Raus aus dem Elfenbeinturm:Forschung für alle

30 000 Besucher locken die Vorträge bei den Münchner Wissenschaftstagen jedes Jahr an. Nicht nur die Inhalte sind dabei entscheidend, sondern auch, wie gut die Redner ihr Fachwissen für Laien übersetzen können

Von Günther Knoll

Der Elfenbeinturm - er muss immer wieder herhalten, wenn der Wissenschaft vorgeworfen wird, sie schotte sich ab und behalte ihre Erkenntnisse und Ergebnisse für sich. Dabei gibt es auch in München deutliche Anzeichen dafür, dass dieses unsichtbare Gemäuer niedergerissen ist. Universitäten, Forschungsinstitute, Museen, Volkshochschulen sowieso: Sie alle vermitteln elementare Wissensinhalte einem breiten Publikum, von Kindern bis zu Senioren. Auch die Münchner Wissenschaftstage, die 2001 gegründet wurden und heuer zum 16. Mal stattfinden, dienen diesem Anliegen.

Die Vorlage für das jeweilige Thema der viertägigen Veranstaltung liefert das Bundesministerium für Bildung und Forschung, indem es das Wissenschaftsjahr zu einem bestimmten Thema ausruft. Das diesjährige Motto "Meere und Ozeane" brachte die Macher des Vereins "Münchner Wissenschaftstage" anfangs kurz ins Schwitzen. Schnell sei aber klar gewesen, sagt Geschäftsführerin Steffi Bucher, dass man die diesjährige Veranstaltung unter des Motto "Wasser - Ressource des Lebens" stellen werde. Denn bei den Themen, die stets politisch relevant seien, würden immer auch Beziehungspunkte zu München gesucht.

Um einem breiten Publikum wissenschaftliche Themen auf verständliche Weise zu vermitteln, sei es vor allem wichtig, dass die Experten ihre Inhalte auch "übersetzen" könnten, sagt Frank Holl. Als Leiter der Wissenschaftstage weiß er, dass "Verkopftes" nicht ankommt. Einfach zu erklären und Respekt vor den Zuhörern zu zeigen, das sei eine "große Kunst", die nicht jeder Wissenschaftler beherrsche. Auf jedes Referat folge auch eine Fragerunde, "da kommen tolle Dialoge zustande", schwärmt Holl. Die Referenten dürften ihr Publikum da nicht unterschätzen.

Raus aus dem Elfenbeinturm: Wenn Forscher bei den Wissenschaftstagen Vorträge halten, ist die Alte Kongresshalle meist voll.

Wenn Forscher bei den Wissenschaftstagen Vorträge halten, ist die Alte Kongresshalle meist voll.

(Foto: S+P Media AG)

Immerhin 300 werden für die vier Tage gebraucht als Vortragsredner, als Moderatoren, für die Workshops und auch für die vielen Informationsstände. Weil von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften über das Deutsche Museum, die Fraunhofer Gesellschaft und die Universitäten alle Münchner Institutionen Mitglied im Trägerverein sind, habe man da eine gute Auswahl. Und es gebe genügend Wissenschaftler, die gerne mitmachen und das auch beherrschen. Man bemühe sich auch um prominente Zugpferde, etwa aus Fernsehsendungen bekannte Forscher. Der Astrophysiker Harald Lesch etwa sei in den letzten Jahren oft zu Gast gewesen. Honorar gibt es keines, in diesem Jahr bekommt jeder Experte eine Tafel Schokolade.

In erster Linie aber locken natürlich die Inhalte das Publikum. Als etwa die Schlossbauwerke von König Ludwig II. dreidimensional vorgestellt wurden, da sei die Halle übervoll gewesen, erinnert sich Holl. Dieses Mal erwartet er, dass die Vorträge über El Niño und den Gletscherschwund die meisten Besucher haben. Noch ein anderer Aspekt ist bei der Programmzusammenstellung wichtig: Holl durchforstet vorher die Lehrpläne der Schulen genau, "um Anknüpfungspunkte zu finden", wie er sagt. Und dann rufe er jedes Mal an die 200 Schulleiter an und mache sie auf die Wissenschaftstage aufmerksam. "Überzeugungsarbeit" nennt er das. Dafür kommen dann die Busse mit Schülern bis aus Hof und Passau auf die Theresienhöhe.

Bei vielen der rund 30 000 Besucher, die auch diesmal in der alten Kongresshalle und im Verkehrszentrum des Deutschen Museums erwartet werden, ist Überzeugungsarbeit gar nicht nötig. Das interessierte erwachsene Publikum kommt bis aus Berlin, Hamburg und auch aus der Schweiz, Rentner, Schüler und Studierende, die Orientierung für die Berufswahl suchen, viele Lehrer und auch Professoren, die selbst schon vortrugen.

Das alles hat seinen Preis, und damit haben die Veranstalter zu kämpfen. Die Zeiten, als große Konzerne die Wissenschaftstage finanziell förderten, sind vorbei, wie Bucher und Holl erfahren mussten. Auf den Zuschuss der Stadt könne man sich verlassen, aber der reiche nicht für die oft komplizierte Technik, für Werbung und Gehälter. Jedes Jahr gelte es, die erforderlichen Mittel neu einzuwerben. Man müsse zum Beispiel die Ministerien davon überzeugen, dass Bildung für alle bei freiem Eintritt eben nicht umsonst zu haben sei. Einmal war man schon kurz vor der Absage, doch irgendwie gelingt es immer wieder, die Veranstaltungsreihe auf die Beine zu stellen. "Wir sind konkurrenzlos", weiß Bucher, "wenn die Veranstaltungen gut sind, gibt es immer ausreichend Publikum." Und: Ein Großteil der Vorträge wird für den Bildungskanal "Alpha" aufgezeichnet und ist über die Mediathek abrufbar.

Ozeane und Schubert-Lieder

Die 16. Münchner Wissenschaftstage, die vom Samstag, 12. November, bis Dienstag, 15. November, in der Alten Kongresshalle und im Verkehrszentrum des Deutschen Museums auf der Theresienhöhe stattfinden, stehen unter dem Motto "Wasser - Ressource des Lebens". In rund 30 Vorträgen und an vier Themenabenden wird der Wert des Wassers für die Gesellschaft analysiert. Bei den Vorträgen am Samstag geht es um das "Meer als Verkehrsweg", aber auch um "die Renaturierung von Flüssen am Beispiel der Isar". Den Eröffnungsvortrag des ersten Themenabends hält Hans Joachim Schnellnhuber zum Thema "Feuer Wasser, Luft und Erde: Wie der Mensch den globalen Tanz der Elemente stört".

Am Sonntag steht das "Grundwasser als Lebensraum" auf dem Programm, aber auch die Frage "Wem gehört das Wasser?". Der Themenabend trägt den Titel "Leidenschaft Ozean". In faszinierenden Aufnahmen werden die Schönheiten des Ökosystems Meer, aber auch dessen Bedrohung durch Verschmutzung gezeigt. Am Montag geht es tagsüber um den "Ozean der Zukunft" und um Tsunamis. Beim Themenabend stellen Forscher der Fraunhofer Gesellschaft besondere Projekte vor, wie Wasser künftig genutzt und gleichzeitig bewahrt werden kann. Der Dienstag steht im Zeichen des Klimawandels, dabei werden die Phänomene Gletscherschwund und El Niño behandelt. Beim Themenabend "Wasser und Musik" dürfen dann auch Schubert-Lieder nicht fehlen.

An Marktständen können sich die Besucher täglich von 10 bis 19 Uhr in der Kongresshalle informieren: über das Münchner Trinkwasser ebenso wie über die Wasserwirtschaft der alten Ägypter. Zusätzlich finden an allen Tagen Workshops und Seminare statt. Junge Besucher können beim simulierten Tauchgang die Unterwasserwelt des Kinder-Kunst-Labors bestaunen. Wie bunte Leuchtkrebse aussehen oder welche Folgen Plastikmüll in den Ozeanen hat, erforscht man hier bei sieben Mitmachstationen des Kinderprogramms. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei, nähere Infos unter www.muenchner-wissenschaftstage.de. kg

Dass wissenschaftliche Inhalte bei Laien gefragt sind, das haben längst auch andere in München erkannt. Bei Tagen der Offenen Tür oder Schnuppervorlesungen stellen sich die Hochschulen und Forschungsinstitute der Allgemeinheit meist auch mit Vorträgen und Workshops vor. Die Ludwig-Maximilians-Universität bietet ein eigenes Seniorenstudium an. Das kostet und man muss dafür auch die Hochschulreife nachweisen, doch die älteren Semester drängen sich im Hörsaal, um von den Professoren etwas über die "Kommunikation der Zellen des Immunsystems" oder über "Rilkes Sonette des Orpheus" zu erfahren. Das Deutsche Museum hat eine Vortragsreihe "Wissenschaft für jedermann" installiert, in der es zum Beispiel am nächsten Mittwoch um "chemische Wege zum Ursprung des Lebens" geht.

Die Volkshochschulen in und um München haben seit Jahren ein "Studium generale" im Angebot. Die meist schon etwas älteren Teilnehmer nutzen diese Gelegenheit, um das lebenslange Lernen in die Tat umzusetzen. Ein Großteil der Kurse ist meist nach wenigen Tagen ausgebucht. Das Münchner Bildungswerk hat eine Seniorenakademie ins Leben gerufen, die allen über 55 Jahren ohne Vorbedingungen ein Grundstudium sowie Vertiefung durch Sonderreihen und Studientage anbietet.

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