Roecklplatz:Man kennt sich

Der Roecklplatz mischt Nachtschwärmer, Eis löffelnde Familien sowie Aperol trinkende Studenten.

Sabrina Ebitsch

Kerzen, Aperol, Sonnenuntergang, Zigaretten. Orange ist das farbliche Leitmotiv. Die ausbleichende Sonne wirft von Westen her ein warmes Schlaglicht entlang der Ehrengutstraße. Man sitzt in drei Reihen auf dem breiten Gehweg und löffelt Eis, der Wirt begrüßt jeden zweiten Gast und Passanten mit Küsschen, sein Café heißt Italia und drinnen singt jemand in der Landessprache. Der Roecklplatz gibt sich mediterran, mit Blick auf Kastanien und Ahorne.

Roecklplatz

Der Roecklplatz ist das Zentrum des Dreimühlenviertels in der Isarvorstadt.

(Foto: Foto: Haas)

Der Roecklplatz ist das Zentrum des Dreimühlenviertels in der Isarvorstadt. Hier treffen sich Auswärtige und Nachbarschaft, die aus ihrem urbanen Mikrokosmos nicht wegziehen möchte. Man kennt sich. Man kämpft gemeinsam gegen Luxussanierungen, für das Kopfsteinpflaster in der Ehrengutstraße und eine verkehrsberuhigte Zone, damit die Kinder sicher zwischen Spielplatz und Eisdiele über die Straße laufen können.

Denn der Nukleus auf dem Roecklplatz ist ein eingezäunter Spielplatz mit Schaukeln und Kletterhäuschen, den Erwachsene nur in Begleitung von Kindern betreten dürfen. Die schaukeln bis sie waagrecht in der Luft stehen, während Mütter im Eiscafé gegenüber Saftschorlen trinken und rauchen. Nachher laufen die Kinder barfuß über die Straße, essen Eis und bis sie fertig sind, schwingen die Schaukeln noch nach.

Wer am Roecklplatz nicht minderjährig ist, für den besteht die Platznutzung im An- und Zuschauen. Bänke gibt es nur für die Eltern innerhalb des Zauns, ansonsten verpflichtet Sitzen zum Konsum. Aber Eisdiele und Taverna sind einladend und haben Aussicht auf die Gründerzeithäuser rund um den Platz, auf jahrzehntealte Bäume und auf den Roecklbrunnen, dessen schmiedeeiserne, jugendstilartige Verzierungen in Gold und Grün einer steinernen Brunnenschüssel aufgesetzt sind.

Gestaltet wurde der Brunnen 1908 von Friedrich Deleroix, gestiftet vom Kommerzienrat Roeckl. Nach dem gleichnamigen Familienunternehmen, das seit 1870 und bis heute seinen Firmenzentrale hier hat, ist der Platz benannt. Das Hochhaus mit dem entsprechenden Schriftzug wacht über den Platz, wenn auch die Produktion der Handschuhmanufaktur, die einst Kaiserin Sissi und Ludwig II. belieferte, längst nach Rumänien verlagert wurde.

Hinter dem Hochhaus führt die Bahnlinie vorbei. In regelmäßigen Abständen ist am Roecklplatz ein ratternder Regionalzug zu hören, laut genug, um dem urbanen Lebensgefühl zu schmeicheln und das Dreihmühlenviertel nicht zu beschaulich werden zu lassen; leise genug, um das Stimmengewirr vor den Kneipen nicht zu stören.

Auf dem Spielplatz schaukeln die Kinder im Dunkeln weiter und die Mütter rauchen weiter, ein Sinnbild für die symbiotische Wirkung des Platzes, wo sich Nachtschwärmer mit Nachbarn und Eis löffelnde Familien mit Aperol trinkenden Studenten mischen.

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