Rathaus zum Tausch freigegeben:Truderinger Trittstein

Rathaus zum Tausch freigegeben: Wechselvolle Geschichte: Der einstige Loherhof, später genutzt als Truderinger Rathaus, soll nun in Investoren-Hände übergehen.

Wechselvolle Geschichte: Der einstige Loherhof, später genutzt als Truderinger Rathaus, soll nun in Investoren-Hände übergehen.

(Foto: Claus Schunk)

Münchens Stadtrat stimmt dem Tausch des alten Rathauses mit einem Areal am Rappenweg zu. Damit wird die Bebauung einer blockierten Parzelle in Haar ebenso möglich wie ein neuer Auftakt für die Einkaufsmeile im Viertel

Von Renate Winkler-Schlang, Trudering

Der Kommunalausschuss des Stadtrates hatte kürzlich schon einmal vorberaten, nun hat die Vollversammlung des Münchner Stadtrats das alte Truderinger Rathaus an der Truderinger Straße 288 in nichtöffentlicher Sitzung endgültig zum Tausch freigegeben. Damit hat die Stadt ein Pfand, welches ihr im Gegenzug den Erwerb des Sperrgrundstücks im Gewerbegebiet Rappenweg ermöglichen soll. Das Areal am Rappenweg ist dringend nötig, um eine Erschließungsstraße nach Haar entlang der Bahn bauen zu können. Diese Straße wiederum ist Voraussetzung dafür, dass eine 132 000 Quadratmeter große städtische Fläche an der Schneiderhofstraße in Haar endlich überplant und bebaut werden kann - wenigstens teilweise mit Wohnungen, eventuell auch mit einer Realschule für Haar. Die Verhandlungen zu diesem Endlos-Projekt haben schon 2003 begonnen. Zuletzt hatte sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) selbst eingeschaltet, um das für München wie für Haar gleichermaßen problematische Thema endlich vom Tisch zu bekommen.

Inzwischen hat auch die örtliche Politik ihren Frieden gemacht mit dem Verlust des früheren Rathauses, das kein Denkmal ist und wohl abgerissen wird. "Hätten Sie mich vor fünf Jahren gefragt, wie ich das finde, hätte ich geschäumt", sagt etwa der frühere CSU-Stadtrat Georg Kronawitter. Im Bezirksausschuss hatte er in schöner Regelmäßigkeit die Tatsache angeprangert, dass die Stadt das obere Stockwerk des Hauses seit Jahren leer stehen ließ. Vereinsheim, Musikschul-Übungsräume, Volkshochschul-Standort und vieles mehr: Kronawitter hatte immer wieder neue Vorschläge für eine sinnvolle kulturelle oder bürgerschaftliche Nutzung gemacht, doch ebenso regelmäßig hatte die Stadt diese Ideen als unrealistisch verworfen. Die Tatsache, dass keines der Referate für sich Bedarf angemeldet hat, müsse man nun eben zur Kenntnis nehmen, sagt Kronawitter inzwischen versöhnlich. Genau wie der Bezirksausschuss-Vorsitzende Otto Steinberger (CSU) denkt er, dass es hätte schlimmer kommen können - etwa wenn ein ortsfremder Investor die Fläche in die Hände bekommen hätte. Die neue Eigentümerfamilie sei bereits Ladeninhaberin in Trudering und obendrein engagierten sich deren Mitglieder bei den Arbeitsgruppen des Städtebauförderungsprojekts "Aktive Zentren" und wüssten daher genau, was Trudering brauche - einen sogenannten "Trittstein", der die Straßtruderinger Einkaufsmeile auf dem Weg zum Bahnhof attraktiver macht, etwa mit Einzelhandel oder einem schönen Café.

Ein Vertreter der Eigentümerfamilie, die, obwohl ortsbekannt, ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, versichert denn auch, mit einem Neubau den Bereich beleben zu wollen. Das alles aber werde dauern, nun sei erst einmal der Grundsatzbeschluss gefasst, jetzt müsse konkret verhandelt werden. Klar sei, dass die Stadt am Rappenweg von ihm eine leere Fläche bekomme, so der Familiensprecher, auch er habe sich ausbedungen, ein leer geräumtes Gebäude zu erhalten. Dann werde die Familie es mit ihren Architekten gründlich untersuchen, vermutlich aber werde eine Sanierung zu teuer kommen. Die Stadt hatte sie nach seinen Worten einmal auf mehrere Millionen beziffert. Bis ein Neubau stehe, werde noch einige Zeit vergehen.

Trudering verliert damit einen Zeugen der Vergangenheit. Zurückverfolgen lässt sich die Geschichte dieses Orts bis ins achte Jahrhundert. 1632, das hat die Historikerin Eva Prockl für eine Broschüre der "Aktiven Zentren" herausgefunden, überlebte die damalige Bäuerin Katharina Mayr im Mai als eine der wenigen Truderinger den Einfall der Schweden, ihr Mann Hans wurde erschossen. Kurz darauf heiratete sie Christoph Vogl und lebte mit ihm wenige Monate notdürftig auf ihrem eingeäscherten Hof. Dann aber wird auch Ehemann Nummer zwei "umb das Leben gebracht", von den eigenen Soldaten. Katharina übersteht auch das, und im Juni 1633 bittet Wolf Angermair um das Leibrecht für den Hof und die Heiratserlaubnis mit Katharina. Die Gebühren hierfür werden nie beglichen, und es ist anzunehmen, dass Katharina mit ihrem dritten Mann schließlich der im Jahr 1634 in Trudering grassierenden Pest erlag.

Der heutige Bau an der Stelle stammt aus dem Jahr 1930, er wurde Loherhof genannt. Das ehemalige Gehöft des Loherhofes bauten die Eigentümer oft um und passten es so seinen wechselnden Bestimmungen an. So zeigt die stark geglättete Fassade des ehemaligen Wohnhauses keine verzierenden Malereien mehr. Der Balkon über dem ostseitigen Eingangsbereich wurde demontiert, das Dach erweitert. Von 1930 an war das Anwesen das Truderinger Rathaus, in dem 1932 die Eingemeindung nach München beschlossen wurde. Nachfolgend dienten seine Räume als Verwaltungssitz, Turnhalle, Kindergarten, zur Armenspeisung, als Polizeistation, der Feuerwehr und dem Rettungsdienst des BRK. Dieser braucht nun ein neues Domizil.

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