Reinhard Marx:Ein Bischof mit viel Kapital

Reinhard Marx amtiert in Trier mit harter Hand und guter Laune - als Münchner Oberhirte rückt er ins Zentrum der Kirche.

Matthias Drobinski

München, 28. November - Der Mann füllt einen ganzen Raum mit guter Laune. Dann lehnt er sich im Sitz zurück, dass die Knöpfe seines Hemdes über der barocken Figur spannen, und lacht, dass die Luft zittert.

Reinhard Marx: Bischof Reinhard Marx

Bischof Reinhard Marx

(Foto: Foto: dpa)

Oder er zieht eine seiner dicken Zigarren hervor, steckt sie an und pafft genießerisch den Rauch in die Luft. Kommt eine kritische Frage, lässt er, statt zu antworten, die Zigarre einfach aus dem Mund fallen - ein Slapstick sagt mehr als Tausend Worte. Oder er brüllt, wenn er jemanden sieht, fröhlich durch eine ganze Flughafenhalle, dass die Leute sich erschrocken umdrehen.

Im Februar, auf der Israel-Reise der katholischen Bischöfe, sah er unter der schwarzen Sonnenkappe aus wie ein spätpubertärer Harley-Davidson-Fan. Reinhard Marx, 54 Jahre alt, bislang Bischof von Trier, künftig Erzbischof von München und Freising, fällt auf in der Schar der deutschen Bischöfe.

Und zumindest die Münchner Zigarrenhändler können sich vorbehaltlos über die wichtigste Personalie im deutschen Katholizismus der vergangenen Jahre freuen, die am Freitag um 12 Uhr offiziell in Rom und München bekanntgegeben werden soll.

Seit Jahren schon stand der Kirchenmann aus Westfalen auf den innerkirchlichen Beförderungslisten. Könnte er in Köln Kardinal Meisner beerben? In Berlin auf Kardinal Sterzinsky folgen und den mediengewandten Hauptstadtbischof geben? Nun ist es etwas überraschend die Nachfolge von Kardinal Friedrich Wetter in München geworden, wo er noch keinen bleibenden Eindruck hinterlassen hat.

Marx wird, wenn er nicht die Jungfrauenschaft Mariens in Abrede stellt, Kardinal werden. Er ist automatisch Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz der bayerischen Bistümer und der Diözese Speyer. Und der erste Kandidat für die Nachfolge des Bischofskonferenzvorsitzenden Kardinal Karl Lehmann aus Mainz.

Ein Bischof mit viel Kapital

Die Gabe zum öffentlichen Auftritt, die dazugehört, wenn man die größte Glaubensgemeinschaft in Deutschland vertreten will, hat er jedenfalls. Man kann Marx in jede Talkshow setzen, er macht dort einen guten Eindruck - im saarländischen Rundfunk hatte er gar eine eigene Sendung.

Marx ist schlagfertig, klar, witzig, Späße über den eigenen Namen eingeschlossen. Bei Vorträgen in Ostdeutschland hat er den Zuhörern schon gesagt: "40 Jahre habt ihr auf Marx gewartet. Nun ist er gekommen und ist katholischer Priester."

Reinhard Marx ist einer der politischen Köpfe im deutschen Episkopat. Legendär ist ein Auftritt von 1998 auf einer Tagung der Grünen in Münster, auf der er vor dem Wahlsieg von SPD und Grünen entscheidend dazu beitrug, dass sich das Verhältnis der Partei zur katholischer Kirche entspannte.

Und Marx hat schon Kirchengeschichte geschrieben - als Mitautor des Gemeinsamen Sozialworts der Kirchen, das 1997 herauskam. Das Papier betont den Vorrang der Arbeit vor dem Kapital; auch wenn es die Eigenverantwortung des Einzelnen hervorhebt, wurde es damals als Kritik an der Sozialpolitik der Regierung Kohl gesehen.

Dabei ist der einstige Sozialethik-Professor kein Linker - die Katholische Nachrichtenagentur hat für ihn das schöne Wort "neosozial" geprägt. Wohl aber einer, der die Sozialdebatten kennt: Schon mit 36 war der Sohn eines Schlossermeisters Direktor des Dortmunder Sozialinstituts "Kommende", einer Schnittstelle zwischen Kirche und Politik.

An seinem 43. Geburtstag ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Weihbischof, dem damals bundesweit jüngsten. So wie er 2001 mit 48 Jahren der jüngste Diözesanbischof war, als der Papst - Ironie der Geschichte - Marx nach Trier schickte.

Auch dort glänzte er mit politischen Stellungnahmen vom Irak-Krieg über die Sozialreformen bis hin zur Globalisierung. In Trier aber haben die Katholiken auch einen anderen Reinhard Marx kennengelernt - einen, der im Zweifel keinen Kompromiss eingeht.

Ein Bischof mit viel Kapital

Er hat seinem Bistum eine tiefgreifende Strukturreform verordnet, bei der Gemeinden zusammengelegt werden sollen; die Zahl der Dekanate soll sich halbieren. Kritik und Einwände hat er locker-raunzig vom Tisch gewischt. Bei Verstößen gegen die kirchliche Disziplin kennt er kein Pardon.

Den emeritierten Professor Gotthold Hasenhüttl suspendierte er vom Priesteramt, als der am Rande des Ökumenischen Kirchentages 2003 in Berlin auch evangelische Christen zur Kommunion einlud - wobei er ohne große Begeisterung strafte und Hasenhüttl auch zu offensichtlich den Bruch gesucht hatte.

Er hat der jungen Theologin Regina Amnicht-Quinn die Lehrerlaubnis verweigert, auch mancher Pfarrer weiß ein Lied zu singen, wie er vom Bischof in den Senkel gestellt wurde. Und viele Laien beklagen die Klerikaliserung im Bistum.

Dem Klima in Trier hat das nicht unbedingt gutgetan, in Rom ist aber gerade diese Mischung angekommen: Da kann einer locker mit Journalisten plaudern, auf Menschen zugehen, die Kirche gut gelaunt repräsentieren - ohne eine Haaresbreite von der Linie abzuweichen.

"Wer den Zeitgeist heiratet, ist morgen schon Witwer", sagt er, und: "Wir können nicht von Meinungsumfragen abhängig machen, was wir glauben sollen." Er verstehe sich als "Muntermacher im Glauben" und wolle das "Zeugnis eines fröhlichen und zufriedenen Priesters geben", satt an diesem und jenem in der katholischen Kirche zu leiden.

Ein Bischof mit viel Kapital

Trotzdem dürfte Marx für Papst Benedikt XVI. nicht von Anfang an der geborene Kandidat für München gewesen sein, sonst hätte die Suche nicht so lange gedauert, sonst wären nicht so viele Kandidatennamen zirkuliert, und sonst hätte es auch nicht dieses Hau-Ruck-Verfahren vor der Entscheidung gegeben: Die Bischofskongregation in Rom, in der sonst die Bischofsernennungen diskutiert werden, wurde mit dem Fall nicht befasst - die in der Kongregation vertretenen deutschen Kardinäle Lehmann und Meisner hatten keine Möglichkeit, mitzuentscheiden.

Nun also kommt Marx nach München, ins Erzbistum mit 1,8 Millionen Katholiken, mit einer einigermaßen stabilen Finanzlage, mit seinem städtischen Katholizismus in und um München und der tiefverwurzelten Volkskirche auf dem oberbayerischen Land.

Er wird dort auf ein selbstbewusstes Bistum treffen, auf einen starken Katholizismus, der aber auch eigensinnig bis zur Sturköpfigkeit sein kann - autoritär durchzuregieren dürfte schwierig werden, vor allem, da Marx keine Hausmacht besitzt, mit niemandem aus dem Domkapitel eng vertraut ist und die Pfarrer ihn nur aus dem Fernsehen kennen. Immerhin: Den fehlenden Dialekt dürfte er dadurch ausgleichen, dass er in jedem Biergarten zwischen Landshut und Berchtesgaden eine gute Figur machen wird.

Vor allem aber wird Marx die bayerische Bischofskonferenz zähmen müssen, was schwieriger werden dürfte, als den Münchner Bund für Geistesfreiheit zu missionieren. Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick galt lange als Favorit für den Posten in München, auch dem Augsburger Walter Mixa wurden Ambitionen nachgesagt, dem Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller sowieso.

Müller und Mixa haben in den vergangenen Jahren ihr Amt eigensinnig und konfliktträchtig geführt; sie in die Disziplin der Freisinger Bischofskonferenz einzubinden, dürfte mühsam werden. Hier könnte Marx die Durchsetzungsstärke helfen, von der mancher Trierer mit Seufzen berichtet. Oder der Trick mit der Zigarre: Einfach mal, wenn die Debatte verfahren ist, das Ding wirkungsvoll aus dem Mund fallen lassen.

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