Regisseurin Dissmann im Interview:"Es gibt 1000 Gründe, ein Lied zu schreiben"

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Sommertheater-Regisseurin Ulrike Dissmann über das aktuelle Stück "Helden", warum die Komödie als Theaterform so interessant ist und was es mit ihren Liedern auf sich hat.

Das Münchner Sommertheater ist eine freie Truppe junger Nachwuchsschauspieler und Musiker unter der Leitung von Ulrike Dissmann. Die Münchner Schauspielerin, Regisseurin und Autorin hat das Theater im Englischen Garten 1990 ins Leben gerufen. Nach wie vor bearbeitet die 64-Jährige die Originaltexte selbst, ist verantwortlich für die Koordination der Truppe und schreibt auch die Musik zu den Stücken.

Sommertheater-Regisseurin Ulrike Dissmann. (Foto: Foto: Sommertheater/oh)

sueddeutsche.de: Sie haben sich dieses Jahr für das Stück "Helden" von Bernard Shaw entschieden. Warum?

Ulrike Dissmann: In der 20-jährigen Geschichte des Sommertheaters hat es sich so ergeben, dass auf einen Shakespeare ein Molière folgt. Und auf einen Molière brauche ich ein leichteres Stück. Das ist wie ein Schnaps auf ein gewaltiges Essen.

sueddeutsche.de: Was unterscheidet Shaw von den beiden Theater-Größen?

Dissmann: Shakespeare ist wahnsinnig modern, er offenbart dem Publikum einen unglaublich offenen Blick in sein Thema. Molière wird dagegen sehr intim. Shaw ist moderner, amüsanter.

sueddeutsche.de: Warum wird immer eine Komödie gespielt?

Dissmann:Bei einer Komödie richtet sich das Timing viel mehr nach dem Publikum, als bei anderen Theater-Formen. Einem Lacher muss man Zeit geben, das fordert einen Schauspieler viel mehr heraus, als eine schwere Tragödie.

sueddeutsche.de: Es hat aber auch...

Dissmann: ... mit dem Ort zu tun, ja. Ins Amphitheater muss was Heiteres. Dieser Ort, wo manchmal der Mond wie besoffen am Himmel hängt, wäre auch zu schade für ein Drama wie beispielsweise Antigone. Das gehört in einen strengen, geschlossenen Raum.

sueddeutsche.de: Sollen auch die Lieder, die Sie zu den Stücken schreiben, diese Heiterkeit unterstützen?

Dissmann:Nein. Die sind mal heiter, mal aber auch durchaus ernst. Sie erklären, bringen ein Thema auf den Punkt. Oder sie ergeben sich aus den beschränkten Mitteln, die uns im Amphitheater zur Verfügung stehen.

sueddeutsche.de: Ein Beispiel?

Dissmann:Bei unserem aktuellen Stück "Helden" schläft der Schweizer Hauptmann Bluntschli ein, und zwar vor dem Szenenwechsel. Es hätte nicht dem Text entsprochen, ihn von der Bühne tragen zu lassen. Einfach aufstehen und gehen kann er aber auch nicht. Also symbolisiere ich mit einem Lied seine Träume und gleite so in die nächste Szene über.

sueddeutsche.de: Die Lieder waren also anfangs nur als Hilfsmittel für die Inszenierung gedacht?

Dissmann: Es gibt 1000 Gründe, ein Lied zu schreiben. Deshalb haben Sie auch 1000 verschiedene Bedeutungen - und werden schon so zu etwas Besonderem. Am Ende des Stücks gibt es aber immer ein Lied, das, wenn Sie so wollen, die Frage beantwortet: "Was hat uns Frau Dissmann dazu zu sagen."

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