Rockavaria:Iggy Pop bricht ein letztes Mal die Regeln

Rockavaria, Festival Olympiapark

Optisch alternd, vom Auftreten her jugendlich rebellisch: Iggy Pop bei seinem Auftritt beim Rockavaria-Festival.

(Foto: Florian Peljak)

Der alternde Rockstar humpelt beim Rockavaria-Festival mehr, als er hüpft. Schließlich wird ihm der Ton abgedreht.

Von Dirk Wagner

Gerade hatte sich die im Olympiapark versammelte Rockgemeinde noch einmal von Lemmy Kilmister verabschiedet, der als Panzergeneral in dem Film "Gutterdämmerung" zu sehen war, der auf der Rockavaria gezeigt und dabei zum Teil live vertont wurde. Da hüpfte Iggy Pop wie ein Springteufel aus der Kiste direkt auf die zweite Bühne im Stadion, die abwechselnd mit der anderen bespielt wird.

Wobei Iggy nicht wirklich hüpft. Er humpelt vielmehr. Aber er humpelt so tänzerisch, dass er auch optisch gleichzeitig der alternde, sich vom Rockgeschäft verabschiedende Sänger ist und die jugendliche rebellische Rockikone, die Ende der Sechziger mit den Stooges den Punk eingeleitet hatte.

Mit Stooges-Klassikern steigt Iggy dann auch ein: "No Fun" und "I Wanna Be Your Dog". Gleich folgen Solo-Hits wie "Passenger" oder "Lust For Life" aus seinen gemeinsamen Produktionen mit David Bowie. Gemessen am gewöhnlichen Aufbau eines Konzertes ist das so, als hätte Iggy Pop sein Set mit der Zugabe begonnen.

In die steckt er dann allerdings die Songs von seinem neuen, gemeinsam mit Josh Homme aufgenommenen Album "Post Pop Depression". Ein würdiger Schwanengesang und eine großartige Vorlage für ein beeindruckendes Abschiedskonzert. Der mittlerweile 69-jährige Godfather of Punk zieht noch einmal alle Register und schafft es schließlich noch ein letztes Mal, die Regel zu brechen. Er spielt länger als vereinbart und muss, um Strafgelder zu sparen, von der Tontechnik ausgebremst werden, die den Sound um 23 Uhr wie vereinbart runterfährt.

Deshalb verlässt Iggy Pops Band das Geschehen aber nicht. Vielmehr tänzelt der barbusige Rocker noch einmal über die Bühne. Wie in einem Stummfilm zelebriert er ein letztes Mal seine bekannten Posen und liefert so tatsächlich ein zusätzliches kleines Punkkonzert, das ohne Ton auskommt. Mit Bildern, die so eindrucksvoll sind, als hätte sie die Fotografin Annie Leibovitz vorab geschossen.

Es wird leer auf dem Rockolymp

Die gleichzeitig aber schon im Augenblick ihrer Inszenierung als alte Schwarz-Weiß-Fotos aus einer vergangenen Zeit erscheinen. Denn das schwingt in so einem Abschiedskonzert auch mit, dass nach Lemmys Tod und nach dem Tod von Iggy Pops Weggefährten David Bowie hier ein weiterer Gott den Rockolymp verlässt.

Da können Mando Diao das Publikum auf Rockavaria noch so sehr begeistern, da kann Shirley Manson von Garbage sich hier noch so berechtigt darüber beschweren, dass kaum Frauen auf den großen Rockfestivals wie Rockavaria auftreten, den Platz der derzeit abtretenden Rockgötter werden sie wohl kaum einnehmen. Damit wird es aber immer leerer im Rockolymp, was dauerhaft auch Festivals wie diesem den Nährboden raubt.

Doch noch weilen ja einige Götter unter uns. Iron Maiden zum Beispiel, die Sonntagabend für die meisten Heavy Metal-Fans die eigentlichen Headliner des Festivals sind. Und außerdem bemüht sich Rockavaria selbst um den Nachwuchs, der zumindest im kleinen Rahmen schon göttlich wirkt.

Etwa, wenn der Bassist der Nürnberger Band Resist The Ocean während des Konzerts die Bühne verlässt, um Freunde im Publikum persönlich zu begrüßen. Dank der Funkverbindung seines Instruments zum Verstärker kann er dabei gleichzeitig seinen Bass spielen. Weil darum also der Sound der Band nicht leidet, ist solche Aktion zumindest an Coolness nur schwer zu überbieten.

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