Reichenbachstraße:Stadt will an einen Anschlag auf ein jüdisches Altenheim erinnern

Ausgebrannte Wohnung nach dem Anschlag auf ein jüdisches Altenheim in München, 1970

Vor 48 Jahren zerstörte ein absichtlich gelegtes Feuer das jüdische Altenheim.

(Foto: dpa)
  • Sieben Menschen starben vor 48 Jahren bei einem Feuer in einem jüdischen Altenheim in der Reichenbachstraße.
  • Der Brandanschlag war damals einer von mehreren terroristischen Angriffen auf Juden in München.
  • Die Stadträte wollen nun, dass das Verbrechen offiziell zum Teil der Münchner Erinnerungskultur wird.

Von Dominik Hutter

Die Täter sind bis heute unbekannt. Sie könnten aus rechts- wie linksextremistischen Kreisen stammen, oder es könnte sich um palästinensische Terroristen handeln. Sieben Menschen kamen ums Leben, als am Abend des 13. Februar 1970 im Vordergebäude der Reichenbachstraße 27 im Treppenhaus verschüttetes Benzin explodierte.

Dort befand sich damals ein jüdisches Altenheim, in dem auch Überlebende des Holocausts wohnten. Die meisten Senioren konnten sich retten, fünf Männer und zwei Frauen aber schafften es nicht. Sie erstickten oder verbrannten, ein 71-jähriger Mann starb beim Sprung aus einem Fenster. Die Synagoge im Hinterhaus blieb unbeschädigt.

48 Jahre später erinnert nichts mehr an den Anschlag, auch die Hauptsynagoge ist längst an den Jakobsplatz umgezogen. Der Stadtrat will das Verbrechen nun offiziell zum Teil der Münchner Erinnerungskultur machen. "Die Landeshauptstadt München gedenkt künftig des Brandanschlags auf das Altenheim der Israelitischen Kultusgemeinde", lautet der Antrag, der von nahezu allen im Rathaus vertretenen Fraktionen unterzeichnet ist. SPD und CSU sind dabei, die Grünen-Rosa Liste, Bayernpartei, FDP-Hut, ÖDP und Linke.

Die Forderung ist bewusst offen formuliert - wie genau das Gedenken aussehen soll, muss noch vom Kulturreferat ausgearbeitet werden. SPD-Fraktionsvize Christian Vorländer könnte sich eine Gedenktafel an dem Haus an der Reichenbachstraße vorstellen, möglicherweise auch Gedenkveranstaltungen, wie es sie alljährlich etwa am Termin des Oktoberfest-Attentats gibt. Es gehe darum, dass die Leute innehalten können, so Vorländer.

Mit dem Antrag, dessen Verabschiedung wohl reine Formsache ist, will der Stadtrat zudem erreichen, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden. Die Sonderkommission der Polizei hatte Ende Juni 1971 ihre Untersuchung ergebnislos eingestellt. Eine spätere Wiederaufnahme durch die Generalbundesanwaltschaft führte ebenfalls nicht zu den Tätern, diese Ermittlungen wurden im Herbst 2017 beendet.

Einer von mehreren Anschlägen in kurzer Zeit

"Jedes Mal, wenn ich durch die Reichenbachstraße gehe, muss ich an den schrecklichen Brandanschlag auf das jüdische Altenheim denken, bei dem sieben Bewohnerinnen und Bewohner ums Leben kamen", sagt CSU-Stadtrat Marian Offman. "Es ist an der Zeit, dass sich die Stadtgesellschaft an dieses Verbrechen erinnert und der Opfern würdig gedenkt." Auch Offman, der Vorstandsmitglied der Israelitischen Kultusgemeinde ist, denkt an eine Gedenktafel. "Diese Art der Erinnerungskultur bringt uns zum Innehalten und Nachdenken." Dies sei gerade in Zeiten des Erstarkens rechtspopulistischer Aktivitäten von großer Bedeutung, so Offman.

Interfraktionelle Anträge mit einem derart breiten Unterstützerspektrum sind selten im Münchner Stadtrat und zeigen die Bedeutung des Anliegens. Der Brandanschlag in dem jüdischen Altenheim war damals einer von mehreren terroristischen Angriffen auf Juden in München. Nur drei Tage zuvor hatten palästinensische Terroristen am Flughafen München-Riem zwei Sprengkörper gezündet - sie waren in einen Transitraum eingedrungen, wo Passagiere des von der israelischen Gesellschaft El Al angebotenen Linienfluges Tel Aviv-München-London auf ihre Weiterreise warteten. Ein Mann kam dabei ums Leben, mehrere Personen wurden teilweise schwer verletzt.

Am intensivsten von der Weltöffentlichkeit beachtet wird bis heute die Geiselnahme palästinensischer Terroristen bei den Olympischen Spielen 1972, bei der elf israelische Sportler und ein deutscher Polizist ums Leben kamen. An dieses Ereignis erinnert neben zwei älteren Mahnmalen auch ein 2017 eröffneter Gedenkort am Rande des Olympiadorfs.

Die Rathauspolitiker wollen nun auch den bei vielen Münchnern kaum präsenten Brandanschlag dauerhaft in Erinnerung rufen. Damals wurden sämtliche jüdischen Einrichtungen und teilweise auch private Wohnungen unter Polizeischutz gestellt. Als Tatverdächtige galten zunächst vor allem Rechtsextremisten und Palästinenser. Anlass für die Wiederaufnahme der Ermittlungen waren dann Spuren ins linksextremistische Spektrum, die letztlich aber für einen konkreten Tatverdacht nicht ausreichten.

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