Rechtsextremer Stadtrat Richter:Dieses Mal ohne Hitlergruß

"Ich habe überlegt, ob ich ein Winkelmaß mitbringen soll": Der rechtsextreme Münchner Stadtrat Karl Richter ist unter Protesten noch einmal vereidigt worden.

Sarina Pfauth

Er? Hitlergruß? "Selbstverständlich habe ich keinen Hitlergruß gezeigt", sagt Karl Richter in seinem Statement vor der zweiten Vereidigung zum Stadtrat. Dass die versammelten Stadträte genau diese Bewegung aber live gesehen haben, dass Kameras den Gruß festgehalten haben, dass Richter rechtskräftig verurteilt wurde für diese Tat - all das stört ihn dabei überhaupt nicht.

Rechtsextremer Stadtrat Richter: Sehr gerade, sehr unmissverständlich: Der rechtsextreme Stadtrat Karl Richter legt im Rathaus seinen Amtseid erneut ab.

Sehr gerade, sehr unmissverständlich: Der rechtsextreme Stadtrat Karl Richter legt im Rathaus seinen Amtseid erneut ab.

(Foto: Foto: ddp)

Es ist Mittwochmorgen, neun Uhr, der Beginn eines langen Sitzungstages im Münchner Stadtrat. Gleich zu Beginn soll die Vereidigung des rechtsextremen Stadtrats nachgeholt werden. Seine erste Eidesleistung nach der Wahl im Mai 2008 war vom Ältestenrat in Absprache mit der Regierung von Oberbayern als "nicht wirksam" beurteilt worden, da der für die Bürgerinitiative Ausländerstopp in den Münchner Stadtrat gewählte Richter "bei seiner Vereidigung auf die Rechtsordnung gleichzeitig eine gegen diese Rechtsordnung insgesamt gerichtete Straftat begangen habe", wie Regierungspräsident Christoph Hillenbrand der SZ erklärte. In Kurzform: Er hatte die Hand zum Hitlergruß statt zum Eid erhoben.

Boulevard-Blatt im Täschchen

Ganz vorne in der Schlange vor der noch geschlossenen Zuschauertribüne im Sitzungssaal des Rathauses steht ein junger Mann mit sehr akkurat geschnittener Kurzhaarfrisur. Er trägt ein Hemd mit schwarz-braunen Karos. "Ich grüße dich", sagt er zu einem Mann, der schwitzend in den Vorraum stürzt und sich dann einfach vorne anstellt. Steif reichen sie sich die Hände. Die anderen Besucher der öffentlichen Sitzung mustern die beiden Männer und die kleine Gruppe, die sich um sie geschart hat. Es ist der Fanklub des rechtsextremen Stadtrats Karl Richter, der sich hier getroffen hat. Es sind Münchner Neonazis.

Die Türen öffnen sich. Der junge Mann im Karohemd stürmt in die erste Reihe, von dort hat er den besten Blick. Neben ihn setzt sich eine vielleicht 20-jährige Frau, gelbes T-Shirt, schwarzgefärbte Haare, Oberarmtattoo, ein Boulevard-Blatt im Handtäschchen. Die beiden tuscheln.

Unterhalb der Zuschauertribüne, im Sitzungssaal, meldet sich der Oberbürgermeister zu Wort. Christian Ude findet klare Worte, um seine Haltung gegenüber Karl Richter zu beschreiben: Richters Tat stoße auf "einhellige Abscheu" im Stadtrat. Karl Richter habe sich durch seine Tat selbst ausgegrenzt aus der demokratischen Gemeinschaft. Er müsse nun die strafrechtlichen Folgen tragen: "Die Tat bleibt nicht ungesühnt!"

Trotzdem will er - und die Mehrheit des Stadtrates mit ihm - es dem Rechtsextremen nicht verweigern, die Eidesleistung nachzuholen. Der Stadtrat wolle nicht das Risiko eingehen, Richter zur Publizität eines mehrjährigen Rechtsstreites zu verhelfen. "Es geht nicht darum, einem Rechtsextremisten eine zweite Chance zu geben", verteidigt Ude seine Auffassung: "Niemand im Stadtrat ist bereit, einem rechtsextremen Agitator überhaupt eine Chance zu geben!" Vielmehr sei die Nachholung eine rechtliche Verpflichtung. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, "die Stadtratsmehrheit habe demokratische Grundregeln verletzt und der rechtsextreme Provokateur habe recht bekommen", sagt Ude.

"Halt die Schnauze!"

Die Grünen sind anderer Ansicht. Sie drängten in den vergangenen Wochen auf einen Ausschluss des NPD-Manns und tun es an diesem Morgen noch einmal: "Karl Richter hat den Verfassungseid zum Meineid verkommen lassen!" Der grüne Fraktionschef Siegfried Benker ist der Auffassung, dass Richter mit dem Hitlergruß im Augenblick der Eidesleistung eine vorsätzliche Straftat begangen und damit seinen Amtseid verweigert habe. Die Grünen seien bereit, das juristische Risiko einzugehen: "Wo wir die Chance haben, einen Neonazi als Stadtrat zu entfernen, nehmen wir sie auch wahr!"

Auf der Zuschauertribüne wird geklatscht, einige rufen Zustimmungsbekundungen in den Saal. Der junge Mann im schwarz-braun-karierten Hemd fährt herum: "Idiot da oben! Halt die Schnauze!"

Wie Richter die Hand hebt

Unten im Saal erklärt Benker weiter, dass die Grünen der Vereidigung trotzdem beiwohnen wollen. Denn eine Spaltung der Demokraten im Stadtrat "empfinden wir als falsch."

Dann hat Richter seinen Auftritt. Er geht ans Mikro und räuspert sich. Dann legt er seine Sicht der Dinge zur "Dauer-Kasperrade um meinen Hitlergruß", wie er es nennt, dar. "Ich erkläre noch mal zum Mitschreiben", sagt er in seiner Rede, "ich habe letztes Jahr einen rechtsgültigen Eid geleistet, ich erkläre, dass ich selbstverständlich keinen Hitlergruß gezeigt habe." Wer etwas anderes behaupte, versuche unter "fadenscheinigsten Vorwänden" eine ungeliebte politische Konkurrenz anzugreifen.

"Dem Stadtrat ans Herz gewachsen"

Der NPD-Funktionär Richter stellt sich bei seinem Auftritt als eine Mischung aus verfolgter Unschuld und fleißigem Stadtrat hin. "Mir ist der Stadtrat ans Herz gewachsen", sagt er, und auch er müsse dem Stadtrat nach diesen ersten 14 Monaten "ganz schön ans Herz gewachsen sein." Er freue sich auf die nächsten Jahre in seinem Amt und wolle sie durch "konstruktive, bürgernahe Zusammenarbeit bereichern". Seine Sätze klingen zynisch in den Ohren der Demokraten im Raum. Richter sagt, er habe sich überlegt, "ob ich mit einem großen Winkelmaß kommen soll", sagt er - damit gemessen werden könne, ob die Armhaltung dieses Mal in Ordnung sei. Dass er den Eid noch einmal ablegen dürfe, empfinde er als "menschlich anrührend".

Nach einem Beitrag der Linken-Stadträtin Brigitte Wolf soll nun der Eid kommen. Und jetzt hat der Stadtrat eine Überraschung vorbereitet: Christian Ude möchte noch eine persönliche Erklärung abgeben. Als der Oberbürgermeister die Worte "Wir stehen auf für Demokratie und Rechtsstaat" spricht, erheben sich die Mitglieder aller Fraktionen zusammen mit ihm. So verweigerten die Stadträte Richter die eigentlich übliche Geste des Respekts - sie stehen schon, als er den Eid ablegt. "Wir stehen auf gegen die rechtsextreme NPD", sagt Ude und dann: "Bitte, Herr Richter."

Richter hebt die Hand. Er spricht Ude den Eid nach. Auf der Zuschauertribüne ist davon nur wenig zu hören, weil viele Besucher den Raum aus Protest verlassen - und sie geben sich keine große Mühe, das geräuschlos zu tun. Aber man kann Richters Arm sehen, den er sehr gerade, diesmal unmissverständlich hält. Oder, wie es der junge Richter-Anhänger im Karohemd auf der Zuschauerbühne beschreibt: "Extra stramm".

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: