Rathaus:Der Stadtrat als Karriere-Sprungbrett

Der Münchner Marienplatz

Mit dem richtigen Parteibuch scheint ein Übergang in wichtige Ämter manchmal leichter. Bei Kritik heißt es aus dem Stadtrat oft: Ein Parteibuch dürfe ja auch nicht schaden.

(Foto: dpa)
  • Aus dem Stadtrat haben es in den vergangenen Jahren zahlreiche Politiker auf gut dotierte Posten bei städtischen Ämtern geschafft.
  • Kritisch beäugt wird dieses Vorgehen, wenn es um Führungspositionen außerhalb der Politik geht, etwa bei kommunalen Unternehmen.
  • Generell muss das nichts Schlechtes sein. Eventuell fühlen sich Bewerber ohne Parteibuch jedoch abgeschreckt.

Von Dominik Hutter

Qualifizierung wird in München großgeschrieben. Das Wirtschaftsreferat betreibt eigens ein spezielles Beschäftigungs- und Weiterbildungsprogramm, es gibt Fachakademien und die gemeinnützige "Münchner Arbeit", die sich an Langzeitarbeitslose richtet. Daneben unterhält die Stadt eine inoffizielle Kaderschmiede, die in keinem einschlägigen Katalog auftaucht: das Rathaus am Marienplatz. Wer höhere Verwaltungspositionen bekleiden will oder in die Landes- und Bundespolitik strebt, kann sich kein besseres Sprungbrett wünschen als den Münchner Stadtrat. Von dort haben es in den vergangenen Jahren zahlreiche Kommunalpolitiker auf gut dotierte Posten geschafft. Das passende Parteibuch vorausgesetzt.

Der Wille zum Wechsel ist in jüngster Zeit besonders stark ausgeprägt und für die großen Fraktionen auch von Nachteil: Sie verlieren viele Aktivposten und Hoffnungsträger. Alexander Dietrich etwa, der erst 2014 ins Rathaus gewählt wurde, galt schon nach wenigen Wochen als Anwärter für Höheres. Nun sitzt er im Chefbüro des Personalreferats. Die SPD verlor die Mietrechts-Expertin Beatrix Zurek, die als Stadtschulrätin die Nachfolge des glücklosen Rainer Schweppe übernahm.

Weitere Personalentscheidungen stehen an: SPD-Sozialsprecher Christian Müller gilt als durchaus aussichtsreicher Bewerber für die neu zu vergebende Chefposition im Stadtjugendamt. Im kommenden Jahr kann dann die CSU ihr im Bündnisvertrag mit der SPD festgeschriebenes Vorschlagsrecht für die Leitung des Kommunalreferats ausspielen. Dass die ehrgeizige und eloquente Stadträtin Kristina Frank Interesse hat, ist auf den Rathausfluren längst keine Neuigkeit mehr.

Kritisch beäugt wird das Sprungbrett Stadtrat immer dann, wenn es um Führungspositionen außerhalb des unmittelbaren politischen Bereichs geht: in kommunalen Unternehmen etwa. Beispiele für diese Parteibuchwirtschaft gibt es zuhauf - und das Ergebnis muss ja nicht immer schlecht sein. Der frühere Grünen-Fraktionschef Siegfried Benker etwa, der es noch zu rot-grünen Zeiten zum Chef des Altenheimbetreibers Münchenstift geschafft hat, genießt einen tadellosen Ruf.

Erst noch beweisen müssen sich die im Herbst gekürten Geschäftsführer der städtischen Wohnungsunternehmen GWG und Gewofag, die ehemaligen Stadträte Christian Amlong (SPD) und Max Straßer (CSU). Diese Personalien standen 2016 heftig in der Kritik, die Münchner SPD etwa war empört über die Entscheidung der rot-schwarzen Rathauskoalition. Denn eines ist klar: Eine Ausschreibung, bei der der Favorit der Jury schon im Vorfeld bekannt ist, wirkt auf Bewerber ohne Parteibuch abschreckend. Wer holt sich schon gerne eine blutige Nase auf dem ungewohnten Feld der Parteiarithmetik?

Gerät diese schon beinahe traditionelle Vorgehensweise in die Kritik, zeigt sich die Stadtratsmehrheit gerne uneinsichtig. Als Standard-Ausrede wird einfach der Spieß umgedreht: Ein Parteibuch dürfe sich schließlich nicht karriereschädigend auswirken, heißt es dann. Gerade so, als ob diese Gefahr ernsthaft bestünde. Die politische Couleur spielt beim heiteren Berufeschieben übrigens keine Rolle: Die CSU, die jahrelang gegen Postenschacherei wetterte, ist angesichts der neu gewonnenen Möglichkeiten mit ihrer Kritik verstummt.

Die kommt nun eher von den in die Opposition gerutschten Grünen. Die jedoch, als die Möglichkeit noch bestand, mit Eifer selbst mitspielten: Neben Benker hat es in der rot-grünen Ära auch der frühere Stadtrat Boris Schwartz in einen Verwaltungs-Spitzenjob geschafft, als Chef der Markthallen nämlich. Ein anderer Planungsexperte, der frühere Grünen-Stadtrat Helmut Steyrer, übernahm bereits in den Nullerjahren die Leitung der Sanierungsgesellschaft MGS. Sein Nachfolger Ulf Millauer war zwar nie im Stadtrat, hat aber ebenfalls ein grünes Parteibuch.

Als abschreckendstes Beispiel für kommunale Parteibuchwirtschaft gilt nach wie vor die einstige Chefriege des städtischen Klinikums, bestehend aus zwei Sozialdemokraten und einem Grünen. Diese Entscheidung geht zwar auf den Stadtrat zurück, als Kaderschmiede war das Rathaus in diesen Fällen jedoch unbeteiligt: Keiner aus dem Trio, dem zahlreiche Versäumnisse vorgeworfen werden, war jemals Mitglied des Stadtrats.

Weniger angreifbar ist das Rathaus als Sprungbrett auf andere politische Ebenen, Land- oder Bundestag etwa. Beispiele gibt es zu Dutzenden, von Mechthilde Wittmann (CSU) über Robert Brannekämper (CSU) und Andreas Lotte (SPD) bis hin zu Claudia Tausend (SPD). 2017 strebt CSU-Fraktionsvize Michael Kuffer in den Bundestag. Sein Kollege Hans Theiss gilt als Interessent für ein Landtagsmandat.

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