Rockavaria-Festival in München:"Risiko ist unser Tagesgeschäft"

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Die britische Rockband Muse ist eine der Attraktionen beim "Rockavaria"-Festival. Von den Hauptbands hängt ab, wie viele Tickets verkauft werden.

(Foto: AFP)

Musik gibt es nur bis 23 Uhr, Camping ist verboten - warum also plant Peter Schwenkow ein Festival im Olympiapark? Der Rockavaria-Veranstalter erklärt sein Konzept - und wieso er keine Vorverkaufszahlen nennt.

Von Jakob Biazza und Sebastian Krass

Zum ersten Mal seit "Rock im Park" 1996 gibt es in diesem Jahr wieder ein großes dreitägiges Musikfestival im Olympiapark. Das "Rockavaria" mit den Hauptbands Muse, Kiss und Metallica findet vom 29. bis 31. Mai statt. An jenem Wochenende veranstaltet die Deutsche Entertainment AG (Deag) auch auf dem Nürburgring und in Wien Schwesterfestivals mit denselben Bands. Peter Schwenkow ist Gründer und Vorstandschef der Deag.

SZ: Herr Schwenkow, die Voraussetzungen für ein Festival sind im Olympiapark nicht ideal: Open-Air-Musik geht nur bis 23 Uhr. Camping ist verboten. Warum gehen Sie mit dem Rockavaria dorthin?

Peter Schwenkow: Weil wir der Meinung sind, dass München ein solches Urban Festival gut steht. Das Konzept des Festivals ist sicher ungewöhnlich. Aber es gibt nichts Vergleichbares im Münchner Raum, und unserer Meinung nach hat das deshalb hier seinen Platz.

Was meinen Sie mit Urban Festival?

Ein Festival für den Großteil der Leute in München und Bayern, die vielleicht keine Lust haben, drei Tage abzutauchen und irgendwo zu campen. Festivals müssen ja nicht immer auf dem flachen Land und schwer erreichbar sein. Es hat ja auch mal was Interessantes, wenn ich zu einem Rockfestival mit der U-Bahn fahren kann.

Wenn Sie sagen "für den Großteil der Leute", heißt das dann, dass Sie in München einen Markt für harte Rockmusik sehen?

Ja. In unserem Gewerbe findet die Abstimmung immer an der Kasse statt. Und wenn ich mir die Ergebnisse unserer Veranstaltungen hier ansehe, hat sich München zu einer astreinen Rockstadt entwickelt. Mit dem bei weitem besten Ergebnis in diesem Genre im gesamten Bundesgebiet.

Haben Sie ein Beispiel?

Bon Jovi zum Beispiel war im Olympiastadion ausverkauft und in Berlin waren keine 25 000 Leute da.

Wie kommt man an Metallica?

Durch Vertrauen und gute Arbeit in der Vergangenheit. Dann müssen der Termin und das Angebot stimmen, der Rest ist eine normale wirtschaftliche Konkurrenzsituation.

Und es gewinnt der, der am meisten zahlt?

Das sehe ich nicht so. Es ist am Ende des Tages eine Frage des Taschenrechners: Wenn Sie ein Festival haben und rechnen damit, dass da 60 000 Leute kommen, dann ergibt sich daraus eine Einnahmemöglichkeit. Und aus dieser können Sie mögliche Gagen errechnen. Weil die Preise für Karten bei den verschiedenen Festivals relativ gleich sind, können die Gagen auch nicht sehr unterschiedlich sein.

50. Jahrestag der Berliner Philharmonie

Peter Schwenkow, 60 (im Bild mit seiner Frau Inga Griese), gründete 1978 seine erste Konzertagentur und 1995 dann die Deag. 2013 setzte die Firma 165 Millionen Euro um.

(Foto: dpa)

Bei Metallica wird über eine Gage von etwas mehr als fünf Millionen Euro für die Auftritte auf Ihren drei Festivals spekuliert.

Ich kann dazu nichts sagen, weil wir vertraglich vereinbaren, über die Höhe der Gage keine Auskunft zu erteilen. Und jetzt, wo wir uns so erfolgreich als Festivalveranstalter positionieren, möchte ich das schon gar nicht durch Indiskretionen gefährden.

Sie treten mit den Festivals gegen etablierte Veranstaltungen an, zum Beispiel Rock am Ring und Rock im Park. Es wirkt, als tobe da ein brutaler Verdrängungskampf.

Wenn das Wort Kampf überhaupt richtig ist, dann haben wir höchstens einen Kampf ums Publikum.

Genau.

Das ist aber ein Werben und kein Kampf. Tägliche kompetitive Auseinandersetzungen würde ich das nennen. Da geht es auch um die Frage, wer Tourneen mit großen Künstlern veranstalten kann: wir oder ein Mitbewerber. Wir versuchen alle, möglichst attraktive Künstler zu bezahlbaren Preisen zu bekommen. Wenn sich beim Festival-Segment die Gagen für ein, zwei Jahre etwas erhöhen, glaube ich nicht, dass das für die Gesamtbetrachtung des Marktes so aufregend ist.

20 000 oder 60 000 Besucher - interessiert das die Fans?

Wie groß ist das wirtschaftliche Risiko für die Deag mit diesen drei Festivals?

Das Risiko ist nicht größer als 1987 und 1988, als ich vor dem Berliner Reichstag Michael Jackson, David Bowie, Pink Floyd und Genesis veranstaltet habe. Diese Art von Risiko ist unser Tagesgeschäft seit über 35 Jahren.

Aber Sie müssen ja erst mal Millionen von Euro ausgeben für die Bands, und Sie wissen nicht, wie viele Leute dann kommen.

Nee, das weiß man nicht. Aber die Deag ist ja finanziell durchaus ordentlich ausgestattet, so dass wir uns erlauben können, auch mal in neue Segmente zu investieren.

Wenn man Konzertveranstalter hier in München fragt, dann sagen die: Diese ganz großen Konzerte lohnen sich erst, wenn auch die letzten paar tausend Karten verkauft werden. Ist das so?

Ich weiß nicht, mit wem Sie da sprechen.

Mit Leuten, die wie Sie im Olympiastadion und in der Olympiahalle veranstalten.

Man hat immer einen Break Even, also einen Punkt, ab dem man Geld verdient. Und in der Regel liegt der nicht bei 50 Prozent Auslastung, sondern schon höher. Aber er ist bei Festivals nicht höher als bei normalen Konzertveranstaltungen, manchmal sogar niedriger.

Können Sie eine Hausnummer sagen?

Nein.

Ihre Kollegin, die sich hier in München um die Organisation des Rockavaria kümmert, sagt, dass es Platz für 68 000 Leute gebe. Wir haben gefragt, wie viele Tickets verkauft sind. Darauf gab sie keine Antwort, sondern sagte: Die Fans interessieren sich gar nicht für Zahlen. Sehen Sie das auch so?

Ja, das sehe ich so.

Wir glauben, dass es die Fans schon interessiert, ob 20 000 oder 60 000 Menschen auf dem Riesengelände unterwegs sind? Das wirkt sich ja auf die Stimmung aus.

Es geht Ihnen nicht um die Frage, ob da 20 000 oder 60 000 kommen, sondern um die Frage, wie viele Karten heute verkauft sind. Die Wahrscheinlichkeit, dass es 60 000 werden am Veranstaltungswochenende, ist zehntausendmal größer, als dass es 20 000 werden.

Warum es jetzt auch Ein-Tages-Tickets gibt

Sie liegen also irgendwo dazwischen?

Nein. Ich sage Ihnen keine Zahl, das ist die Philosophie unseres Hauses. Ich sage Ihnen auch nicht, wie viele Karten für Sunrise Avenue oder für Anna Netrebko und Jonas Kaufmann in diesem Sommer auf dem Königsplatz verkauft sind. Auf die Politik mit den Vorverkaufszahlen, die die Wettbewerber erfunden haben, lassen wir uns nicht ein. Es werden beim Rockavaria ausreichend Leute sein, so dass wir zufrieden sind und dass das Publikum zufrieden ist. Das kann ich Ihnen jetzt bereits verbindlich versichern.

Mitte Februar erklärte Ihre Firma, der Verkauf von Ein-Tages-Tickets sei nicht geplant. An diesem Montag haben Sie nun bekanntgegeben, dass es doch welche geben wird, und zwar 10 000 pro Tag für 85 oder 89,90 Euro. Läuft der Vorverkauf für die Drei-Tages-Tickets, die 179 oder 199 Euro kosten, also doch nicht ganz so gut?

Mitte Februar hatten wir in der Tat Ein-Tages-Tickets noch nicht in der Planung. Wir beobachten natürlich den Markt ständig sehr aufmerksam und haben in der vergangenen Woche festgestellt, dass sich viele Festivalfans ihre Drei-Tages-Tickets gesichert haben. Deswegen haben wir jetzt vor, diese Woche ein auf insgesamt 10 000 Karten begrenztes Kontingent an Ein-Tages-Tickets in den Verkauf zu geben.

Wie geht es nun weiter mit dem Vorverkauf: Ist der Verkauf weiterer Tagestickets möglich? Oder kann es noch Rabattaktionen geben?

Wir sind mit dem Vorverkauf sehr zufrieden. Wie gesagt, ist das Kontingent an Ein-Tages-Tickets auf 10 000 Karten beschränkt.

Wissen Sie schon, ob es im nächsten Jahr wieder ein Rockavaria-Festival in München geben wird?

Wir haben einen langfristigen Vertrag mit dem Olympiapark. Und so extrem positiv, wie sich die Resonanz auf das Festival entwickelt, kann ich heute schon sagen: Aus kaufmännischer Sicht kommen wir auf jeden Fall wieder.

Aber?

Wir müssen nach Rockavaria in diesem Jahr schauen, ob das Publikum die musikalische Ausrichtung goutiert oder ob wir eher in Richtung Mainstream gehen - oder ob wir noch härter werden müssen. Wenn das entschieden ist, geht es auch um die Frage, ob wir attraktive Künstler bekommen. Wir sind für 2016 mit befreundeten Bands in guten Gesprächen. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir Rockavaria weiter machen, liegt bei weit über 90 Prozent.

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