Rechtspopulistische Partei "Die Freiheit":Abwehr der Islamophoben

Michael Stürzenberger von der Partei "Die Freiheit"

Michael Stürzenberger von der Partei "Die Freiheit" sammelt am Stachus Unterschriften gegen das Islamzentrum.

(Foto: Catherina Hess)

Seit Monaten sammelt "Die Freiheit" in München Unterschriften gegen ein geplantes Islamzentrum. Im Stadtrat mehren sich Stimmen, die für einen offensiveren Kurs gegen die Hetze von Michael Stürzenberger sind.

Von Dominik Hutter und Silke Lode

Politisch wäre es der größte anzunehmende Unfall: Wenn es der ebenso kleinen wie aggressiven Gruppe rund um den Anti-Islam-Aktivisten Michael Stürzenberger gelingt, den Bau der geplanten Moschee zum Thema im Kommunalwahlkampf zu machen. Ein öffentliches Pro und Contra über die Ausgrenzung einer Religionsgemeinschaft - bei dieser Vorstellung läuft es vielen Münchner Stadträten kalt den Rücken herunter.

Unrealistisch ist das Szenario keineswegs: Es genügt, wenn die Partei "Die Freiheit" rechtzeitig vor dem Wahltermin ihre Unterschriften gegen das geplante Islam-Zentrum "Ziem" einreicht und damit einen Bürgerentscheid einfordert. Das bisherige Konzept der Rathaus-Politiker, den Islam-Gegnern nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken, funktioniert dann nicht mehr. Dennoch beginnen die demokratischen Parteien erst sehr allmählich damit, sich Gedanken über eine Strategie zum Umgang mit der "Freiheit" zu machen. Dabei gibt es durchaus Stimmen, die einen offensiveren Kurs für die bessere Variante halten.

Das bedeutet nicht, dass Stürzenberger und seine Unterstützer ihre Parolen bisher ungestört verbreiten können. Jeder ihrer zahlreichen Infostände, bei denen nach Angaben der Aktivisten bislang mehr als 23.000 Unterschriften zusammenkamen, löst eine Gegendemonstration aus. Muslime und Linke sind besonders wütend über die Hetzparolen, die Stürzenberger auf offener Straße verbreitet. Die Grüne Jugend denkt sich fast immer eine Gegenaktion aus, auch der CSU-Stadtrat Marian Offman protestiert regelmäßig gegen die "Freiheit".

Politische Debatten im Rathaus? Fehlanzeige

Auffällig ist jedoch, dass die demokratischen Parteien kaum präsent sind. Politische Debatten im Rathaus? Fehlanzeige. Dabei hält Oberbürgermeister Christian Ude den früheren CSU-Sprecher Stürzenberger für einen "Hassprediger". Rechtspopulisten, so der OB, seien derzeit "die gefährlichste Variante im rechten Spektrum". Nur: Im Rathaus sei das Moschee-Projekt aktuell nicht spruchreif - es gibt weder eine Finanzierung noch konkrete Planungen. Und daher auch keinen Punkt auf der Tagesordnung.

Ude hält den derzeit eingeschlagenen Weg für richtig. "Wir gehen sehr offensiv mit dem Thema um", beteuert er. Immerhin gebe es zahlreiche Veranstaltungen und Aufklärungskampagnen. Man dürfe eines nicht vergessen: Die Stadt sei nicht Bauherr der Moschee und habe auch nicht die Aufgabe, das Projekt einer Glaubensgemeinschaft zu ihrem zu machen. Auch Ude ist jedoch überzeugt, dass sich die Situation verändert, wenn Stürzenberger erst einmal seine Unterschriften beisammen hat. Dann werde man alle Möglichkeiten ausschöpfen, die zur Verfügung stehen.

Totschweigen und hoffen

Im Rathaus gibt es durchaus Politiker, die die "Freiheit" ganz totschweigen wollen und lieber nach rechtlichen Fehlern des Bürgerbegehrens suchen, um die Anti-Ziem-Abstimmung zur Not auf juristischem Weg verhindern zu können. Ob das möglich wäre, vermag derzeit niemand sicher zu sagen.

"Aber die Frage ist auch, ob man das auf formalem Weg zum Scheitern bringen will", sagt Micky Wenngatz, die Vorsitzende der Vereins "München ist bunt". Die SPD-Politikerin, die selbst nicht dem Stadtrat angehört, will auf ein anderes Ziel zuarbeiten: "Stürzenberger darf die Unterschriften gar nicht bekommen", meint sie. Wenngatz setzt auf Aufklärung und hat dabei Marian Offman ganz auf ihrer Seite. "Die Demonstrationen gegen die Infostände sind ein probates Mittel", meint der CSU-Politiker. "So können die pro Stunde höchstens vier oder fünf Unterschriften sammeln." Doch Offman wünscht sich dabei mehr Unterstützung, vor allem aus der Mitte der Gesellschaft: "Wir müssen noch deutlicher sagen, dass Stürzenberger ganz am rechten Rand fischt und in übler Art gegen die Religionsfreiheit hetzt."

Grünen-Fraktionschef Florian Roth sieht das ähnlich, auch er fordert mehr Information, damit die Menschen der "Freiheit" gar nicht erst ihre Unterschrift geben. Die bei OB Ude angesiedelte Fachstelle gegen Rechtsextremismus hat daher bereits ein Flugblatt veröffentlicht, auf dem sie warnt, dass das Bürgerbegehren von einer Gruppe durchgeführt wird, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Doch schon damit lehnt sich die Stadtverwaltung, die zur Neutralität verpflichtet ist, weit aus dem Fenster. Parteien haben da einen ganz anderen Spielraum.

Neues Motto: "Tragen Sie sich aus"

Roth regt zum Beispiel eine Kampagne an unter dem Motto "Tragen Sie sich aus", die er am liebsten im Konsens mit den anderen Parteien starten würde. Tatsächlich ist es möglich, eine bereits geleistete Unterschrift für ein Bürgerbegehren wieder zurückzuziehen. "Darüber wollen wir aufklären", kündigt Roth an. Und dann gibt es natürlich auch noch das direkte Kontra: ein Ratsbegehren. FDP-Fraktionschef Michael Mattar will auch diesen Schritt in die Überlegungen miteinbeziehen. Allerdings müsse das Ganze wohlüberlegt sein - schließlich gelte Trennung von Staat und Religion.

Für Roth geht es bei der Unterschriftensammlung der "Freiheit" um mehr als ein Bürgerbegehren: "Es geht vor allem um Aufmerksamkeit für die Stadtratswahl." Das sieht auch Dominik Krause von der Grünen Jugend so. Er hat ein Strategiepapier von Rechtspopulisten in Köln gefunden, in dem detailliert ausgeführt wird, wie der Adressbestand aus Unterschriftenlisten für Kommunal- oder Landtagswahlen genutzt werden kann.

Auch in München könnte die "Freiheit" sich die Kontakte zu Nutzen machen, denn um bei der Kommunalwahl antreten zu dürfen, muss jede neue Gruppierung 1000 Unterschriften einreichen. Ob man das Bürgerbegehren juristisch stoppen kann oder nicht, ist für Krause deshalb nicht die entscheidende Frage. "Die rechte Strategie, so in der Münchner Kommunalpolitik Fuß zu fassen, kann man damit nicht aufhalten."

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