Reaktion auf SZ-Bericht:Eltern sind empört über Pädophilen-Urteil

Im Fall des Pädophilen, der sechs Kinder aus dem Hasenbergl missbraucht haben soll, ist vor Gericht eine weitere fragwürdige Entscheidung gefällt worden. Zwar sei man "ernsthaft" der Auffassung, Ludwig E. müsse in einer geschlossenen Einrichtung untergebracht werden. Doch der Beschluss für eine Einweisung erging nicht. Eltern reagieren empört und kündigen eine Demonstration an.

Von Christian Rost

Auch nach der Verhandlung in zweiter Instanz befindet sich der 64-Jährige in Freiheit, obwohl eine psychische Störung vorliege. Wie die SZ und der Bayerische Rundfunk berichteten, soll sich der in Solln lebende Ludwig E. seit 1999 gezielt das Vertrauen allein erziehender, sozial schwach gestellter Mütter aus dem Hasenbergl erschlichen haben, um Kontakt zu deren Kindern zu bekommen.

Die Buben und Mädchen im Alter von sechs bis 13 Jahren nahm er in der Folgezeit immer wieder mit in seine Wohnung, um auf sie "aufzupassen", und fertigte pornographische Fotos von ihnen an. Nachdem sich ein Kind seiner Mutter anvertraut hatte, wurde E. festgenommen.

Das Amtsgericht München verurteilte ihn zu einer zweijährigen Haftstrafe. Er legte Berufung ein und zudem Haftbeschwerde. Das Oberlandesgericht München (OLG) entschied im Juli über die Haftfrage: Der Pädophile haben mit seinem Handeln den "milieugeschädigten" Kindern nicht geschadet, da sie ohnehin aus verwahrlosten Verhältnissen entstammten. E. wurde bis zum Prozess in zweiter Instanz auf freien Fuß gesetzt.

Psychologen und Ärzte aus dem Hasenbergl , die die betroffenen Kinder betreuen, kritisierten dies scharf reichten bei Gericht eine Beschwerde ein. Denn auch der zuständige Gerichts-Gutachter hatte im Fall E. erklärt: "Er stellt eine Gefahr dar. Vermutlich sind die Taten nur die Spitze des Eisberges."

Wie die SZ gestern erfuhr, beriet die zweite Instanz - es handelt sich um die 20. Strafkammer am Landgericht München I - Ende Oktober über den Fall. Der Vorsitzende Richter, Norbert Riedmann, hob das Urteil des Amtgerichts auf. Riedmann ist nämlich der Auffassung, dass Ludwig E. möglicherweise "vermindert schuldfähig ist".

Deshalb sei eine Haftstrafe ohnehin nicht zulässig. "Ernsthaft in Betracht" komme vielmehr, den Mann nach Paragraph 63 Strafgesetzbuch in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung unterzubringen. Dies müsse aber eine andere Kammer des Gerichts entscheiden.

Auf die Frage, weshalb der Pädophile angesichts dieser Erkenntnisse nicht längst in eine Psychiatrie eingewiesen wurde, wollte der Richter, der zumindest eine vorläufige Unterbringung durchaus hätte anordnen können, "keine Stellungnahme" abgeben. Er sagte nur: "Möglicherweise kann hier ein Widerspruch gesehen werden."

Die Rathaus-SPD forderte gestern "umgehend Aufklärung" über die Entscheidungsgrundlagen der Justiz. Schon der Richterspruch des OLG habe "anscheinend das für den Pädophilen erstellte psychiatrische Gutachten auf den Kopf stellt".

Während dieses den Angeklagten als Gefahr sehe, argumentierten die Richter, der Pädophile habe nicht gegen den Willen der Kinder gehandelt. Das OLG hatte festgestellt, die Kinder seien "aufgrund bestehender Verwahrlosungstendenzen infolge fehlender erzieherischer Wirkung" an den sexuellen Handlungen interessiert gewesen.

Der Angeklagte habe dies lediglich ausgenutzt. SPD-Stadträtin Angelika Gebhardt dazu: "Wenn ich die Begründung des Oberlandesgerichts lese, dann stehen mir die Haare zu Berge. Das klingt sehr nach: Schuld sind die Kinder selbst."

Der Münchner Regisseur Stefan Zimmermann rief gestern zu einer Demonstration "Für mehr Opferschutz und gegen sexuellen Missbrauch von Kindern " am 17. Dezember auf. Es soll von 17 Uhr einen Zug vom Luisen-Gymnasium zum Gerichtsgebäude an der Nymphenburger Straße geben.

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