Renovierungen und Bauprojekte:Wehe dem, der in München einen Handwerker braucht

Auf einen Termin beim Handwerker muss man in München lange warten - auch wegen des Fachkräftemangels.

Auch bei Piotr Zeglen sind die Auftragsbücher voll. Wer den Handwerker beauftragen will, muss bis zu acht Wochen auf einen Termin warten.

(Foto: Catherina Hess)
  • In München macht sich der Fachkräftemangel vor allem bei den Handwerkern bemerkbar: Wartezeiten von acht Wochen auf einen Termin sind keine Seltenheit.
  • In einer Umfrage der Handwerkskammer gaben aktuell nur 39 Prozent der Betriebe an, dass alle Stellen besetzt seien - alle anderen würden gerne mehr einstellen.
  • Zudem sind im aktuellen Ausbildungsjahr in Oberbayern insgesamt 1600 freie Plätze für Lehrlinge im Handwerk gemeldet.

Von Christian Schuster, Martina Scherf und Melanie Staudinger

Piotr Zeglen bohrt und hämmert, fliest und verlegt, verputzt und malt. Er ist seit 13 Jahren Handwerker in München, seit einiger Zeit ist er eine Rarität. "Bei mir muss man derzeit um die acht Wochen warten, bis man einen Termin bekommt", sagt der gebürtige Pole. Bei ihm sei das aber normal, denn er arbeitet schon seit längerer Zeit mit einer Baufirma zusammen. Diese würde ihn und seine sieben Mitarbeiter mit Aufträgen versorgen. Private Anfragen versucht er in seinen ohnehin schon prall gefüllten Terminplan schnellstmöglich einzuplanen. In einen Arbeitstag, der nicht selten vor 7 Uhr mit der Fahrt zur Baustelle beginne und um 23 Uhr mit Büroarbeiten ende.

Wie ihm geht es derzeit den meisten Handwerkern. Nach Angaben der Handwerkskammer für München und Oberbayern waren in den Auftragsbüchern Ende 2017 im Schnitt noch Aufträge für etwas mehr als sieben Wochen vorgemerkt, also bis weit ins laufende Jahr hinein. Die Bereiche Bau und Ausbau sind dabei besonders betroffen. "Der Immobiliensektor boomt", sagt Jens Christopher Ulrich, Sprecher der Münchner Handwerkskammer (HWK). "Die Zinsen sind niedrig, daher investieren viele Menschen in die eigenen vier Wände, lassen bauen und renovieren", so Ulrich weiter. In solchen Phasen mache sich der Fachkräftemangel besonders deutlich.

Die Handwerkskammer führt jährlich eine Umfrage durch, aktuell gaben nur noch 39 Prozent der Betriebe an, dass alle Stellen besetzt seien. 33 Prozent kommen klar, würden aber gern mehr Personal einstellen und 28 Prozent erklärten, der Fachkräftemangel beeinträchtige massiv ihre Entwicklungsmöglichkeiten. Zudem sind im aktuellen Ausbildungsjahr in Oberbayern insgesamt 1600 freie Plätze für Lehrlinge im Handwerk gemeldet. Und es werden auch Chefs gesucht, in den kommenden fünf Jahren stehen in Oberbayern mehr als 8000 Unternehmen zur Übergabe an.

Vom Fachkräftemangel kann auch Rudolf Stürzer vom Haus- und Grundbesitzerverein München viel berichten. "Wir hören von unseren Mitgliedern immer wieder, wie schwer es ist, einen Handwerker zu bekommen", sagt er. Vor allem für Eigentümer, die nur ein Haus oder eine Wohnung besäßen und daher eher selten einen Handwerker benötigten, sei es nahezu aussichtslos, zeitnah jemanden zu erreichen, der auch qualifiziert sei. Große Teile des Münchner Hausbestands seien in den Nachkriegsjahren entstanden. Schlechte Böden, dünne Mauern, undichte Fenster, das alles müsse nun gemacht werden.

Das liege auch daran, dass die Mieter in München sehr anspruchsvoll seien, sagt er. Eine Wohnung mit einem bräunlich-beigefarbenen Bad aus den Achtzigerjahren oder fehlendem Parkettboden bräuchte man eigentlich gar nicht anbieten. "Bad und Boden sind die Teile einer Wohnung, die am häufigsten renoviert oder erneuert werden", sagt Stürzer. Dementsprechend groß sei die Nachfrage. Und dementsprechend viele schwarze Schafe seien auch unterwegs: "Wenn Ihnen ein Handwerker heute einen Zettel in den Briefkasten wirft, auf dem er sich anpreist, kann etwas nicht stimmen." Von solchen Angeboten solle man lieber die Finger lassen, rät der Rechtsanwalt.

Dass viele Münchner lange auf einen Handwerker warten müssen, liegt nach der Erfahrung von Piotr Zeglen auch an den Kunden selbst. Oft bewegten sich die Erwartungen fernab der Realität. "Viele Leute hoffen, dass man innerhalb von zwei Tagen vor der Tür steht", sagt er. So lange brauche er aber manchmal, um erst einmal ein Angebot zu erstellen. Viele Stunden habe er auch schon umsonst gearbeitet, weil er Kostenvoranschläge erstellt habe, die Kunden sich daraufhin aber nicht mehr gemeldet hätten.

Viele Verzögerungen entstehen durch die Kunden der Handwerker

Ulrich von der Handwerkskammer berichtet von ähnlichen Erfahrungen. Verzögerungen würden auch durch Kunden selbst entstehen, sagt er. Diese würden nach dem Beginn der Bauarbeiten oder Renovierungen immer wieder umplanen. Da es für die Handwerksbetriebe unrentabel sei, stets "das Material für 20 verschiedene Badausstattungen auf Lager zu haben", gehe durch späte Bestellungen Zeit für andere Kunden verloren. Im Notfall, beispielsweise bei einem Wasserrohrbruch, sei die Lage trotzdem gut. Für alle anderen Bauvorhaben rät Ulrich: genau überlegen, was gemacht werden soll, den Auftrag dann zügig erteilen und flexibel bei der Terminfindung sein.

Die hohe Nachfrage und auch die verschärften Arbeits- und Planungsbedingungen haben mitunter zu höheren Stundenpreisen geführt. Unverhältnismäßige Steigerungen sieht man in der Handwerkskammer jedoch nicht. Erst im Januar äußerte sich Franz Xaver Peteranderl, Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern und des Bayerischen Handwerkstages, in seinem Konjunkturstatement dazu. So hätten Handwerker in Bayern ihre Preise seit 2004 um 1,7 Prozent pro Jahr erhöht. Da die Verbraucherpreise im gleichen Zeitraum aber um 1,5 Prozent gestiegen seien, empfinde Peteranderl die höheren Stundensätze für Handwerker als notwendig, "um zumindest die Inflation auszugleichen".

Kunden sehen das erfahrungsgemäß anders, da können Angebote schon mal um bis zu 50 Prozent voneinander abweichen. Und gerade bei Großprojekten führt die Notlage mittlerweile zu enormen Verzögerungen und Kostensteigerungen. Eine Großbaustelle in München ist derzeit die Sanierung des Deutschen Museums. Dort muss jeder Auftrag öffentlich ausgeschrieben werden. "Wir erleben in letzter Zeit immer wieder, dass sich auf eine Ausschreibung überhaupt niemand meldet, egal ob im Hochbau, Trockenbau oder bei Aufzügen", klagt Dieter Lang, der Generalbevollmächtigte für die Sanierung des Museums.

Vor Kurzem seien auf eine Ausschreibung, das Gewerk will Lang nicht nennen, genau zwei Gebote eingegangen, das eine für 1,5 Millionen Euro, das andere für den doppelten Betrag. "Was macht man in so einem Fall, wenn jetzt der Günstigere gar nicht anbietet?", fragt Lang. Die Lage sei enorm schwierig. Der Architekt erzählt, er habe neulich auch privat einen Handwerker gebraucht. "Auf meine Frage: ,Wann kommen Sie?' erhielt ich die Antwort: ,Wenn Sie mich so drängen, dann komme ich überhaupt nicht!'"

Der Mangel an Fachkräften hat jedoch laut dem Präsidenten der Handwerkskammer noch weitere Konsequenzen: Nicht nur der Nachwuchs ist heiß umkämpft, sondern auch ausgebildete Mitarbeiter werden immer wieder von anderen Betrieben abgeworben. Um die Arbeitskräfte jedoch zu halten und die hohe Zahl von Aufträgen durch Überstunden zu bewältigen, so Peteranderl, müssten die Fachkräfte ihrer Leistung entsprechend auch bezahlt werden. Bei der Handwerkskammer will man versuchen, die Menschen dafür zu sensibilisieren, dass handwerkliche Arbeit auch ihre Zeit brauche. Schließlich könnten die Menschen ja durchaus an anderen Stellen Geduld aufbringen, so HWK-Sprecher Ulrich. "Oder regt sich irgendjemand darüber auf, dass er monatelang auf sein neues Auto warten muss?"

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