Richard-Strauss-Tunnel:Party in der Röhre

Am 18. Juli wird Münchens längste und 325 Millionen Euro teure Unterführung freigegeben. Vorab darf schonmal gefeiert werden.

Dominik Hutter

Einige wenige dürfen schon hineinfahren. Handwerker zumeist, die ihr Auto einfach am Straßenrand abstellen. Noch ist das möglich. Denn die große Verkehrslawine rollt erst in einigen Wochen durch das 325-Millionen-Euro-Bauwerk, das mit seinen frischasphaltierten Bahnen stauärmere Zeiten im Münchner Osten verheißt.

Richard-Strauss-Tunnel: Auf den ersten Blick wirkt alles fertig - tatsächlich ist bis zur Eröffnung aber noch einiges zu tun.

Auf den ersten Blick wirkt alles fertig - tatsächlich ist bis zur Eröffnung aber noch einiges zu tun.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Die Beleuchtung ist bereits im Dauerbetrieb, grüne Schilder weisen den Weg zum nächsten Ausgang. Immer wieder flackern die Notlampen auf - an, aus, an, aus, an, aus. Funktionstests. Das Geblinke passt ganz gut zu den futuristischen grünen Leuchtrahmen, die die Fluchttüren kennzeichnen. Durch eine solche Space-Pforte würde man woanders ins Nachtleben starten.

Leere Fahrspuren, das ist verständlich, wecken Begehrlichkeiten. Und so hat es bereits einen Vorstoß zweier CSU-Politiker gegeben, den Richard-Strauss-Tunnel schon vor der offiziellen Einweihungsfeier am 18. Juli zu öffnen. Innerhalb von zwei Tagen, so die Gerüchteküche, könnten die Restarbeiten abgeschlossen sein - also Bahn frei für alle Staugeplagten? Johann Wittmann schaut ein bisschen verständnislos drein angesichts solcher Forderungen. "Der Tunnel ist keineswegs fertig", versichert der Projektleiter des Baureferats. "Hier wird fieberhaft und bis zum letzten Tag gearbeitet."

Der Mittlere Ring auf zwei Etagen

Tatsächlich gibt es noch viel zu tun in dem 1500-Meter-Loch, das bald nicht nur der bislang größte Tunnel am Mittleren Ring, sondern auch der erste mit zwei Etagen sein wird. Ganz im Süden, auf Höhe der Abzweigung zur Passauer Autobahn, liefert gerade ein gelber Gabelstapler Teile der metallenen Wandverkleidung. Und nahe des U-Bahnhofs Böhmerwaldplatz, der über eine (für Notfälle reservierte) Stahltür direkt mit dem Straßentunnel verbunden ist, werkelt Werner Mollenhauer an einem Wandschrank. "Pyrobor 600" heißt das Material, mit dem der Mann von der Firma "Fire-Stop" den Steuerungskasten der Lüftung abschirmt. "Das muss 90 Minuten lang Temperaturen bis zu 1400 Grad standhalten", berichtet der Hamburger. Schließlich soll die Lüftung nicht gerade im Brandfall schlappmachen.

Bei näherem Hinsehen bemerkt man im scheinbar so fertigen Tunnel weitere Unfertigkeiten. So fehlen an einigen Stellen die Leitplanken, im Seitentunnel gen Vogelweideplatz ist die Fahrbahn nicht abmarkiert, und auch der Schilderwald an der Oberfläche ist bisher nicht auf die neue Verkehrsführung ausgelegt. In den Haltebuchten stehen noch die provisorischen Toiletten der Bauarbeiter. Am wichtigsten aber sind die Rest- und Testarbeiten an der Betriebs- und Sicherheitstechnik.

In den vier Betriebszentralen, die mit Computerschränken vollgestellt sind, muss Software aufgespielt und anschließend ausprobiert werden. Und bislang hat auch noch niemand die Technik der sogenannten Tunnelkette einem Gesamttest unterzogen. Zu dieser Kette gehören neben dem Richard-Strauss-Tunnel auch die Nachbarröhren am Effnerplatz, Leuchtenbergring und Innsbrucker Ring, deren Sicherheitseinrichtungen wegen des geringen Abstands zusammengeschaltet werden.

Die Röhre wird zum Club

Inzwischen drängt die Zeit, berichtet Wittmann. Denn am 28. Juni wollen die Aufsichtsbehörden den Tunnel prüfen und abnehmen. Was bedeutet: Bis dahin müssen alle Systeme aufeinander abgestimmt sein und einwandfrei funktionieren - sowohl einzeln als auch im Zusammenspiel. Anschließend bleiben den Firmen zwei Wochen, möglicherweise entdeckte Mängel zu beseitigen. Parallel dazu wird das Betriebspersonal in seine neue Aufgabe eingewiesen, und auch eine große Feuerwehrübung soll noch vor der Eröffnung stattfinden.

Am Wochenende 11./12. Juli, eine Woche vor der offiziellen Einweihung, können sich dann die Münchner an ungewohntem Ort amüsieren - dann wird die Röhre zum Club, in dem ein tanzwütiges Tausend die Nacht durchmachen kann. Am Sonntag sollen dann voraussichtlich Kaffee und Kuchen serviert werden in Münchens künftiger Verkehrshölle.

Für den Berufsverkehr steht der Richard-Strauss-Tunnel erstmals am 20. Juli zur Verfügung. In den beiden zwei-, stellenweise auch dreispurigen Röhren gilt Tempo 60 - bei automatischer Überwachung. Spezielle Kameras messen ständig die Geschwindigkeit sämtlicher Durchfahrenden. Und das werden sehr viele sein: 96.000 pro Tag.

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