Zwischennutzung:Das Ruffinihaus wird zum Zentrum der Münchner Kreativen

Zwischennutzung: Von Januar 2018 an saniert die Stadt das denkmalgeschützte Ruffinihaus am Rindermarkt, doch bis die Bauarbeiten losgehen, wird es in dem Gebäudekomplex noch einmal lebendig.

Von Januar 2018 an saniert die Stadt das denkmalgeschützte Ruffinihaus am Rindermarkt, doch bis die Bauarbeiten losgehen, wird es in dem Gebäudekomplex noch einmal lebendig.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Von Januar 2018 an saniert die Stadt das denkmalgeschützte Ruffinihaus am Rindermarkt.
  • Bis die Bauarbeiten losgehen, wird es in dem Gebäudekomplex noch einmal lebendig.
  • An diesem Donnerstag startet ein Zwischennutzungsprojekt, das Autoren, Firmengründer, Modedesigner, Architekten und andere Kreative unter einem Dach versammelt.

Von Franziska Gerlach

Stefan Fränkel steht in der Mitte des Raumes und ist begeistert. Seine Hände formen eine Brille. Er tritt von einem Bein auf das andere, dass die Dielen des Ruffinihauses nur so knarzen. Er ist begeistert, weil sich bald schon jeder Münchner die spezielle Hightech-Brille für Videospiele aufsetzen kann. Sollte man mal ausprobiert haben. "Als würde ich durch eine andere Welt hindurchgehen", sagt der Mitarbeiter des Vereins "Videospielkultur."

Drei Monate lang wird der 31-Jährige den Münchnern am Rindermarkt das Kulturgut Videospiel näher bringen, und in gewisser Weise funktioniert Fränkels Brille wie das Projekt "Ruffinihaus - inmitten kreativ" selbst: Die jüngste Zwischennutzung des städtischen Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft bietet in insgesamt 50 Räumen des denkmalgeschützten Gebäudekomplexes mitten in der Altstadt nämlich ebenfalls einen Blick auf eine unbekannte, für Außenstehende manchmal schwer greifbare Welt: die Kultur- und Kreativwirtschaft.

Die setzt sich aus elf "Teilmärkten", wie das so schön heißt, zusammen: dem Markt für Bücher, Musik, Kunst und Architektur, dem Pressemarkt und dem Markt für Darstellende Künstler, zu dem etwa Schauspieler zählen, der Design-, Film- und Rundfunkwirtschaft, ach ja, und dann gibt es natürlich noch die Industrie für Software und Games sowie den Werbemarkt. "Im Ruffinihaus wird die Vielfalt der Branche an einem Punkt sichtbar", sagt Jürgen Enninger, Leiter des städtischen Kompetenzteams.

Wenn Bürgermeister Josef Schmid (CSU) als Leiter des Münchner Wirtschaftsreferates an diesem Donnerstagabend ganz offiziell eine Eröffnungsrede gehalten haben wird, dann stehen allen Münchnern die Türen zu einer Szene offen, mit der man sonst nicht so leicht in Kontakt kommt.

Nicht, weil die Kreativen und Kulturschaffenden zu verschlossen sind, oder die Münchner nicht interessiert genug. Sondern weil man die Branche eben so schlecht sieht in einer Stadt wie München, in der es kaum freie Räume gibt, erst recht keine bezahlbaren. Wo Designer und Goldschmiede in kleinen Hinterhofateliers werkeln, ab vom Schuss, und wo man als Musiker froh sein kann, wenn der Nachbar sich nicht gleich gestört fühlt, wenn es mal ein bisschen lauter wird.

Nach den Kreativen kommt die Sanierung

Bis Mitte Januar werden etwa 120 Leute aus 70 Unternehmen im Ruffinihaus vertreten sein, ohne Miete zu zahlen, danach wird die Stadt ihre Immobilie sanieren. Architekten und Modedesigner, Filmemacher, IT-Start-ups und Drehbuchautoren zum Beispiel, und wer der Zwischennutzung eine Definition aufnötigen möchte, der verortet sie irgendwo zwischen Sammelausstellung und Bürogemeinschaft.

Manche Akteure werden im Ruffinihaus ganz normal arbeiten, wie sonst auch, nur dass sie nun auf Stühlen und an Tischen sitzen werden, auf denen zuvor die Mitarbeiter des städtischen Tourismusamtes saßen. Andere Kreative haben den ihnen zugewiesenen Raum in ein kleines Kunstwerk verwandelt, dritte haben die Wände in einem dramatischen Aubergineton gestrichen, die nächsten Bilder von befreundeten Künstlern aufgehängt.

Diese Projekte sollen realisiert werden

Tja, und dann gibt es noch jene Zimmer, in denen wohl das herrscht, was als kreatives Chaos bezeichnet werden darf. "Ab und zu muss man auch Unordnung schaffen", sagt Enninger gelassen. Er lehnt an der Wand in einem langen Flur, im Zimmer auf der gegenüberliegenden Seite brüten Studenten über ihren Laptops, auf dem Tisch Papier, Softdrinks, Stifte.

Dazu muss man sagen, dass das zehnköpfige Team um Enninger den Münchner Kreativen und Kulturschaffenden seit seiner Gründung vor drei Jahren reichlich Ordnung gegeben hat. Struktur, Beratung, wie man sich überhaupt behauptet am Markt. Und immer wieder: Raum. Immer wieder haben die Mitarbeiter des Kompetenzteams leer stehende, oftmals städtische Flächen kostenfrei an Kreative vergeben, auch im Erdgeschoss des Ruffinihauses verkauften schon mehrmals Münchner Designer ihre Ware.

Zwischennutzung: Jürgen Enninger sitzt im temporären Büro des städtischen Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft, wo er und seine Mitarbeiter Kreative auch beraten werden.

Jürgen Enninger sitzt im temporären Büro des städtischen Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft, wo er und seine Mitarbeiter Kreative auch beraten werden.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

So groß wie das neue Projekt war aber noch keines, denn diesmal kommt nicht nur eine große Zahl an Kreativen jedweder Couleur in einem großen Haus zusammen. Auch die Namen der Teilnehmer sind zugkräftig und groß, was allerdings auch praktische Gründe hat. Denn über die Großen kam der Kontakt zu den kleinen Kreativen zustande. Das TU-Gründerzentrum UnternehmerTUM zum Beispiel macht mit, das Dok-Fest oder auch die renommierten Architekten Allmann Sattler Wappner.

Erster Eindruck: Da scheint in diesen Tagen alles zusammenzukommen, was München so hergibt an Kreativität. Und dass dies einiges ist, kann man mit Zahlen belegen, seit 2016 der Datenreport für die Metropolregion München erschienen ist. Rund 30 000 Kreative und Kulturschaffende erwirtschaften 23 Milliarden Euro. Man müsse diese Zahlen aber auch fühlen, sagt Enninger.

Die Branche ist nämlich recht kleinteilig, und vermutlich tröstet den Einzelnen, der sich als Kleinunternehmer in München über Wasser hält, der Milliarden-Gesamtumsatz nur wenig. Deshalb geht es im Ruffinihaus nun auch um das Gemeinschaftsgefühl, nach dem Motto: Zusammen sind wir stark. Dass das Kreative in München allerdings auch wirtschaftlich funktionieren muss, das hat der Stadt über die Jahre hinweg einen gewissen Ruf eingebracht. München ist zu glatt, es gibt keinen Wildwuchs, keinen Trash.

Die Stadt betreibt mit dem Projekt Imagepflege

Doch abgesehen davon, dass es hier wohl noch nie so viele Zwischennutzungen gab wie 2017 - wo steht eigentlich geschrieben, dass Kreativität zwangsläufig leidet, wenn man damit Geld verdient? Ja: Im Ruffinihaus geht es um Sichtbarkeit. Und ja: Man kann die ganze Aktion der Stadt als Imagepflege auslegen, weil München halt auch mal zeigen will, was es auf dem Kasten hat. Soll es ruhig. Für Enninger hat ohnehin die Lösung des Raumproblems absolute Priorität.

Und für die Akteure selbst? Nun, Fränkel muss da nicht lange überlegen: Im Ruffinihaus könne er mitten in der Stadt auf seinen Verein aufmerksam machen. Und sich außerdem vernetzen. Schon kurz nach seinem Einzug ins Ruffinihaus habe er Leute von den Urbanauten kennengelernt, erzählt er. Wer weiß. Vielleicht geht da ja was.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: