Rentner wegen Hausfriedensbruch verurteilt:Verdächtiges Geschirrgeklapper

Harmloser Rentner oder hinterlistiger Cremedieb? Ein 71-Jähriger soll bei Nachbarn eingedrungen sein, um Geschirr zu spülen oder Likör zu stibitzen. Das behaupten seine Nachbarinnen. Für die Vorwürfe hatten sie zwar keine Beweise, dennoch ist jetzt ein Urteil gefallen.

Ekkehard Müller-Jentsch

Ein Rentner ist vor dem Amtsgericht wegen Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe verurteilt worden: Er soll in eine Steuerkanzlei eingedrungen sein - um dort in der Teeküche sein Geschirr zu waschen. Wie er sich dort ohne Schlüssel Zutritt verschafft haben könnte, ließ der Richter allerdings offen. Zugleich wurde der Diplom-Ingenieur verurteilt, weil er einer Nachbarin elektrische Energie entzogen haben soll - um sich mit dem geklautem Strom im Keller sein Essen zu kochen; das vermuten jedenfalls Nachbarinnen.

"Mein Mandant wäre doch geisteskrank, wenn er so etwas täte", sagte sein Verteidiger Rasso Graber zu den Vorwürfen. Er glaubt, dass der ältere Herr Opfer einer Flüsterkampagne in seinem Wohnhaus geworden sei, die "durch den Belastungseifer der Ermittlungsbehörden" noch geschürt wurde.

Alles hatte damit begonnen, dass eine neu zugezogene Nachbarin den Rentner gebeten hatte, während ihrer Abwesenheit gelegentlich nach dem Rechten zu sehen, zu lüften und den Heizungsableser in ihre Wohnung zu lassen. Dazu hatte sie dem Mann einen Schlüssel gegeben. Eines Abends war er in die Wohnung gekommen und hatte die Nachbarin dort angetroffen - offenbar waren beide extrem überrascht.

Sie tauschte jedenfalls daraufhin ihr Türschloss aus und behauptete in der Folge: "Der Herr bricht seit meinem Einzug ständig in meine Wohnung ein." Sie wisse das, da sie stets vor dem Gehen alle Türen ihrer Wohnung präpariere. Die Frau wirft dem 71-Jährigen sogar vor, ihre Creme benutzt zu haben, bis der Topf leer war. Er soll außerdem eine Art Freundschaftsring gestohlen haben.

Die Nachbarin erstattete Anzeige. Die Polizei fand zwar keine Einbruchsspuren. Trotzdem verfügte die Justiz eine Wohnungsdurchsuchung bei dem Rentner. Und er musste eine Speichelprobe abgeben, damit ein DNS-Vergleich mit Spuren in der Nachbarwohnung vorgenommen werden konnte: Angeblich soll der Mann dort auch einen Schluck Likör aus einer Flasche getrunken haben. Alle Ermittlungen verliefen im Sande. Als die Nachbarin dann gar den Verdacht äußerte, sie werde abgehört, rückten Spezialisten des Landeskriminalamts an, um ihre Wohnung nach Wanzen abzusuchen - ohne Ergebnis.

Verdächtiges Geschirrklappern im Treppenhaus

Im Haus unterhielten sich nun die Nachbarinnen. Und plötzlich erschien ihnen so manches an dem Rentner, der immerhin seit den 80er Jahren unbescholten in dem Haus lebt, verdächtig. Eine von ihnen schilderte als Zeugin bei Gericht, dass sie häufig verdächtiges Geschirrklappern im Treppenhaus gehört habe. Dann will sie den Rentner beim Abspülen in der Kanzleiküche sozusagen auf frischer Tat ertappt haben.

Eine andere Nachbarin sagte, sie habe mitbekommen, dass der Rentner aus dieser Kanzlei gekommen sei. Direkt gesehen habe sie es nicht - aber was hätte er sonst abends unmittelbar an dieser Tür machen sollen? Der Steuerberater hatte damals Anzeige erstattet. Nun, bei Gericht, erklärte er, dass es zwar keine Einbruchsspuren gegeben habe. Und dass der Rentner einen Schlüssel besitze, könne er ausschließen. Aber ein Sicherheitsfachmann habe auf Sicherheitslücken aufmerksam gemacht.

Beim Stromabzapfen im Keller wollen mehrere Frauen den Rentner gesehen haben. Die angeblich geschädigte Nachbarin sprach von einem Mehrverbrauch von 300 Kilowatt. Der Rentner räumte in der Verhandlung nur ein, einmal kurz die Steckverbindung genutzt zu haben, nachdem er in seinem Abteil einen Kurzschluss verursacht hatte.

Doch der Amtsrichter glaubte den Zeuginnen. Auch wenn unklar sei, wie er dort hineingekommen sei, sah er das Eindringen des Rentners in die Kanzlei als erwiesen an. Wegen Hausfriedensbruchs und Entziehung von Energie verurteilte er ihn zu 2100 Euro Geldstrafe.

Anwalt Graber legte Berufung ein. "Ich will nicht in einem Land leben, in dem Nazibanden unbehelligt mordend durch die Lande ziehen, aber gleichzeitig von den Ermittlungsbehörden ein an Harmlosigkeit nicht zu überbietender Rentner mit dem vollen Waffenarsenal staatlicher Gewalt zur Strecke gebracht wird", sagt der Jurist.

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