Rathaus:Schwamm drüber und Schluss

Die Verträge des Sozialreferats zur Betreuung von Flüchtlingen waren illegal - doch der Stadtrat segnet sie nachträglich ab

Von Dominik Hutter

Nein, billigen oder gar gutheißen will man nicht, was da im Jugendamt verbockt wurde, versichern SPD und CSU einmütig. Die beiden Bündnispartner im Münchner Rathaus wollen trotzdem an diesem Dienstag die umstrittenen Verträge zur Flüchtlingsbetreuung nachträglich absegnen. Weil schließlich die freien Träger nichts dafür können, wenn die Stadtverwaltung mit ihnen Abmachungen trifft, die eigentlich illegal - weil vom Stadtrat nicht genehmigt - sind. "Sie waren sicherlich in gutem Glauben", erklärt SPD-Fraktionschef Alexander Reissl. Auch die Grünen wollen dieser Lösung zustimmen. Niemand könne ein Interesse daran haben, die Träger zu ruinieren, die ihre Leistung schließlich zum größten Teil schon erbracht hätten, betont Stadträtin Jutta Koller.

Erledigt ist die leidige Angelegenheit damit freilich noch nicht. Noch immer ist unklar, wie groß der Schaden für die Stadt eigentlich ist. Das Jugendamt hatte einen Verbund freier Träger mit der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge beauftragt, ohne den Stadtrat einzuschalten. Das städtische Revisionsamt erklärte die Verträge deshalb für nichtig und kritisierte obendrein, dass unnötig viel Personal eingesetzt worden sei. Im Juni 2016 habe es einen "Personalüberhang" von 231 Vollzeitstellen gegeben. Weil die Zahl der jugendlichen Flüchtlinge schon lange nicht mehr so groß ist wie im "Flüchtlingsjahr" 2015, seien viele Betreuer überflüssig gewesen. Zumal im Mai 2016 der in der Not der Flüchtlingskrise heruntergefahrene Betreuungsschlüssel wieder auf den üblichen Standard angehoben wurde.

Zudem wird zum Ärger des Revisionsamts nicht mehr über Tagessätze, sondern mit Pauschalen abgerechnet, so dass die Stadt gar nicht weiß, wer wann wen betreut hat. SPD und CSU beteuern hoch und heilig, die vom Revisionsamt monierten Vorgänge penibel aufzuklären und Konsequenzen daraus zu ziehen. Der kommissarische Jugendamtsleiter Markus Schön muss deswegen bereits sein Amt ruhen lassen. Die damals zuständige Ober-Chefin, Sozialreferentin Brigitte Meier, ist wegen anderer Vorwürfe ebenfalls weg. FDP-Stadtrat Michael Mattar sieht allerdings auch noch eine andere Politikerin in der Verantwortung: die für Soziales zuständige Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD). Mattar kann es überhaupt nicht nachvollziehen, dass das schon seit längerer Zeit führungslose Jugendamt nicht schärfer beobachtet wurde.

Eine große Zukunft haben die Verträge, die nun in nicht-öffentlicher Sitzung für gültig erklärt werden sollen, nicht mehr. Sie laufen Ende Juni aus, und bei der Stadt ist unstrittig, dass ein solcher Fauxpas nicht noch einmal passieren darf. Die amtierende Sozialreferentin Dorothee Schiwy will deshalb in ihrem Haus ein besseres Controlling installieren und für die Betreuung der jugendlichen Flüchtlinge ein neues System ausarbeiten. Ziel ist es, dass die Behörde anders als bisher flexibel auf schwankende Ankunftszahlen der Flüchtlinge reagieren kann. Das Konzept soll dem Stadtrat zur Genehmigung vorgelegt werden.

Dass die illegalen Verträge nun doch abgesegnet werden, schien noch vor eineinhalb Wochen keineswegs selbstverständlich. Damals erklärte Fraktionschef Manuel Pretzl, er sehe dazu keine Veranlassung. Erst müsse klar sein, wie groß der finanzielle Verlust für die Stadt ist. Auch die SPD hatte angemahnt, erst alle offenen Fragen zu klären. Mit dem jetzigen Beschluss gehe es jedoch darum, weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden, so CSU-Stadtrat Marian Offman. Letztlich müsse immer das Kindswohl im Vordergrund stehen.

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