufen.

Das Mobiliar werden die neuen Wirte zum Teil übernehmen, ebenso den Namen des Gasthauses, der von den Fuhrleuten stammt, die früher über Braunau am Inn nach München kamen. Voraussichtlich wird es Wirtshaus im Braunauer Hof heißen, erklärt die neue Pächterin Kristina Klaric, aber das sei noch nicht fix. Auf jeden Fall aber werde der Braunauer Hof ein bayerisches Wirtshaus mit bayerischer Küche bleiben. Nur eben runderneuert, unter anderem mit neuen Toiletten und neuen Böden. Im März wird das Wirtshaus, das es mindestens schon seit Ende des 19. Jahrhunderts unter dem Namen gibt, dann neu eröffnen. Und was macht alte Wirt in Zukunft? Rudi Plabst streut sich eine Prise Schnupftabak auf die Faust und sagt: "Keine Weltreise, ich war nie der große Reiser." Tennis spiele er auch nicht mehr, zum Skifahren gehe er auch nicht mehr. "Vielleicht wird's am Anfang ein bisserl langweilig."

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