Reaktionen in der Residenz:"Der Tenor war: um Himmels Willen"

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Eigentlich ist der Deutsch-Amerikanische Frauenclub unpolitisch - doch beim diesjährigen Silbertee reden alle über Trump

Von Martina Scherf, München

Rein äußerlich ist alles wie immer: Kronleuchter erhellen den Kaisersaal der Residenz, die Luft ist erfüllt vom Klirren der Silberlöffel im feinen Porzellan. Stimmengewirr schwingt durch die Luft. Das Sternenbanner steht eng verbunden neben Schwarz-Rot-Gold und Bayernfahne. Tradition verpflichtet. Zum 67. Mal hat der Deutsch-Amerikanische Frauenclub München zum Silbertee geladen, ein geselliger Abend zu wohltätigen Zwecken. Doch als an diesem 9. November die amerikanische Nationalhymne ertönt und mit einem Schlag Stille im Saal herrscht - da werden die Gesichter der Festgesellschaft doch ungewöhnlich ernst.

"Wir haben seit heute Morgen natürlich nur ein Thema", sagt Ulrike Kellner, die Präsidentin des Frauenclubs: Donald Trump. Seit sieben Uhr morgens haben die Damen in drei Schichten in der Residenzküche gekocht und geschnibbelt, 4000 Schnittchen geschmiert, Plätzchen gebacken, das Silber poliert. Und dabei über die Wahl diskutiert. "Der Tenor war: Um Himmels willen, was passiert jetzt?", sagt Kellner. "Dieser Mann ist ja nicht berechenbar." Der Frauenclub sei grundsätzlich nicht politisch, aber die aufgewühlte Stimmung unter Amerikanern und Amerika-Freunden habe natürlich heftige Diskussionen ausgelöst. Es gebe selbstverständlich auch Trump-Befürworterinnen unter den Mitgliedern, sagt Kellner, "aber wir gehen respektvoll miteinander um". Kellner ist beruflich und privat oft in den USA, ihre Kinder leben beide dort, sie hätten gleich in der Früh besorgte Mails nach Hause geschickt.

Die Silbertabletts mit den feinen Kanapees sind inzwischen akkurat angeordnet, Kerzen brennen auf der festlich gedeckten Tafel. Seit 1949 machen die Frauen das so. Der damalige Generalkonsul Sam Woods wollte ein Zeichen für die deutsch-amerikanische Freundschaft setzen. Offiziersfrauen unterstützten ihn. Heute hat der Club mehr als 200 Mitglieder. Die jährlichen Treffen dienen dem Netzwerken und wohltätigen Zwecken.

Mehr als 800 Ehrengäste scharen sich um das lange Buffet. Ingeborg von Wrede-Lanz, Ursula von Bayern gehören zu den Stammgästen. Ein paar Männer sind ebenfalls dabei: mehrere Konsuln und Ulrich Dornseifer, Präsident des deutsch-amerikanischen Herrenclubs. Das Entsetzen ist auch bei den meisten Gästen groß. "Es ist furchtbar", sagen Gisela Rampp und Karola Kuc unisono. Die beiden Witwen mit Goldkette und im schwarzen Kostüm nippen an ihrem Tee und wirken betrübt. "Wir hätten uns so sehr endlich eine Frau gewünscht." Sie habe die ganze Nacht überhaupt nicht schlafen können, ergänzt Kuc. Alle ihre Freunde und Bekannten hätten Hillary gewählt. Besonders gefragt ist an diesem Abend Jennifer Gavito, die US-Generalkonsulin. Sie hat sich, wie so viele, die Nacht um die Ohren geschlagen. Zuerst bei einer Podiumsdiskussion in Regensburg, dann bei der Wahlparty im Maximilianeum. Alle wollen von ihr hören, wie es jetzt weiter geht. Doch man dürfe bitte keine tief schürfende Wahlanalyse erwarten, wehrt Gavito ab: "Die amerikanischen Wähler haben entschieden. Die Wahl, die sie getroffen haben, mag uns gefallen oder auch nicht. Wir haben sie zu respektieren". Auch sie kann nicht vorhersagen, welche Weichen eine Regierung Trump stellen wird. "Wenn wir den 20. Januar 2017 - den Tag der Amtseinführung - schreiben, werden wir uns vielleicht an die eine oder andere Neuerung gewöhnen müssen. Eines wird sich aber nicht ändern: Die deutsch-amerikanischen Beziehungen werden freundschaftlich und vertrauensvoll bleiben wie bisher." Darin sind sich an diesem Abend die meisten einig.

© SZ vom 10.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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