Rechtsextremer Stadtrat:Der Mann ohne Büro

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Harte Linie: Der Stadtrat will sich vom einsamen rechten Abgeordneten nicht vorführen lassen und versucht ihm das Leben zu erschweren - zum Beispiel durch den Entzug eines Büros.

Jan Bielicki

Es hat nicht lange gedauert, bis der neue Stadtrat den befürchteten Eklat auslöste. Bereits wenige Tage nach seiner Vereidigung prüft nun die Staatsanwaltschaft München, ob sie gegen Karl Richter Ermittlungen einleitet - wegen dessen allererster öffentlicher Amtshandlung.

Mit diesem Wapperl empfingen die Grünen den rechtsextremen Stadtrat. (Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Als der Rechtsextremist im Alten Rathaus seinen Amtseid leistete, hatte er die rechte Hand nicht wie üblich zum Schwur gehoben, sondern sie abgewinkelt nach vorne gereckt. Für viele Beobachter sah das aus wie ein schlampig ausgeführter Hitlergruß. In dieser Grußform sieht das Strafgesetzbuch eine "Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen". Eine solche Geste wäre zu bestrafen.

Richters Auftritt und eine Flut provokativer Anfragen haben die Debatte darüber wieder angeheizt, wie der Stadtrat denn nun mit dem mit 1,3 Prozent der Wählerstimmen ins Rathaus gewählten Rechtsaußen umgehen soll. "Ich bedaure sehr, dass er mit seiner Strategie der begrenzten Regelverletzung die von ihm gewünschte Publizität erreicht hat", sagte Oberbürgermeister Christian Ude. Der Rechtsextremist versuche offensichtlich, "immer hart an der Schmerzgrenze entlang" zu provozieren, glaubt der OB und setzt darauf, Richter weitgehend zu ignorieren, "außer, wenn er die Grenze überzieht: Dann werden wir ihn politisch und strafrechtlich stellen müssen".

"Appeasement hilft uns nicht weiter"

Dagegen warnt der CSU-Stadtrat Marian Offman davor, den Rechtsextremisten zu ignorieren. "Appeasement hilft uns nicht weiter", erinnert Offman, der stellvertretender Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde ist, an die zurückhaltende Politik der Westmächte gegenüber Nazi-Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg. "Wenn jemand Antisemitismus Vorschub leistet, muss ich etwas dagegen sagen", sagt der CSU-Mann.

Tatsächlich stehen dem Stadtrat einige Instrumente zur Verfügung, um sich gegen groben Missbrauch des Mandats für rechtsextreme Propaganda zu wehren. Nicht nur genießen die ehrenamtlichen Ratsmitglieder, anders als Abgeordnete von Landtagen und Bundestag, keine Immunität und können für ihr Tun strafrechtlich belangt werden.

Die bayerische Gemeindeordnung erlaubt dem Oberbürgermeister auch ausdrücklich, "Mitglieder, welche die Ordnung fortgesetzt erheblich stören, von der Sitzung ausschließen" - im Wiederholungsfall sogar von zwei weiteren Sitzungen. In München müssen sich Räte, die das Ansehen des Stadtparlaments "gröblich schädigen", so die Geschäftsordnung, vor dem Ältestenrat verantworten. Dieses Gremium empfiehlt dann eine Missbilligung oder gar einen zeitweiligen Ausschluss dieses Mitglieds von Sitzungen.

Büroentzug trifft allein den Rechtsextremisten

Verschärft hat der Stadtrat in seiner neuen Geschäftsordnung, die er sich in seiner ersten Sitzung am Freitag gab, auch die Bestimmungen über Anfragen und Anträge. Der OB kann sie zurückweisen, wenn sie "nach Form und Inhalt einen Missbrauch des Antrags- oder Fragerechts darstellen". Ob ein Stadtrat seine Rechte missbraucht, entscheidet der Ältestenrat mit Vierfünftel-Mehrheit. OB Ude hat nach eigenen Angaben bereits einen Antrag Richters nicht angenommen - wegen einer beleidigenden Äußerung darin, die der Antragsteller aber prompt korrigiert habe.

Auch die Regeln über die Verteilung von Büros und städtischem Geld will der Stadtrat verändern - offensichtlich, um zu verhindern, dass die Stadt ungewollt rechtsextreme Aktivitäten finanziert. So sollen Einzelstadträte künftig kein Büro mehr im Rathaus erhalten, außer sie schließen sich zu einer Ausschussgemeinschaft zusammen. Das haben die Vertreter von ÖDP, Freien Wählern und Bayernpartei getan.

Damit trifft der Büroentzug allein den Rechtsextremisten - obwohl die Stadtverwaltung bereits ein Büro für Richter gefunden hatte, ohne Nachbarn und mit Fenstern nur auf einen Innenhof. Richter wird auch nur 7840 Euro jährlich von der Stadt für die Bezahlung von Mitarbeitern erhalten, und das auch nur, wenn polizeiliche Führungszeugnisse dieser Mitarbeiter keine erheblichen Vorstrafen aufweisen. Damit möchte die Stadt verhindern, etwa den vorbestraften NPD-Kader Norman Bordin als Mitarbeiter Richters bezahlen zu müssen.

Klage mit Hilfe eines vorbestraften Anwalts aus der rechtsextremen Szene

Bisher bekamen Einzelstadträte eine doppelt so hohe Aufwandspauschale - und wer einer Ausschussgemeinschaft angehört, bekommt immer noch 15.680 Euro pro Ratssitz im Jahr. Wer nicht in den Ausschüssen vertreten sei, begründet die Stadt den Unterschied, habe auch "keinen vergleichbaren Aufwand" für die Vor- und Nachbereitung der Ratssitzungen.

Auf der Internetseite seiner NPD-Tarnliste "Bürgerinitiative Ausländerstopp" kündigte Richter Klage gegen den Entzug von Büro und die Halbierung der Entschädigungspauschale an. Vertreten wird er dabei von dem Hamburger Rechtsanwalt Jürgen Rieger, einer mehrfach vorbestraften Hauptfigur der rechtsextremen Szene. Ude glaubt sich jedoch rechtlich auf der sicheren Seite und hat die Änderungen mit der Regierung von Oberbayern abgestimmt.

Erfahrungen aus Nürnberg, wo der bayerische NPD-Vorsitzende Ralf Ollert seit 2002 im Rat sitzt, kann Ude nicht nutzen. Dort hat ohnehin kein Einzelstadtrat Anspruch auf Büro oder Mitarbeiterpauschale. Ordnungsmaßnahmen waren bisher auch nicht notwendig. Der Extremist Ollert, so heißt es aus dem Rat, "tarnt sich als braver Biedermann".

© SZ vom 07.05.2008/af - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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