Rathaus:Das große Gezerre um die Geschäftsführer

Die SPD streitet über die Auswahl der neuen Chefs der Wohnungsbaugesellschaften, die Opposition geißelt das Prozedere

Von Heiner Effern

Die Ansage an die Genossen kommt am sehr späten Sonntagabend, in Form einer E-Mail. Sehr höflich, aber auch bestimmt soll die Münchner SPD-Chefin Claudia Tausend ihre Freunde im Rathaus daran erinnert haben, dass die Geschäftsführer-Posten der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und Gewofag nicht auf dem kurzen Koalitionsweg vergeben werden sollten.

Auch wenn Tausend am Montag öffentlich erklärt, dass das Thema ruhe: Das SPD-interne Gezerre zwischen Fraktions- und Parteivorstand geht weiter. Eine Ausschreibung nur zum Schein werde die Partei nicht mittragen, schreibt Tausend an mehrere Genossen in der Mail. Darunter sollen sein: Oberbürgermeister Dieter Reiter, Bürgermeisterin Christine Strobl und vor allem Fraktionschef Alexander Reissl und sein engerer Vorstand im Rathaus.

Wählst du meinen, dann wähl' ich deinen

Die SPD-Fraktion hat mit der CSU abgesprochen, wie zwei der drei frei werdenden Geschäftsführer-Posten mit einem Gehalt um die 200 000 Euro vergeben werden. Nämlich nach dem Motto: Wählst du meinen, dann wähl' ich deinen. Natürlich, das versichern Granden der CSU und SPD im Rathaus, müssten sich die Kandidaten Max Straßer (CSU) und Christian Amlong (SPD) in einer offenen Ausschreibung durchsetzen. Zugleich beteuern alle, dass beide bestens geeignet seien. Alle zwei seien Volljuristen und beruflich oder politisch mit Immobilien und Stadtplanung befasst.

Wie offen die Ausschreibung aber tatsächlich ist, zeigt die Vorgabe der CSU-Fraktion: Wenn der andere Kandidat gewählt werde und der eigene nicht, sei das eine schwere Belastung fürs Regierungsbündnis. Für die SPD schwang dabei mit: Ein Bruch der Koalition könnte die Folge sein.

Der SPD-Vorstand hat beschlossen, diese Form der Posten-Vergabe nicht hinzunehmen. Die SPD-Fraktion wiederum hält das für naiv. Daraufhin schickte Parteichefin Tausend nochmals besagte Nachricht. Eine offizielle Reaktion darauf war am Montag weder von OB Reiter zu erhalten noch von der SPD-Fraktion.

Dafür meldete sich die Opposition. "Unterirdisch" sei diese Form der geplanten Vergabe, sagte Michael Mattar, Fraktionschef von FDP, Hut und Piraten. "Die Koalitionsfraktionen lernen aus den schlechten Erfahrungen von Rot-Grün überhaupt nichts." Mattar spielte damit auf frühere Stellenbesetzungen an, die die CSU scharf als Parteibuchwirtschaft kritisierte. Nun mache sie sich "unglaubwürdig", wenn sie nahtlos an alte Gepflogenheiten anschließe, sagte Mattar. Zudem sei CSU-Mann Straßer die vergangenen beiden Jahren in der Planungspolitik kein einziges Mal aufgefallen.

"Mit diesem Text kann man offenbar Papierflieger bauen"

Über die fachliche Eignung der zwei Kandidaten wollten sich die Grünen noch nicht äußern. Auch sie prangerten vor allem die CSU an, deren Wahlkampf für transparente und offene Ausschreibungen "in erstaunlich kurzer Zeit Makulatur " geworden sei, wie Fraktionssprecherin Gülseren Demirel erklärte. Parteigeklüngel sei nicht geeignet, Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Wohnungsgesellschaften wachsen zu lassen. "An ihrer Spitze müssen Fachleute stehen, deren Qualifikation über jeden Zweifel erhaben ist."

Zugleich zeigte sich Grünen-Stadträtin Jutta Koller verwundert über die weit fortgeschrittenen Ambitionen der beiden, die sich laut ihren Fraktionen in jedem Fall bewerben, aber derzeit nicht dazu äußern wollen. "Wir haben im Aufsichtsrat der GWG beschlossen, einen Kaufmann und einen Architekten zu suchen. Mit diesem Text kann man offenbar Papierflieger bauen." Ihre Kollegin Sabine Nallinger sitzt im Aufsichtsrat der Gewofag und weiß bisher nichts von der Ausschreibung einer zweiten Geschäftsführer-Stelle. "Wir haben einen, der einen sehr guten Job macht. Eine weitere Personalie steht offiziell bisher nicht an."

Einig sind sich Grüne und FDP noch in einem Punkt: Die Frauenquote in den Spitzenämtern der Stadt und ihrer Unternehmen sei ein Desaster. Daran würden auch die Herren Straßer und Amlong nichts ändern.

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