Rathaus:Beschleunigtes Vertagen

Lesezeit: 2 min

Viele Flüchtlinge werden vom Münchner Hauptbahnhof mit Bussen direkt in andere Unterkünfte gebracht. (Foto: Schunk)

Im neuen Ausschuss für Flüchtlingsunterkünfte schieben die Stadträte einen Standortbeschluss erst einmal auf

Von Dominik Hutter und Sven Loerzer

So war das wohl nicht gedacht. Da gründet der Stadtrat einen neuen Ausschuss, um ohne Zeitverzögerung neue Flüchtlingsunterkünfte beschließen zu können. Und dann ist dessen erste Tat eine Vertagung: Die Politiker wollen sich den geplanten Standort für eine Leichtbauhalle im Kapuzinerhölzl erst einmal bei einem Ortstermin ansehen. Der örtliche Bezirksausschuss sei dagegen, begründete CSU-Mann Alexander Dietrich seinen Wunsch, keine abschließende Entscheidung zu treffen. Die Begeisterung der Ausschussvorsitzenden, Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), hielt sich sichtlich in Grenzen. Muss nun wirklich über jede Adresse ausführlich diskutiert werden? "Das ist eine neue Vorgehensweise."

"Es geht nicht darum, den Standort Kapuzinerhölzl zu verhindern", sprang SPD-Fraktionschef Alexander Reissl dem CSU-Kollegen zur Seite. "Es geht nur um die Mikrolage", also die Frage, wo genau auf der Wiese nahe dem Jugendzeltlager The Tent eine Unterkunft aufgebaut werden soll. Prinzipiell sei man sich einig, dass dort eine neue Halle hin soll. Der "Ausschuss für Standortangelegenheiten für Flüchtlinge" beschloss schließlich einstimmig die Vertagung. Strobl regte noch an, den Ortstermin zumindest rasch zu absolvieren, damit die Vollversammlung bereits am kommenden Mittwoch den Standort beschließen kann. Und Grünen-Stadträtin Anna Hanusch bat darum, doch künftig einen Rhythmus zu finden, um solche Detailfragen rechtzeitig vor der Beschlussfassung zu klären.

Eigentlich war der Ausschuss ins Leben gerufen worden, um einem Dilemma zu entgehen: München braucht ständig neue Flüchtlingsunterkünfte, konnte aber bislang nur einmal im Monat einen rechtlich verbindlichen Beschluss fällen: in der Vollversammlung. Auch der Sozialausschuss tagt nur einmal pro Monat, seine Standortbeschlüsse mussten aber vom Plenum angesegnet werden. Das neue Gremium ist autark, der Stadtrat hat die Geschäftsordnung geändert. Beschlüsse des Flüchtlingsausschusses werden sofort rechtskräftig, Sozialreferentin Brigitte Meier kann also rasch handeln.

Solche Senatsbeschlüsse sind auch bisher schon üblich im Münchner Stadtrats-Alltag. In der Geschäftsordnung ist in einer langen Liste festgelegt, bei welchen Fragen Fachausschüsse eigenmächtig entscheiden dürfen. Die meisten Beschlüsse müssen aber von der Vollversammlung abgesegnet werden. Der Standortbeschluss, der am Donnerstag auf der Tagesordnung stand, ist bereits die Nummer zwölf seit dem Ansteigen der Flüchtlingszahlen. Nach Auskunft des Sozialreferats hat der Stadtrat bisher 28 Unterkünfte mit 6778 Betten abgesegnet. Die meisten davon befinden sich noch in der Planungsphase, lediglich acht sind schon in Betrieb. Aktuell lebten rund 8500 Flüchtlinge in der Stadt, unbegleitete Jugendliche sowie die durch die Regierung von Oberbayern betriebene Erstaufnahmeeinrichtung inklusive. Bis Jahresende rechnet die Behörde mit bis zu 14 000 Flüchtlingen, von denen erfahrungsgemäß rund ein Drittel dauerhaft in München bleiben könne.

Sozialreferentin Brigitte Meier bekräftigte die Bereitschaft der Landeshauptstadt gegenüber dem Freistaat, im Hinblick auf mit der Unterbringung überforderte Grenzregionen wie Passau Entlastung zu schaffen: "Wir sind auf Standby. Wenn Not am Mann ist, helfen wir sofort aus." Wichtig sei aber, logistisch keine zusätzliche Schleife reinzubringen: "Die Flüchtlinge müssen dort, wo sie ankommen, über Busse und Züge schnell weiterverteilt werden." Falls erforderlich, könnte die Stadt Quartiere für rund 700 Flüchtlinge in den Kraftfahrzeughallen des ehemaligen Mahag-Geländes an der Karlstraße als Puffer anbieten. Auf dem Areal seien bislang nur die Büros belegt. Der Tiefbunker an der Elisenstraße mit 120 Plätzen bleibe jedoch als Notreserve für das Kälteschutzprogramm der Stadt reserviert, das regulär zum 1. November - bei kalten Temperaturen auch früher - starten soll. Das reguläre Platzangebot dafür umfasst 880 Betten in der Bayernkaserne.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: