Restaurant Grinsekatze:Vorhof zum Wunderland

Die Grinsekatze ist das TV-Sternchen unter den Münchner Restaurants. Der Service ist erstklassig, das Essen vom Feinsten. Doch angesichts der Preise ist jeder Makel doppelt ärgerlich.

Michael König

Das Wunderland liegt an der Ismaninger Straße. Die Grinsekatze grüßt über der Tür, die Kellnerin ist Alice nicht unähnlich und führt Gäste so charmant zum richtigen Tisch wie ein weißes Kaninchen. Das Konzept des Restaurants Grinsekatze in München-Bogenhausen wirkt stimmig - einzig das Blitzlicht der Digitalkamera stört.

Zwei Gäste bitten um ein Erinnerungsfoto, die Kellnerin nehmen sie in die Mitte. Als Hintergrund haben sie sich nicht etwa eines der hintergrundbeleuchteten Mosaike ausgesucht, die passend zum Namen des Restaurants mit Motiven aus dem Kinderbuch Alice im Wunderland verziert sind. Sie platzieren sich vor einem Schild, dass etwas verschämt in einer Ecke steht. Darauf ist der Schriftzug "Mein Restaurant" zu sehen und das Logo des TV-Senders Vox.

Tim Mälzer in der Jury

Um dieses Schild geht es vielen Gästen, die in der Grinsekatze einen Tisch reservieren. Das Lokal ist so etwas wie der Mark Medlock unter den Münchner Restaurants: Mit Talent gesegnet, berühmt aber vor allem wegen des Auftritts in einer Fernsehshow.

Die Sendung "Mein Restaurant" lief im Herbst 2008 auf Vox. In einer Mischung aus Talentsuche und Doku-Soap versuchten fünf Paare aus fünf Städten, ein selbst entwickeltes Restaurantkonzept umzusetzen. Eine Jury (besetzt unter anderem mit dem Promi-Koch Tim Mälzer) und das Publikum entschieden über den Sieger. Die Grinsekatze setzte sich gegen Konkurrenten aus Berlin, Hamburg, Köln und Leipzig durch.

Designer im Köttbullar-Rausch

Nach dem Triumph war es wochenlang kaum möglich, einen Tisch zu bekommen. Die ganze Stadt wollte sehen, was es mit dem Gourmet-Castingshowsieger auf sich hatte. Heute, an einem Werktag, bleiben reichlich Plätze frei. Wir bekommen einen Tisch nahe des Eingangs und begutachten die Inneneinrichtung: Wunderland-Motive überall.

Das ist im hinteren Teil des großzügigen Raumes sehr hübsch anzuschauen, weil die Motive wie bei den großen Mosaiken nur auf den zweiten Blick als solche zu erkennen sind. Das Restaurant kommt hier nicht als Wunderland daher, sondern nur als dezenter Vorhof dessen.

Ganz anders im vorderen Bereich: Hier sieht es eher so aus, als habe ein Ikea-Designer seine Köttbullar mit LSD gewürzt, bevor er zum Pinsel griff: pinkfarbene Pilze, überlebensgroß, daneben geschwungene Wasserpfeifen.

Gazpacho und Kaninchen

Das ist einerseits sehr konsequent, weil Lewis Carroll, dem Autoren von Alice im Wunderland, immer mal wieder vorgeworfen wurde, er habe seine Drogenerfahrungen in der Geschichte verarbeitet. Andererseits haben Gäste, die einen Platz vis-à-vis dieser Wandmalerei erwischen, große Mühe, sich auf die liebevoll gestaltete Speisekarte zu konzentrieren.

Wir wählen Gazpacho (für fünf Euro) und Kaninchen auf Linsen (8,50 Euro) als Vorspeise, dazu einen spanischen Rotwein (22 Euro). Dass die Kellnerin, nennen wir sie der Einfachheit halber Alice, leichte Schwierigkeiten hat, die Flasche zu öffnen, nehmen wir amüsiert zur Kenntnis.

Auf der nächsten Seite: Der Barkeeper gibt alle 30 Sekunden ein nervtötendes Geräusch von sich - und beim Filet ist ein Knochen zu viel.

Erinnerungsfoto inklusive

Als nervtötend erweist sich hingegen der Barkeeper, nennen wir ihn den Hutmacher, der mit einer leeren Spirituosenflasche das schwungvolle Cocktailmixen übt. Alle 30 Sekunden entgleitet ihm die Flasche und fällt scheppernd zu Boden.

Reichlich und reichlich pikant

Im Zusammenspiel mit dem Deutschpop à la Rosenstolz, der eine Spur zu laut aus den Lautsprecherboxen quillt, ergibt sich eine antrengende Melange, die von der hervorragenden Vorspeise ablenkt. Das Gazpacho ist reichlich und auch reichlich pikant. Das Kaninchenfleisch zergeht auf der Zunge, einzig die Linsen könnten mehr Würze vertragen.

Von der Bestellung bis zum Hauptgang vergehen 45 Minuten, das ist beruhigend und ein Zeichen dafür, dass der Koch das Menü nicht aus dem Hut respektive der Tiefkühltruhe zaubert. Das wäre dem Preis auch nicht angemessen: Schon vor dem Hauptgang sind fast 40 Euro futsch. Bei diesem Preisniveau fällt jede Kleinigkeit ins Gewicht.

Buttermilch statt Vanille

Wenn in der Speisekarte von einem Perlhuhnbrustfilet die Rede ist, dann ist ein Knochen auf dem Teller schon einer zu viel - zumal bei einem Preis von 18,50 Euro. Geschmacklich hingegen ist die Hauptspeise vom Allerfeinsten. Wer zudem auch richtig satt werden will, dem sei das hauchzarte Rinderfilet à la Creme an einer leichten Pilzrahmsauce mit Kartoffel-Kräuterpürree für 21 Euro empfohlen.

Als Dessert wählen wir eine absolut überzeugende Mousse au Chocolat (sieben Euro). Sowie eine Vanille-Creme (sechs Euro), die stark nach Buttermilch schmeckt, aber leider keineswegs nach Vanille. Das ist ein Fall für Alice, die Gedanken lesen zu können scheint - sie ist immer schon da, wenn man sie rufen möchte. Alice probiert von der Creme, vermisst ebenfalls die Vanille und bietet zum Ausgleich einen Espresso oder ein anderes Dessert an. Wir lehnen ab - die Hauptspeise war mächtig genug.

Streicheleinheiten zum Abschied

Der Service ist beinahe gespenstisch großartig und entschädigt für die Schönheitsfehler - zumal der Hutmacher sein Cocktail-Training eingestellt hat und auch der für die Musik verantwortliche Mitarbeiter aus seinem Albtraum erwacht ist.

Als die Rechnung kommt, dudelt Jazz aus den Boxen und macht das Bezahlen etwas erträglicher. Knapp 100 Euro sind es geworden - ein Erinnerungsfoto mit Alice ist inklusive. Wir verzichten und verlassen das Wunderland - nicht, ohne zum Abschied die Grinsekatze zu streicheln.

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