Rückblick 2014:Sturz der Titanen

Vierter Verhandlungstag gegen Uli Hoeneß

Wegen Steuerhinterziehung wird Uli Hoeneß zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

(Foto: Michael Dalder/dpa)

Uli Hoeneß und Sepp Krätz sind unverzichtbare Größen in der Gesellschaft dieser Stadt gewesen - doch ein Tag im März änderte alles.

Von Christian Rost

Der 13. März fiel in diesem Jahr nicht auf einen Freitag, sondern auf einen Donnerstag. Es war trotzdem ein schwarzer Tag für zwei Männer, die einst in der ersten Liga spielten. Im Wortsinn galt das für Uli Hoeneß, den Erfinder des modernen FC Bayern; im übertragenen Sinn für den umtriebigen Wiesnwirt Sepp Krätz. Die beiden einstigen Größen in Sport, Gastronomie und Münchens Gesellschaft werden den Tag nie vergessen, an dem sie die bayerische Justiz kennen lernten.

Krätz fällt das Geständnis nicht leicht

Sepp Krätz muss an diesen Tag am Münchner Landgericht I reinen Tisch machen, um einer drohenden Haftstrafe zu entgegen. In seinem Lokal Andechser am Dom und in seinem Festzelt hatte er an der Steuer vorbei Champagner und Bier verkauft. Das Geständnis fällt ihm nicht leicht. Er wirkt ein bisschen entrückt, als er von der Vorsitzenden Richterin Jutta Zeilinger nach seinen Personalien gefragt wird: Auf seine Staatsangehörigkeit angesprochen, sagt er "römisch-katholisch". Und als es um die Einkünfte des gelernten Metzgers geht, muss er mit seinen Anwälten und seinem Steuerberater lange herumrechnen - die Frage ist ihm unangenehm.

Schließlich löchern ihn in der Pause die Journalisten mit Fragen zu seiner Zukunft. Wagyu-Rinder werde er auf seinem Hof bei Augsburg züchten, antwortet der Gastronom knapp und ringt sich sogar durch, den Medienleuten trotz wenig freundlicher Schlagzeilen die Hand zum Gruß zu reichen. Einige kennt er ja noch als Gäste in seinem Hippodrom, mit offenen Armen hatte er sie empfangen.

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Uli Hoeneß wird natürlich abgeschirmt von der Journalisten-Meute. Er bekommt am selben Tag am Landgericht München II die Quittung für jahrelanges Jonglieren an der Börse ohne die Gewinne beim Finanzamt gemeldet zu haben. Dreieinhalb Jahre Gefängnis lautet das Urteil. Als Richter Rupert Heindl das Strafmaß verkündet, verharrt Hoeneß regungslos auf seinem Platz. Noch einmal gibt er sich nicht die Blöße wie bei seinem tränenreichen Auftritt während der FCB-Mitgliederversammlung im Herbst 2013.

Hoeneß kommt nicht so glimpflich davon wie manch anderer Prominenter vor ihm. Zum Beispiel das einstige Tennis-Idol Boris Becker, der in D-Mark-Zeiten Millionen an Steuern hinterzogen hatte und trotzdem mit einer Bewährungsstrafe aus einem Münchner Gerichtssaal spazierte. Oder eben auch Sepp Krätz, der mit einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung und 570 000 Euro Geldstrafe vergleichsweise günstig fährt. Natürlich hatte der 60-jährige Wirt nur rund 1,1 Millionen Euro dem Finanzamt vorenthalten und nicht 28,5 Millionen, wie es bei Hoeneß der Fall war. Der dicke Brocken kommt für Krätz aber auch erst nach dem Urteil, als ihn die Stadt nicht mehr auf dem Oktoberfest haben will und ihm auch noch die Zuverlässigkeit als Wirt aberkennt. Seine Lokale bleiben in der Familie.

Für Hoeneß muss das Gericht umziehen

Beide Prozesse waren Medienspektakel, für den 62-jährigen Hoeneß musste das Gericht in den Justizpalast ausweichen, so groß war der Andrang. Solche öffentlichen Auftritte kommen einer Art Vorstrafe für den Angeklagten gleich: Dass er wie wild mit seinen in der Schweiz gebunkerten Millionen gezockt hatte und dabei unterm Strich nicht besonders erfolgreich war, hätte Hoeneß bestimmt lieber für sich behalten. Für Krätz reichte ein normaler Saal im Strafjustizzentrum aus. Dort erfuhr die Öffentlichkeit, was ein Oktoberfestwirt verdient: jährlich zwei Millionen Euro vor Steuern. Auch das sollte eigentlich ein Geheimnis bleiben.

Krätz und Hoeneß haben niemanden umgebracht. Sie haben das getan, was Tausende im Land für eine Art Spiel halten. Das ist eine Straftat, aber kein Kapitalverbrechen. Dass ein Steuerhinterzieher ins Gefängnis muss, ist noch immer die Ausnahme. Prominente müssen schon deutlich mehr aushalten: Beißenden Spott hagelt es von allen Seiten, besonders Hoeneß musste viel einstecken, weil er als Bayern-Präsident bisweilen selbst gern ausgeteilt hatte. Ein sehr tiefer Fall war das für ihn: von der Villa am Tegernsee in die Zelle nach Landsberg. Auch Krätz ist hart gelandet, der nun allein mit seinen Rindern ist, ausgerechnet er, der Wirt der Bussi-Gesellschaft.

Aufs Oktoberfest zog ein anderer: Siegfried Able, der mit dem Marstall ein komplett neues Zelt kreierte. Beliebt ist er bei seinen Wirtskollegen nicht, um seine Berufung rankten sich schnell Gerüchte und Legenden - Krätz war dann doch schneller vergessen, als man glaubte. Hoeneß war in dieser Bussi-Gesellschaft nie zu Hause und doch unverzichtbar - als Großspender für viele soziale Einrichtungen, als Mahner zu mehr Zivilcourage, auch als scharfer Kritiker der Stadtpolitik. Nachfolgen konnte ihm in dieser Rolle bislang niemand. Der 13. März war ein schwarzer Tag für ihn und Krätz - und ein Wendepunkt für München.

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