Rote Sonne:Wenn ich nicht hier bin ...

... bin ich auf dem Sonnendeck: Für Fans elektronischer Musik bleibt in München fast nur noch die "Rote Sonne".

Beate Wild und Ruth Schneeberger

Für Fans elektronischer Musik sieht es in München nicht so rosig aus. Wer einen Musikgeschmack abseits des Mainstream pflegt, tut sich schwer, einen Club zu finden, der ihm gefällt. Lichtblick: die "Rote Sonne".

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(Foto: Foto: Carolin Gasteiger)

Sie strahlt mitten auf dem Maximiliansplatz. Der Platz gilt zurzeit als besonders angesagt: Über der "Sonne" feiern Dancefloor-Nachtschwärmer im "089" und im "Pacha", gleich um's Eck ist die Schicki-Micki-Disko "Baby", das "Lenbach" lebt, wie man hört, auch noch - und die "Max Suite" liegt für Freunde blutjunger Schwerreicher gleich gegenüber.

Doch unterschiedlicher könnte das Publikum im Vergleich zu diesen Läden kaum sein: Die Sonnen-Gäste sind individuell gestylt. Auf der Damentoilette steht kein Haarspray. Man ist lässig gekleidet und aus einem einzigen Grund hier: Um sich zu Elektro-Musik zu amüsieren. Wer gesehen werden will, geht woanders hin. Das führt so weit, dass die Türsteher am Eingang fragen: "Seit ihr sicher, dass ihr in die Rote Sonne wollt?"

Sind wir - und finden heraus: Die "Sonne" geht nunmehr seit über drei Jahren an jedem Wochenende neu auf - und sie hat es geschafft, im Münchner Nachtleben zu einer festen Größe zu werden. Neben dem "Harry Klein" in der Kulturfabrik, dem "Prinzip" in der Maximilianstraße und der "Registratur" gibt es in dieser Stadt keinen Club mit einem vergleichbaren Line-up.

"Wir wollen der Musik ein Forum bieten, die wir schon seit Jahren begleiten", erzählt Mitinhaberin Dorothea Zenker. Weshalb hier stadtbekannte DJs wie Jäger 90 Seite an Seite mit Plattenkünstlern aus ganz Deutschland auflegen. Und an diesem unseren Probe-Abend sorgt das Duo "Artist Unknown" für Verwirrung der angenehmen Art, denn es hält sich mit seinen Sadomaso-Masken strikt an das Vermummungsgebot.

Mit offenen Armen

Die "Rote Sonne"-Crew, die sich in München bereits mit den Partynächten Disko B, Gomma und Pastamusik einen Namen gemacht hat, und früher das "Ultraschall" bediente, hat es geschafft, dem ehemaligen "Fortuna", das hier zuvor im Keller residierte, mit einer veränderten Raumaufteilung und echtem Eichenholzparkett ein schönes, neues, buntes Gesicht zu geben.

Zur Freude aller Elektro-Begeisterten - und zur Unbill der Anwohner: "Wir haben zurzeit großen Ärger mit der Nachbarschaft, die aus sehr vielen Leuten besteht, die sich Rechtsanwälte leisten können", erzählt Dorothea Zenker. "Wir verstehen ja, dass es blöd ist, wenn man nicht schlafen kann - aber wir werden mit den anderen Clubs am Platz in einen Topf geworfen, dabei haben wir schon alles gemacht, um jegliche Lärmbelästigungen zu verhindern: Wir haben die Außenbar geschlossen und die Außen-Lautsprecher abmoniert. Außerdem sind wir im Keller. Wir kommen den Leuten wirklich entgegen."

Die Abgrenzung gegenüber der neuen Partymeile setzt sich im Kleinen fort: Hier gibt es kein Becks (außer dem güldenen) und kein Augustiner. Mit kleinen Landbrauereien will man sich schon bei der Getränkeauswahl von der Konkurrenz abheben. Hier trinkt man "Tegernseer Hell" aus der kleinen 0,33-Flasche - und einen Hausdrink namens "Mizners", dessen Mischung nicht verraten werden soll, weil sie süchtig macht, aber nur 2,50 Euro kostet - genau wie die Cola, das soll erst mal ein vergleichbarer Club in München nachmachen.

Dementsprechend lässig ist die Stimmung in der "Sonne". Ausgelassen wird es aber eher selten. Das Publikum trinkt an der Bar, unterhält sich im Einvernehmen und schaukelt im Takt. Richtig gerockt wird höchstens, wenn der jeweilige Live-Act es schafft, die Gäste aus der Reserve zu locken. Trotzdem lohnt sich ein Besuch in der "Roten Sonne" immer dann, wenn man Lust auf Konzerte oder exquisiten Electro hat und eine Auszeit vom typischen Münchner Partyvolk braucht. Letzterem läuft man sowieso spätestens auf dem Nachhauseweg in die offenen Arme.

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