Tiratardi:Glück aus der Luke

Tiratardi: Meister am Herd: Michele Zicaro, der Koch im Tiratardi.

Meister am Herd: Michele Zicaro, der Koch im Tiratardi.

(Foto: Catherina Hess)

Kein typischer Münchner Pseudoitaliener, sondern authentische und makellose Küche: Das Tiratardi in Schwabing ist einer der besten Italiener der Stadt - vom Gruß aus der Küche bis zum Dessert.

Felix Mostrich

Es kommt nicht oft vor, dass man als Autor der SZ-Kostprobe eine Restaurantkritik gerne zurückhalten würde - weil man dem Lokal den temporären Ansturm von neuen Gästen, die bis 20 Uhr alle Plätze reservieren und dann mit der Kritik in der Hand ihre Bestellungen aufgeben, gerne ersparen würde.

Das Tiratardi hat Werbung nicht nötig; es ist allabendlich von dankbaren Stammgästen und deren Freunden bestens besucht - aus begreiflichen Gründen: Italienisches Essen dieser speziellen Qualität wird man zu den hier üblichen Preisen in München kaum irgendwo anders finden. Und auch der Service ist mustergültig sachlich und präzis: Die herablassende Schlampigkeit und das anbiedernde Pseudoitalienisch, das viele Münchner in italienischen Lokalen masochistisch über sich ergehen lassen, bleiben einem im Tiratardi erspart. So kann man nur hoffen, dass das kleine, räumlich beengte Lokal das nun folgende Lob über seine Speisen ohne Qualitätseinbußen überleben wird.

Was aus der winzigen Küche durch die Luke ins Lokal gereicht wird, ist vom Gruß aus der Küche bis zur Dessert- oder Käseauswahl auf beglückende Weise authentisch und makellos. Unter der Bezeichnung "Kartoffel-Carpaccio mit Frühlingstrüffeln" kommt ein Gebilde aus millimeterdünnen, roh gebratenen, mit Trüffeln quasi parfümierten Kartoffelscheiben auf den Tisch - eine knusprige Delikatesse, die Vergleichbares aus Mitteleuropa wie Rösti oder Puffer vergessen lässt.

Fabelhaft ist auch, wie die Küche den jungen Frühlingsartischocken Geschmack entlockt: Nach Entfernen der harten Blattspitzen werden die rohen Blütenstände in hauchfeine Scheiben geschnitten; diese beißfesten Schnitzel kombiniert der Koch als feinbittere Zutat entweder mit rosig zartem Lachs-Carpaccio oder in frittierter Form mit gehobeltem Parmesankäse, wobei jeweils das hinzugefügte wunderbare Olivenöl die Rolle des Vermittlers spielt (Vorspeisen kosten im Durchschnitt 11 Euro).

Wer Trüffeln liebt und auch mit den geschmacklich vergleichsweise bescheidenen Winter- oder Frühlingstrüffeln vorliebnimmt, kann sich im Tiratardi derzeit ein Dreigängemenü mit getrüffelten Speisen zusammenstellen. Hier sei die kräftige Selleriesuppe erwähnt, die auch ohne die teure Zutat gut hätte bestehen können, mit den Trüffelscheiben aber einigen Glanz entfaltete (6,50). Und auch die cremigen Nudeln mit den darübergehobelten Bianchetto-Trüffeln erinnerten an große Erlebnisse in Italien (12 Euro).

Bei den Hauptspeisen stehen immer zwei drei Klassiker neben den jahreszeitlichen Besonderheiten. Für Liebhaber geschmorten Kalbfleischs sind die dicken Beinscheiben des Ossobuco mit dem Fleisch, das auf Druck vom Knochen fällt, und mit dem flüssigen Mark auch im Tiratardi eine gute Empfehlung; der cremige Risotto nimmt die Gewürze der Gremolata dankbar auf. In guter Form, aber ohne auffällige Besonderheiten präsentierten sich auch der Klassiker Saltimbocca und die gebratene Wachtel. Der Küchenchef zeigte seine Handschrift eher bei der Kombination von Seeteufel mit frischem grünem Pfeffer oder von erfreulich zarten Hirschmedaillons mit grob gemahlenen Senfkörnern (Hauptspeisen kosten im Durchschnitt 20 Euro).

In den meisten italienischen Restaurants in Deutschland lohnt es sich nicht, bis in die Nachspeisenregion vorzustoßen. Im Tiratardi würde man sich um eine schöne Ergänzung bringen, wenn man nach dem Hauptgang Schluss machen würde. Sowohl der Tartufo, der geeiste Knödel aus knusprigen Nusssplittern und Schokolade, als auch das "Lacrima" (Träne) genannte, souffléartige Backwerk, dem flüssige Schokolade entquillt, sind hausgemacht und eine Sünde wert.

Von den vielen Käsesorten Italiens hält der Inhaber des Lokals Giuseppe Zicaro immer eine Auswahl parat. Hier kann man auch lernen, wie man den bekannten Sorten beim Servieren kleine Varianten abgewinnt: Indem man zum Beispiel Gorgonzola mit süßsauren Senffrüchten kombiniert oder Pecorino kurz grillt und mit Orangenschnitzeln und ein wenig Honig zu einem besonderen Erlebnis verfeinert (6,50).

In fast allen besseren italienischen Restaurants in München ist die Weinauswahl in den letzten Jahren sehr viel besser geworden. Auch das Tiratardi bietet eine große Auswahl an Flaschenweinen aus wichtigen Anbaugebieten zu üblichen Preisen an. Roero Arneis, der weiße Klassiker des Piemont, von Spitzenwinzer Bruno Giacosa abgefüllt, kostet hier 37 Euro. Aber auch viele andere gute Weine laden einen dazu ein, den Namen des Lokals - "Es könnte spät werden" - wörtlich zu nehmen.

Tiratardi, Kurfürstenstraße 41, 80801 München, Telefon: 089/27774455

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