Regierungspräsident Hillenbrand:Uneitler Arbeiter

Christoph Hillenbrand (rechts) ist derzeit im Dauereinsatz: Am Freitag begleitete er Dieter Reiter bei dessen Besuch in der Bayernkaserne.

Christoph Hillenbrand (rechts) ist derzeit im Dauereinsatz: Am Freitag begleitete er Dieter Reiter bei dessen Besuch in der Bayernkaserne.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Er ist der Manager im Flüchtlingschaos - nicht nur in München. Christoph Hillenbrand, Präsident der Regierung von Oberbayern, nimmt seine schwierige Aufgabe mit viel persönlichem Einsatz wahr. Nur darüber reden, das möchte er nicht.

Von Bernd Kastner

Die Szene erzählt vom Chaos in der Bayernkaserne und von einem Mann, dessen Aufgabe es ist, dieses Chaos in den Griff zu bekommen. Als es am Donnerstagabend in und vor der Erstaufnahmeeinrichtung in Freimann zu rumoren beginnt, weil viele Flüchtlinge die desolate Unterbringung nicht mehr klaglos hinnehmen wollen, ist Christoph Hillenbrand mittendrin. Er steht als Präsident an der Spitze der Regierung von Oberbayern, die für die Erstaufnahme zuständig ist. Es gelingt ihm, ein Eskalieren der Lage zu verhindern, nach eineinhalb Stunden beenden die Flüchtlinge ihre Straßenblockade.

Aber Hillenbrand verhandelt nicht nur. Ein Krankenwagen kommt, es hat Rangeleien am Kasernentor gegeben. Tags darauf wird eine syrische Familie berichten, dass Security-Leute in die Menge gegangen seien, dass einer einen Schlagstock benutzt habe, und dass dabei eine junge Frau am Arm verletzt worden sei. Vermutlich war es keine Absicht, aber sie sei gestürzt, habe sich am Kopf verletzt, sei minutenlang bewusstlos gewesen. Der genaue Hergang wird sich schwer rekonstruieren lassen, es war für alle eine Ausnahmesituation. Die Familie der jungen Frau war aufgeregt, der Vater wollte mit ins Krankenhaus. Und dann war es Christoph Hillenbrand, der ihn in seinen Dienstwagen einlud und den Vater in die Klinik brachte.

Das zeigt, wie sehr alles drunter und drüber ging und geht in und um die Bayernkaserne, wenn der Chef der zuständigen Behörde sich als Chauffeur eines verzweifelten Vaters zur Verfügung stellt. Das zeigt aber auch, wie sehr sich Christoph Hillenbrand persönlich engagiert. Allein, er redet nicht darüber. Ein Gespräch über seine Rolle in dieser Krisenzeit lehnt er ab, er wolle sich nicht in den Vordergrund drängen.

Vielleicht befürchtet er auch, dass die Minister in der Staatsregierung, die für das bayerische Asylchaos verantwortlich sind, ihm das übel nehmen könnten. Vielleicht hat Hillenbrand auch Sorge, dass ihm ein offenes Wort herausrutschen könnte. Ein Wort, das nicht sehr schmeichelhaft für die Riege von Ministerpräsident Horst Seehofer wäre.

Der aus Augsburg stammende Jurist, 57 Jahre alt, zwei Kinder, begreift Loyalität als Wert für sich. Er hat das verinnerlicht seit den Jahren, als er Innenminister Günther Beckstein als Pressesprecher diente, in der Staatskanzlei arbeitete und vor allem seit 2005, als er den Chefposten der Regierung von Oberbayern in der Maximilianstraße übernahm. Er versteht sein Haus als ausführende, als dienende Behörde, und er weiß, dass zum Aufgabenspektrum einer Bezirksregierung gehört, Prügelknabe zu sein, stellvertretend für die Politik. Also schweigt Hillenbrand zu seiner Person, auch in diesen Wochen. Er will sich ganz auf seinen Job konzentrieren, der da lautet: Flüchtlinge menschenwürdig zu versorgen.

Man darf annehmen, dass auch Hillenbrand, wie viele seiner Mitarbeiter in Kaserne und Zentrale, an der Grenze der Belastbarkeit arbeitet. Man weiß, dass er seit Wochen persönlich die oberbayerischen Landräte anruft und sie bekniet, doch bitteschön Unterkünfte aufzutun. Man weiß, dass er manchmal, wenn nichts anderes hilft, Flüchtlingsbusse vor die Landratsämter fahren lässt.

Und man konnte am Donnerstagabend vor der Mauer der Bayernkaserne einen groß gewachsenen Mann beobachten, wie er im Durcheinander die Ruhe bewahrt. Er telefoniert mit seinen Leuten im Büro, bittet die Polizei, sich um Decken zu kümmern, redet mit aufgebrachten Flüchtlingen, gibt Interviews, fährt einen Vater ins Krankenhaus. Dann lässt er 120 Flüchtlinge ins Zeltlager im Kapuzinerhölzl bringen.

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