Sir Tobi:Die hohe Kunst des Wiener Schnitzels

Sir Tobi: Die Speisekarte im Sir Tobi ist übersichtlich, aber fein. Das kleine Lokal im Lehel vermittelt das Gefühl, nie in Eile zu sein.

Die Speisekarte im Sir Tobi ist übersichtlich, aber fein. Das kleine Lokal im Lehel vermittelt das Gefühl, nie in Eile zu sein.

(Foto: Robert Haas)

Es ist eines von wenigen Slow-Food-Restaurants in München: Das Sir Tobi im Lehel fasst gerade einmal 20 Gäste. Aber wer einen Platz bekommt, kann hier zu günstigen Preisen auf hohem Niveau essen.

Von Carolus Hecht

Platz für nur 20 Gäste

Die Lachsalven über das "Dinner for One", den Silvesterklamauk der Nation, sind verklungen. Sir Toby ist mit Miss Sophies ominös imaginärer TV-Tafelrunde wieder in seine Schattenexistenz entschwunden. In München aber hält uns Sir Tobi (mit i am Ende) das ganze Jahr bei Laune, als eigentümliches, unorthodoxes Etablissement, benannt nach dem Spitznamen seines Kochs.

In dem winzigen Gehäuse in der Sternstraße, einem grollenden Verkehrskanal im sonst so idyllischen Lehel, verköstigen eben Sir Toby (Tobias Gschwendtner) und die Miteignerin Claudia Zabel eine auffällig zufriedene Klientel. Die schlichte Örtlichkeit fasst gerade mal gut 20 hungrige Seelen. Und man pocht hier auf Gelassenheit: Sir Tobi firmiert als eine von seltsamerweise nur vier Lokalitäten der Millionenstadt München im aktuellen Slow-Food-Führer.

Exotische Öffnungszeiten

Entsprechend sind die Öffnungszeiten so exotisch, dass ein Großteil des Normalpublikums kaum Gelegenheit hätte, hier einzukehren, es sei denn, man verabredet sich zu einer kleinen Gesellschaft, denn von sechs Essern aufwärts öffnet die Klause auch zu Schließzeiten.

Lob am falschen Platz hat schon manche Küche ins Chaos, von aufsässigen Gästemassen überforderte Wirtsleute in die Verzweiflung getrieben. Die systematische Unaufgeregtheit, mit der bei Sir Tobi gekocht und bedient wird, und die Dimensionen dieser Räumlichkeit, die totale Überforderung der Küche schlichtweg ausschließen, ermuntern die Kostprobe also beherzt zu rundem Lob.

Die hohe Kunst des Wiener Schnitzels

In dem "bairischen Bistrot" - so definiert man sich selbst, was immer das bedeuten mag - ist sogleich der Umgang mit gewissen Standards äußerst auffällig: Wiener Schnitzel (16,90 Euro) und Cordon Bleu (18,40 Euro), beide natürlich vom Kalb und mit Kartoffelgurkensalat, werden mit einer Zubereitungszeit von 25 Minuten offeriert.

Diese als Allerweltsgerichte unentwegt (gar in der Friteuse) hingerichteten Köstlichkeiten brauchen das auch. Sir Tobi nimmt sich so viel Zeit für die durchaus anspruchsvolle Zubereitung, dass der sonst meist zu Pappe erstarrte, teiggepanzerte Fleischfladen hier leichtgekleidet herrlich im Safte steht, wie wir es zumindest in München noch kaum erlebt haben.

Rücken und Filet vom Reh (22,70 Euro) wahren hier ebenfalls ihren saftigen Schmelz, wo sonst der Zustand des Fleisches meist Waldbrandgefahr suggeriert; zart der kleine Rosenkohl. Das gewaltige Stück Saibling (15,10 Euro) hatte in Dillrahm wie gebraten genau die Festigkeit, die man sich vom Fisch wünscht. Die geräucherten Blutwürstchen mit Apfel, Zwiebel und Kartoffelpüree (14,90 Euro) nahmen wir genießerisch als gschmackigen Beitrag zur Rehabilitation traditioneller Landküche.

Täglich ein preiswerter Mittagsteller

Entzücken über in Rotwein geschmorte Ochsenbäckchen mit Blaukraut und Spätzle (11,10 Euro). Die erfreulich kleine Karte variiert genug, so dass Stammgäste keine Langeweile leiden. Tagtäglich ergänzt sie ein preiswerter Mittagsteller, so zum Beispiel schweizer Hackfleischbällchen (8,90 Euro) mit Püree.

Als Introitus täglich eine charakteristische, kräftige Suppe (4,90 Euro) wie vom Kürbis oder die Kartoffelsuppe mit Speckkrusteln. Eine kleine Sensation, beinahe das Markenzeichen des Hauses, ist die Petersiliensuppe (4,60 Euro) in ihrem cremigen Kräuterduft. Der gebratene Ziegenkäse zum Blattsalat (8,90 Euro) hat mit seiner würzigen Leichtigkeit Sättigungskraft eines Hauptgerichts. Die Nachspeisen, etwa Schokoladenparfait (5,90 Euro) mit Vanillesauce, halten qualitativ stand, namentlich der leichte Pfannkuchen mit Aprikosenmarmelade (5,10 Euro).

Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ziemlich einmalig in diesem delikaten Speisehäuschen, das keinen Verstiegenheiten mancher Feinschmeckerambitionen frönt, wiewohl die Gerichte der heimischen und auch mediterran angehauchten Küche durchaus originell interpretiert werden. Fürs schmale Weinangebot gilt das allerdings nicht. Es sei denn, gelegentliche Angebote an Flaschenwein überraschen, wie etwa ein Brunello di Montalcino zu erstaunlichen 44 Euro von erklecklicher Eleganz. Löblich, schon weil selten, Gutmanns Tittinger Hefeweizen.

Die kleine Lokalität mit dem bodenständigen Schmausen vermittelt das Gefühl, nie in Eile zu sein, nie hastig abgespeist zu werden. Und doch kommen die nicht wenigen Gäste aus den umliegenden Institutionen des Freistaats genauso rechtzeitig ins Büro zurück, entschleunigt gleichsam, gut genährt und delikat aufgeheitert. Widerstand gegen die Hast der Zeit ist das feinste Gewürz dieses Häuschens.

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