Rechtsextremismus:"Identitäre Bewegung" knüpft rechtes Netzwerk in München

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(Foto: Florian Peljak)
  • Die "Identitäre Bewegung" (IB) arbeitet offen mit der Studentenschaft Danubia zusammen, die als rechtsextremistisch eingestuft ist und - ebenso wie die IB - vom Verfassungsschutz überwacht wird.
  • Auch Kontakte zu anderen rechten Gruppierungen bestehen. Verfassungsschützer, Polizei und Extremismus-Experten sehen das mit Sorge

Von Martin Bernstein

Die extrem rechte, völkisch ausgerichtete "Identitäre Bewegung" (IB) verstärkt ihre Aktivitäten in München. Und sie knüpft enge Kontakte zu anderen rechten Organisationen, unter anderem zu der ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachteten Aktivitas der Burschenschaft Danubia. Verfassungsschützer, Polizei und Extremismus-Experten sehen das mit Sorge. Jüngstes Beispiel: In der Nacht vom 2. auf den 3. August wurden in Schwabing Hausmauern, Verkehrsschilder, Gehsteige und ein Stromkasten der Stadtwerke mit dem IB-Logo besprüht sowie mit zahlreichen Parolen in Gelb und Schwarz, den Kennfarben der IB.

Das für politisch rechts motivierte Kriminalität zuständige Kommissariat der Münchner Polizei ermittelt. Es spricht von zehn Anzeigen, eine davon wegen eines Staatsschutzdeliktes, dem Vernehmen nach ein Hakenkreuz, die übrigen wegen Sachbeschädigung. Nach Schätzungen dürfte der Schaden mehrere tausend Euro betragen.

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"Ganz Schwabing war vollgeschmiert", sagte ein Polizeisprecher. Außerdem wurden IB-Aufkleber angebracht mit Parolen wie "Islamisierung? Flagge zeigen dagegen!", "Europa, Jugend, Reconquista!" und "Wehr Dich gegen den großen Austausch". Betroffen waren Ungerer-, Fuchs-, Germania- und Potsdamer Straße nördlich der Münchner Freiheit.

An der Potsdamer Straße steht eine Villa, die jüngst von der Burschenschaft Danubia gekauft worden ist. Deren aktive Studentenschaft wird vom bayerischen Verfassungsschutz als rechtsextremistische Organisation geführt. Die örtliche Nähe - ein Zufall? Eher nicht. Kurz vor den Schmierereien sind die Danuben in der Potsdamer Straße 1a eingezogen; ihr Logo taucht auch im Zusammenhang mit den IB-Schmierereien auf.

Auf Nachfrage bestätigt die Danubia nur, es gebe Kontakte zur IB; "zu näheren Auskünften" sei man nicht bereit. Für Marcus Buschmüller von der Fach- und Informationsstelle gegen Rechtsextremismus ist es "verwunderlich", dass die vom Verfassungsschutz beobachteten Gruppen ihre Gemeinsamkeiten so offen zur Schau stellen. Auf Facebook verbreitet die Burschenschaft - unterstützt von der IB -, die Schmierereien seien das Werk linker Provokateure, um der Danubia zu schaden. Die Polizei hält Aktionen unter falscher Flagge ebenso für möglich wie rechte Urheber.

So oder so nimmt die Konfrontation zwischen Linken und Rechten zu: Am Mittwoch tauchten Antifa-Aufkleber an der Tür der Danuben-Villa und eine Nacht später entsprechende Flugblätter im Umfeld auf. "Defend Munich!", schrieb danach auf Facebook Sebastian Zeilinger, der sich stets bayerntümelnd gebende Landeschef der Identitären aus Stein an der Traun. Antwort der Danubia: "Gemeinsam!"

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Wirklich neu sind die engen Kontakte zwischen Burschenschaftlern und Identitären keineswegs. "Die Aktivitas der Burschenschaft Danubia sucht regelmäßig Kontakt zur IB", bestätigt Markus Schäfert vom Landesamt für Verfassungsschutz. Seine Behörde beobachtet die IB seit Jahresbeginn. Hintergrund sind deren "starke Nähe zum biologistischen Denken und der völkischen Ideologie von Rechtsextremisten" sowie "personelle Verflechtungen mit rechtsextremistischen Parteien und Gruppierungen im In- und Ausland".

Im sozialen Netzwerk Facebook verlinkte nach Schäferts Angaben die Aktivitas der Burschenschaft Danubia wiederholt Beiträge der IB und informierte über ihre Beteiligung an deren Aktionen. So warb die Münchner Burschenschaft am 27. Februar für die Teilnahme an der Kundgebung "Wir sind Grenze" in Freilassing. Deren Teilnehmer kamen laut Verfassungsschutz nicht nur aus der IB, sondern auch aus dem Umfeld der NPD, der rechtsextremen Partei Der Dritte Weg und der Neonazi-Kameradschaft Berchtesgadener Land.

Für das Internetportal "Jugendmut", das Werbung für die IB betreibt, ist die Danubia als presserechtlich verantwortlich genannt. Man bediene sich "in den Schatzkammern unserer Geschichte", schreibt ein Jugendmut-Autor: "Hier rüsten wir uns. Wir bewaffnen uns. Hier bauen wir unseren Staat." Es sei "erklärtes Ziel, unser Heil im Angriff zu suchen". Am Tag des Münchner Amoklaufs schrieb ein Jugendmut-Autor auf Facebook: "Der Terror hat München erreicht. Jetzt gilt es!"

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Zwei Tage später wurde auf der Facebook-Seite das Bild eines am Boden liegenden, blutüberströmten, arabisch aussehenden Mannes gepostet, der von einem bewaffneten Mann mit dem Fuß niedergehalten wurde - unter der zynischen Überschrift: "Remigration". Am selben Tag besprühten und beklebten IB-Aktivisten Hauswände im Westend und in Englschalking mit Parolen.

Eine Woche später, als die Münchner der Opfer des Amoklaufs gedachten, versammelte die IB etwa 40 Anhänger vor der Staatskanzlei und behauptete anschließend von sich: "Wir sind die laute patriotische Jugend." Versammlungsleiter war nach Informationen der Fach- und Informationsstelle gegen Rechtsextremismus ein Danubia-Mann. Das Motto auch diesmal: "Remigration!"

Enge Kontakte pflegt die IB auch zu anderen rechten Gruppen. Etwa zur AfD, bei deren Kundgebung in Geretsried IB-Aktivisten von Landeschef Petr Bystron begrüßt wurden, und zur Münchner Pegida. Der aus Dortmund stammende Neonazi Lukas B. etwa betätigt sich ebenso als Pegida-Ordner wie als Flugblattverteiler für die IB und twittert für Jugendmut. Am IB-Stammtisch in München sitzen außerdem Mitglieder der rechten "Brigade Giesing". Man kennt sich: Die Löwen-Hooligans sind ebenso Dauergäste bei der vom Verfassungsschutz beobachteten Pegida wie die IB-Aktivisten mit ihren Transparenten.

"Die Identitäre Bewegung ist eine rechtsextreme Gruppierung", sagt die Münchner Grünen-Abgeordnete Katharina Schulze, die das Thema bereits in den Landtag getragen hat. "Sie sind keine harmlose Jugendgruppe. Sie unterscheiden sich nicht von anderen Rechtsextremen im Bezug auf ihr Menschenbild - sie verpacken es nur neu."

© SZ vom 13.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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