Rugby-Turnier:Der Kampf ums Ei

Die großen Zeiten von Rugby in München sind lange vorbei. Dank der Förderprogramme an den Schulen erlebt der Sport derzeit aber wieder einen Aufschwung

Von FLORIAN BINDL

Dass der FC Bayern München ein erfolgreicher Verein ist, weiß jedes Kind. Was aber kaum einer weiß: dass eine Abteilung des Vereins, die einst zu den erfolgreichsten Deutschlands gehörte, heute gar nicht mehr existiert: die Rugby-Abteilung. Anfang des 20. Jahrhunderts zählte Bayern München zu den Granden dieses Sports. 1928 schlugen sie die (auch heute noch) dominierenden Heidelberger mit 3:0. Die Wurzeln des Rugby in München liegen sogar noch weiter zurück. Gründungsväter sind die Spieler des MTV München, die bereits vor 1900 dem eiförmigen Ball hinterherjagten. Damals strömten tausende Zuschauer zu den Spielen.

Davon können die heutigen Spieler nur träumen. Spätestens seit dem Wunder von Bern 1954 hat Fußball hierzulande Rugby endgültig abgehängt. Entsprechend überschaubar ist die aktuelle Rugby-Landschaft in der Region. Drei Vereine spielen in der Zweiten Bundesliga. Der älteste davon ist der RFC München, der in Großhadern zu Hause ist. Der große Konkurrent kommt aus dem Norden, aus der Studentenstadt. StuSta, wie die Spieler den Klub nennen, wurde 1999 von Studenten gegründet. Der dritte im Bunde ist der RC Unterföhring, der seit diesem Sommer zweitklassig ist. Trotz dreier etablierter Mannschaften ist Rugby in München noch immer eine Randerscheinung und fristet neben Fußball, Basketball und Co. ein Schattendasein. Abseits der hochklassigen Teams gibt es im Münchner Raum kaum Möglichkeiten Rugby auf Vereinsebene zu spielen. Die Klubs aus Fürstenfeldbruck und Gröbenzell setzen in erster Linie auf Kinder- und Jugendrugby.

Ein Handicap vieler Vereine ist der Platz. Tiefe Furchen durchziehen das Spielfeld der Studentenstädter am Rand des Englischen Gartens. An vielen Stellen wächst kein Gras mehr, kleine Kieselsteine kommen zum Vorschein. Wenn es geregnet hat, sind im matschigen Grund die weißen Markierungen kaum noch sichtbar. Da der Platz der Stadt München gehört, dürfen die Studentenstädter keine baulichen Veränderungen vornehmen. Konkret bedeutet das: kein Flutlicht, kein Vereinsheim und schon gar kein Kunstrasen.

München: RUGBY StuSta (Studentenstadt) v RC Luxemburg

Keine Berührungsängste: Die Spieler des Studentenstadt-Teams (in schwarzen Trikots) beim Duell mit dem RC Luxemburg.

(Foto: Johannes Simon)

Den Vorteil einer künstlichen Grünfläche genießt der RFC. Von Missgunst gibt es bei den Studentenstädtern aber keine Spur. Die Rivalität zwischen den Münchner Vereinen beschränkt sich rein auf das Sportliche. Die Teams helfen sich aber gegenseitig bei der Jugendarbeit und richten gemeinsam Hochschulmeisterschaften aus. "Wenn die Zusammenarbeit stimmt, profitiert der gesamte Münchner Raum davon", unterstreicht StuSta-Nachwuchskoordinator Ian Dawson, "deshalb unterstützen wir uns, wo es geht."

Seit Jahren organisieren die Münchner Vereine Schnupperkurse an Schulen in der Region, um Kinder und Jugendliche für Rugby zu begeistern. "Wir bieten Fortbildungen für Lehrer an, damit im Sportunterricht Rugby gespielt werden kann", sagt Dawson. Diese Lehrgänge gehen vom Deutschen Rugby-Verband aus und werden auch vom Kultusministerium gefördert. Im Rahmen der Kampagne "Get Into Rugby" sollen Schüler frühzeitig an den Sport herangeführt werden. Zudem stellen die Vereine den Schulen Übungsleiter zur Verfügung.

Einer davon ist Chris Rolle vom RFC. Er betreut seit einem halben Jahr zwei Rugby-Projekte an Schulen im Westend und in Pullach. "Schulrugby kann bei Kindern einen Bewegungsdrang befriedigen und aufgestaute Aggressionen lösen", sagt er. In München nehmen aktuell zehn Schulen am Projekt teil. Der Trend zeigt steil nach oben. "Wir bekommen permanent Anfragen von neuen Schulen."

Dort wird zunächst - anders als in den Vereinen - körperlos gespielt, zumindest bis zur zehnten Jahrgangsstufe. Gedränge und Zusammenstöße sollen so verhindert werden. Das sei wichtig, "um Lehrern und Eltern die Angst zu nehmen". Die sei aber ohnehin unbegründet. Im Jugendbereich hat Chris Rolle bislang kaum gravierende Verletzungen erlebt, es bestehe keine höhere Verletzungsgefahr als in anderen Sportarten. Vielmehr könnten Kinder durch Rugby Teamwork lernen und es gehe sehr egalitär zu. "Jeder wird beim Rugby gebraucht, Erfolg kann man nur haben, wenn man zusammenarbeitet. Das sind wichtige Werte, die wir vermitteln wollen." Dass der Sport nur für grobschlächtige Kolosse geeignet ist, sei ein Irrtum. Ob groß, klein, dick oder dünn: Beim Rugby könne jeder Körpertyp Spaß haben und erfolgreich sein.

Die Besten im Olympiastadion

Was für Schauspieler der rote Teppich, das ist für die Rugby-Elite der neue Rasen, der extra im Olympiastadion für sie verlegt wurde. Dort treffen am Freitag und Samstag, 29. und 30. September, die Besten dieser Sportart aufeinander. Das Turnier nennt sich "Oktoberfest 7s", gespielt wird nämlich mit nur jeweils sieben Akteuren statt mit den traditionellen 15er- oder 13er-Teams. Mit dieser abgespeckten Variante begeisterte Rugby auch bei Olympia in Rio. Die Goldmedaille gewannen die Fidschi-Inseln vor Großbritannien und Südafrika. Sie alle sind mit dabei, wenn insgesamt zwölf Nationalteams in um den Turniersieg spielen. Das junge deutsche Team ist dabei nur Außenseiter, und trifft in der Vorrunde auf Argentinien, England und Uganda. Gespielt wird jeweils zwei mal sieben Minuten. Es gilt - ähnlich wie beim American Football, der sich aus dem Rugby entwickelt hat -, den eiförmigen Ball möglichst oft ins gegnerische Mal-Feld zu bringen. Beim Rugby darf der Ball nach vorne nur getreten oder getragen, nicht aber geworfen werden. Die Spieler treten ungeschützt an und das Spiel wird nicht, wie beim Football, jedesmal unterbrochen, wenn der balltragende Spieler zu Boden geht. Tickets für die Veranstaltung kosten ab 25 Euro pro Tag, weitere Infos gibt es im Internet unter oktoberfest7s.com. Für das größte Rugby-Ereignis in der Geschichte Deutschlands werden auch noch freiwillige Helfer gesucht (Bewerbungen unter volunteers@o7s.org). kg

In seinen Schulkursen lässt Rolle deshalb auch in geschlechterübergreifenden Gruppen spielen. Sein Fazit ist positiv: "Die Mädchen brauchen zwar gegen die Jungs eine kurze Eingewöhnungsphase, aber dann gehen sie umso mehr aus sich heraus." Derzeit werden von der Altersklasse U 8 an Kurse angeboten, geplant ist eine U 6-Gruppe. Als Vorbild dient Österreich. "Dort gibt es schon Kurse im Vorschulalter. Das funktioniert sehr gut", so Rolle. In absehbarer Zeit hofft er, das auch in München umsetzen zu können. Noch fehlen dafür aber die Übungsleiter.

Die Früchte der konsequenten Nachwuchsarbeit reifen bei den Münchner Klubs. Im Jugendbereich gibt es einen rasanten Anstieg, der Zulauf stimmt. "Vor ein paar Jahren musste ein 16-Jähriger noch in unserer 1. Mannschaft mitspielen, weil keine Jugendmannschaft zustande kam", erzählt Dawson. Mittlerweile kann bei StuSta in jeder Altersstufe ein Team aus 15 Spielern gebildet werden. "Daran sieht man, dass sich der Sport in München sehr gut entwickelt." 72 Spieler zählt die Herrenmannschaft bei StuSta, etwa die Hälfte ist aber nicht bei Ligaspielen dabei, sondern sieht Rugby als Freizeitspaß ganz ohne Erfolgsdruck.

Wenn das Turnier "Oktoberfest 7s" am 29. September im Olympiastadion startet, ist auch die Kampagne "Get Into Rugby" mit einem Stand präsent. Chris Rolle will die Bekanntheit des Sports in München weiter steigern, noch mehr, er will "die Dominanz des Fußballs ein bisschen zurückdrängen". Ein großes Ziel. Zumindest an diesem letzten Wiesn-Wochenende gehört seinem Sport, dem Rugby, die große Bühne. Und vielleicht denkt der FC Bayern München ja bald über die Neugründung seiner ehedem so erfolgreichen Rugby-Abteilung nach.

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