Rechte bedrohen evangelische Pfarrerin:Briefe voller Hass

Kanzelrede Imam Idriz

Pfarrerin Beate Frankenberger und der Penzberger Imam Benjamin Idriz (r.) in der St.-Lukas-Kirche.

(Foto: Jakob Berr)

In mehr als 200 E-Mails wird Beate Frankenberger bedroht und beleidigt. Die Pfarrerin der evangelischen St.-Lukas-Kirche in München hatte Imam Benjamin Idriz zu einer Kanzelrede eingeladen. Sie wehrt sich gegen die Kampagne - und könnte damit Erfolg haben.

Von Elisa Holz und Silke Lode

Eine solche Reaktion bekommt Beate Frankenberger selten auf einen Gottesdienst. Mehr als 200 Mails haben die Pfarrerin der St.-Lukas-Kirche seit Anfang März erreicht. Es ist kein freundliches Feedback, das Frankenberger da bekommt, die meisten Zuschriften sind voller Hass. Seit sie den Penzberger Imam Benjamin Idriz zu einer Kanzelrede am 10. März in ihre evangelische Kirche eingeladen hat, haben rechte und christlich-fundamentalistische Kreise sie ins Visier genommen.

"So etwas habe ich noch nie erlebt", erzählt die Pfarrerin. Damit meint sie die Flut an Mails, aber auch die Umstände, unter denen der Gottesdienst gefeiert werden musste. Staatsschutz und Polizei waren angesichts der Drohungen im Vorfeld angerückt, und tatsächlich versuchte eine Gruppe radikaler Islamkritiker, die Veranstaltung zu stören. "Mich erschüttert, wie hier Recht verdreht wird", sagt Frankenberger. "Es wird so getan, als wäre es ein Skandal, dass wir den Imam einladen. Ich finde, der Skandal ist, dass wir Polizeischutz brauchten, um den Gottesdienst zu halten."

Hassmails bekommt Frankenberger fast drei Wochen später noch immer, aus ganz Deutschland. Für die Münchner Staatsanwaltschaft ist das kein neues Phänomen. "Wir bekommen hier täglich Mails mit volksverhetzenden Inhalten auf den Tisch, schon seit Jahren", sagt Staatsanwalt Thomas Steinkraus-Koch. Doch offenbar gibt es immer wieder Gruppierungen, die diese Methode neu für sich entdecken.

In München tut sich seit einigen Monaten die rechtspopulistische Partei "Die Freiheit" unter ihrem Landesvorsitzenden Michael Stürzenberger und deren Umfeld beim gezielten Erzeugen solcher Mail-Fluten besonders hervor. Sie verlaufen immer nach dem gleichen Muster: Wer sich öffentlich gegen Rechtsextremismus wendet und sich für eine offene, tolerante Stadtgesellschaft oder für interreligiösen Dialog engagiert, wird zur Zielscheibe.

Auf einschlägigen Blogs oder Internetseiten werden die Betroffenen angeprangert, oft mit Bild. Neben Beruf, Amt und Funktion wird die Mail-Adresse veröffentlicht. Stürzenberger, der regelmäßig auf dem Internetblog "Politically Incorrect" (PI) schreibt, hat dort die Adressen von Politikern, Wissenschaftlern, religiösen Vertretern oder der Polizei veröffentlicht, gerne garniert mit dem Hinweis, die Mails in Kopie an mehrere Adressaten zu schicken.

Michael Stürzenberger von "Die Freiheit" bei der Demonstration am 10. März 2013.

Michael Stürzenberger von "Die Freiheit" bei der Demonstration am 10. März 2013.

(Foto: Robert Haas)

Die Staatsanwaltschaft München I hat gerade von der Stadt ein ganzes Paket mit besonders wüsten Hassmails bekommen. "Wir prüfen nun, ob die Inhalte strafrechtlich relevant sind und ob wir nachvollziehen können, wer die Absender sind", sagt Steinkraus-Koch. Häufig fällt das den Staatsanwälten schwer - zum einen, weil die Meinungsfreiheit in Deutschland sehr weitreichend ist, zum anderen, weil bei elektronischem Schriftverkehr der Absender nicht immer ermittelt werden kann. "Wir landen aber immer wieder einen Treffer", sagt Steinkraus-Koch und weist auf die Folgen hin: "Wenn der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist, gibt es mindestens eine dreimonatige Freiheitsstrafe."

Stürzenberger filmt FDP-Mann gegen dessen Willen

Einen juristischen Erfolg gegen die Methoden der "Freiheit" hat der FDP-Politiker Dieter Rippel bereits erzielt. Er sitzt für die Liberalen im Bezirksausschuss (BA) Haidhausen. Gerade BA-Vertreter sind neuerdings Ziel von Hassmail-Kampagnen, weil sie in ihren Vierteln gegen die Infostände der "Freiheit" protestieren und sich mit eigenen Beauftragten gegen Rechtsextremismus klar positionieren. Fast jedes Wochenende gehen Anhänger der "Freiheit" gegen Pläne für ein islamisches Zentrum (Ziem) in München auf die Straße.

"Freiheit"-Chef Stürzenberger hat den FDP-Politiker an einem der Infostände gefilmt. Ohne Rippels Wissen und ohne sein Einverständnis. Auch Fotos haben die Unterstützer der "Freiheit" von den Gegendemonstranten gemacht - wie so oft. Das Video landete als "Interview" im Internet, auf "Politically Incorrect" hat Stürzenberger es diffamierend kommentiert und Fotos von Rippel dazugestellt. "Das muss sich kein Mensch gefallen lassen", meint Rippel.

Beim Landgericht München I hat er eine Unterlassungsklage gegen Stürzenberger eingereicht. Mit Erfolg: Das Gericht hat eine einstweilige Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes von 250.000 Euro erlassen, das Video und die Fotos dürfen nicht mehr verbreitet werden. Die Richter argumentieren mit dem Presserecht: Der Film zeige, anders als von Stürzenberger angekündigt, kein Interview. "Der Antragsteller wird vielmehr derart mit Gegenstatements überzogen, dass er nicht mehr die Rolle eines Befragten inne hat, sondern nur noch einer Rechtfertigungssituation ausgesetzt ist", schreiben die Richter in ihrer Begründung.

Vertreter aller Parteien sind betroffen

Auch beim Kreisverwaltungsreferat (KVR) ist bekannt, dass es an den Infoständen der "Freiheit" immer wieder Probleme gibt. Auf dem PI-Blog werden Fotos von Gegendemonstranten veröffentlicht, was von den Betroffenen als Einschüchterungsversuch verstanden wird. Eine noch deutlichere Botschaft hat der SPD-Politiker Florian Post per Mail bekommen: "Sie werden Euch und alle Schwulen, Lesben und sonstige Parasiten abschaffen, nachdem solche Figuren wie Du es bist das eigene Volk verraten und abgeschafft haben", schreibt da jemand und stellt ein Bild von Post dazu, das an einem der Infostände aufgenommen wurde und auf PI veröffentlicht ist. Inzwischen hat das KVR ein Porträt-Aufnahmen-Verbot an den Infoständen verhängt und liefert sich mit den Veranstaltern darüber einen weiteren Streit vor Gericht.

Gewaltdrohungen bekommt auch CSU-Stadtrat Marian Offman immer wieder per Mail. Ein anonymer Schreiber erklärt ihm zum Beispiel, er würde ihm die "verlogene Fresse einschlagen", wenn seine Kinder "in einer deutschen muslimischen Stadt" leben müssten. Manfred Krönauer, FDP-Vertreter im BA Bogenhausen, hat auf einem obskuren islamfeindlichen Blog sein Foto entdeckt, das ursprünglich Stürzenberger ins Netz gestellt hatte. Irgendwer hat das Bild bearbeitet, hinter Krönauers Rücken lodern nun Flammen auf, und unter seinem Foto läuft die Endlosschleife einer Filmszene, in der ein Mann ein Gewehr anlegt und schießt.

Auch Imam Benjamin Idriz bekommt regelmäßig Drohungen aller Art. "Manchmal habe ich ein schlechtes Gefühl, was die Sicherheit meiner Familie betrifft", sagt Idriz. Besonders krasse Vorfälle meldet er der Polizei. "Angesichts solcher Hetzparolen erwarte ich ein klares Signal vom Verfassungsschutz."

Doch der beobachtet Gruppen wie die "Freiheit" oder das PI-Blog nach wie vor nicht offiziell. Auf Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Florian Ritter hat Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nun allerdings bestätigt, dass der Verfassungsschutz intensiv prüfe, ob "hinreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen" und damit für eine Beobachtung vorliegen.

Für Pfarrerin Frankenberger sind solche Auswüchse der Debatte über den Islam längst nicht nur eine Sache für Gerichte und Behörden: "Die Reaktionen sind zum Teil pathologisch. So, wie die Diskussion geführt wird, hat die ganze Gesellschaft ein Problem."

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