Immobilien aus Zwangsversteigerungen:Nicht immer ein Schnäppchen

Immobilien aus Zwangsversteigerungen: Immobilien aus Zwangsversteigerungen können ihre Tücken haben. (Illustration: Dalila Keller)

Immobilien aus Zwangsversteigerungen können ihre Tücken haben. (Illustration: Dalila Keller)

  • Mancher Wohnungskäufer versucht, bei Zwangsversteigerungen ein Schnäppchen zu machen.
  • Doch bei den Auktionen kann man leicht die Katze im Sack kaufen.
  • Interessenten sollten sich vor dem Bieten genauestens mit der Immobilie beschäftigen.

Von Andrea Nasemann

Die Preise für Immobilien sind in den meisten deutschen Großstädten stark gestiegen. Viele Menschen suchen deshalb nach anderen Wegen, um an ein bezahlbares Haus oder an eine günstige Eigentumswohnung zu gelangen - zum Beispiel über eine Zwangsversteigerung. Experten sagen, dass sich damit zwischen zehn und 30 Prozent des Marktpreises sparen lassen.

Doch nicht immer gelangt man so an ein Schnäppchen. Wer Pech hat, kann auch folgende Geschichte erleben, die tatsächlich passiert ist: Eine Frau ersteigerte eine Fünf-Zimmer-Doppelhaushälfte für einen Preis, der unter den üblichen Marktpreisen lag. Der Haken an der Sache: Die Eigentümerin zog erst vier Monate nach der Versteigerung aus dem Haus aus - nachdem die neue Eigentümerin sie zwangsräumen lassen musste. Nicht nur dadurch entstanden ihr zusätzliche Kosten. Aus Frust hatte die ehemalige Eigentümerin die Inneneinrichtung, Fliesen und Holztüren zerschlagen und die Einbauküche entfernt. Was sich die neue Eigentümerin am Kaufpreis erspart hatte, musste sie nun für die Renovierung wieder ausgeben.

Die Versteigerung birgt Gefahren

Die Zwangsversteigerung birgt noch weitere Gefahren, denn der Bieter ersteigert häufig die Katze im Sack. "Vor der Versteigerung haben Interessenten keinen Rechtsanspruch, die Immobilie auch von innen zu sehen", erklärt Holger Freitag, Vertrauensanwalt des in Berlin ansässigen Verbands Privater Bauherren (VPB). Gabriele Heinrich, Geschäftsführerin des Verbraucherschutzvereins Wohnen im Eigentum mit Sitz in Bonn, gibt zu bedenken: "Man sollte sich gut überlegen, ob man eine Wohnung nur aufgrund der Aktenlage kaufen möchte - sie kann auch zugemüllt sein."

Dennoch sollten Kaufinteressenten versuchen, den Besitzer zu einem Besichtigungstermin zu bewegen. Sperrt sich dieser dagegen, muss der potenzielle Käufer versuchen, auf anderen Wegen mehr über die Immobilie in Erfahrung zu bringen. Das kann durch Gespräche mit den Nachbarn oder mit dem die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubiger geschehen. Auch das Gerichtsgutachten enthält Aussagen über Zustand, Ausstattung und Ausbau der Immobilie.

Bieter sollten ins Grundbuch schauen

Von großer Bedeutung ist der entsprechende Grundbuchauszug. Die Abteilungen II und III des Grundbuchs geben Auskunft über Eigentumsverhältnisse und eventuelle Belastungen des Grundstücks durch Hypotheken und Grundschulden, Wegerechte oder Dauerwohnansprüche. Bei der Finanzplanung sollte man also darauf achten, dass man eventuell zusätzlich zum Bargebot noch eine Grundschuld ablösen muss. Auch rückständige Grundsteuern, Zinsen oder öffentliche Lasten können für die Finanzierung eine Rolle spielen. Es gab einen Fall, bei dem ein Mann eine Immobilie ersteigerte, ohne zu wissen, dass sie mit einer Grundschuld belastet war. Er war zu spät zur Versteigerung erschienen und hatte daher wichtige Informationen verpasst, aber trotzdem mitgeboten - und den Zuschlag erhalten. Danach prozessierte er, verlor aber in höchster Instanz (BGH-Beschluss vom 5. Juni 2008, V ZB 150/07).

Das Gerichtsgutachten gibt den Bietern Informationen über die Immobilie: Wie viele Einheiten hat die Wohnanlage? Welche Räumlichkeiten gehören dazu? Welche Gemeinschaftsräume sind vorhanden? Wird sie vom ehemaligen Eigentümer oder von einem Mieter bewohnt? Welcher Renovierungsbedarf besteht?

Möglichst viele Informationen sammeln

Das Gutachten, das den Verkehrswert nennt, sollte man auch daraufhin überprüfen, ob die genannten Zahlen realistisch sind. Der Verkehrswert, mit dem die Immobilie bei der Versteigerung angesetzt wird, beruht auf dem Gutachten eines vom Amtsgericht beauftragten, meist öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen. Darin können sich Angaben über den Bauzustand, laufende Kosten, Anschlüsse an öffentliche Versorgungsnetze und etwaige Sondernutzungsrechte finden.

Schon einige Wochen vor dem Versteigerungstermin kann man beim Amtsgericht die Versteigerungsakte mit dem Gutachten einsehen. Wer eine Eigentumswohnung ersteigern möchte, sollte sich erkundigen, ob demnächst kostenträchtige Baumaßnahmen geplant sind und wie hoch die Instandhaltungsrücklage ist. Vor dem Gerichtstermin sollte man Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung einsehen. "Man sollte sich fragen: Was kann ich mir leisten? Um die Frage zu beantworten, ist es sinnvoll, rechtzeitig vor der Versteigerung zu einem unabhängigen Finanzierungsberater zu gehen", empfiehlt Gabriele Heinrich. "Bei der Finanzierung rate ich zu einem Eigenkapitalanteil von 30 Prozent, um auf der sicheren Seite zu sein", fügt sie hinzu. Seit einigen Jahren ist zwar die Anzahl der Zwangsversteigerungen in Deutschland rückläufig, was auch auf die niedrigen Zinsen für Kredite zurückzuführen ist. "Wenn die Zinsen wieder steigen, könnte es wieder mehr Zwangsversteigerungen geben", sagt Heinrich.

Sachverständige hinzuziehen

Mitunter lohnt es sich, einen Bausachverständigen, zum Beispiel einen Architekten, hinzuzuziehen, der schon von außen den voraussichtlichen Sanierungsbedarf grob abschätzen kann. "Ein Gutachter weiß meistens aus Erfahrung, mit welchen typischen Schäden er bei Immobilien aus verschiedenen Bau-Epochen rechnen muss", sagt Holger Freitag. Da der Ersteher keine Gewährleistungsansprüche hat, falls Mängel bestehen, ist es wichtig, sich vorab so gut wie möglich zu informieren.

Wer sich für eine Zwangsversteigerung interessiert, kann sich an das zuständige Amtsgericht wenden. Bevor man sich ernsthaft an einer Versteigerung beteiligt, sollte man zuvor an einigen Terminen teilgenommen und Informationen gesammelt haben. Zum Beispiel über die strengen Regeln der Auktion: Meist müssen die Bieter vor Beginn eine Sicherheit hinterlegen, etwa eine Bankbürgschaft oder einen Bundesbank-Scheck. Diese Frage sollte man vor der Auktion mit dem zuständigen Amtsgericht und seiner Bank klären. Wer den Zuschlag erhält, muss das Geld innerhalb weniger Wochen bezahlen. Da er es verzinsen muss, sollte man die Finanzierung frühzeitig klären.

Zuschlag ist zugleich Räumungstitel

Weitere Ausgaben entstehen dem neuen Eigentümer für die Gerichtskosten, die Erteilung des Zuschlags, den Eintrag ins Grundbuch und die Grunderwerbsteuer. Bereits mit dem Zuschlag, nicht erst mit dem Grundbuch-Eintrag, wird man Eigner der Immobilie. Auf ihn gehen dann auch alle mit ihr verbundenen Rechte und Pflichten über. Er muss auch die vorgeschriebenen Versicherungen für die Immobilie abschließen oder bestehende übernehmen.

Der Zuschlag ist gleichzeitig Räumungstitel. Im Klartext: Der neue Eigentümer kann das Haus oder die Wohnung zwangsräumen lassen, wenn der ursprüngliche Eigentümer sich weigert, auszuziehen. Der Ersteher darf aber Möbel, die zurückgelassen wurden, nicht einfach entsorgen, sondern muss sie einlagern lassen. Mietverträge bleiben bestehen. Allerdings gibt es die Möglichkeit zu einer Eigenbedarfskündigung, wenn man gute Gründe für Eigenbedarf anführen kann.

Wie das Verfahren abläuft

Wer sich für eine Versteigerung interessiert, kann die Terminaushänge beim Amtsgericht studieren. Es gibt auch andere Veröffentlichungsquellen wie Internet oder Tageszeitung. In der mindestens dreißigminütigen Bietzeit gibt man sein Bargebot ab. Diese Zeit kann verlängert werden, solange Interesse besteht, zu bieten. Man kann auch als Bietgemeinschaft - etwa je zur Hälfte oder zu je einem Drittel - bieten. Will man für einen Dritten bieten, benötigt man eine notarielle Vollmacht. Hat man einmal sein Gebot für ein Haus oder eine Wohnung abgegeben, kann man davon nicht mehr zurücktreten.

Mit dem höchsten Gebot wird man neuer Eigentümer, sofern die Vorstellungen der betreibenden Bank erfüllt sind. Werden beim Ersttermin fünfzig Prozent des festgelegten Verkehrswerts nicht erreicht, darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Bei einem Höchstgebot zwischen 50 und 70 Prozent können die Gläubigerbanken ihr Veto gegen den Zuschlag einlegen. In einem zweiten Termin kann man die Immobilie auch für weniger als 50 Prozent des Verkehrswerts ersteigern.

Schon vor dem Versteigerungstermin sollte die Finanzierung stehen. Denn nach der Versteigerung hat der Ersteher nur ein bis drei Monate Zeit bis zum sogenannten Verteilungstermin, zu dem das Geld beim Gericht eingegangen sein muss. Verlangt ein Gläubiger Sicherheiten, muss ein Zehntel des Verkehrswerts für die Versteigerung hinterlegt worden sein. Außerdem muss man einkalkulieren, dass für das Bargebot vom Zuschlag bis zum Verteilungstermin vier Prozent Zinsen zu zahlen sind. Die Verzinsungspflicht endet vorzeitig, wenn das Geld beim Amtsgericht unter Verzicht auf Rücknahme hinterlegt wurde. Die als Sicherheit hinterlegte Summe wird auf das Bargebot angerechnet, dafür fallen keine Zinsen an.

Die Kosten für den Zuschlag trägt der Meistbietende, sie richten sich nach der Höhe des Gebots. Bei einem Wert von zum Beispiel 500 000 Euro muss man nach Angaben des Amtsgerichts München mit circa 1770 Euro für den Zuschlag rechnen. Die Kosten für das Verfahren selbst werden aus dem Versteigerungserlös beglichen - letztlich trägt sie also der Schuldner. Bieter, die den Zuschlag nicht erhalten haben, bekommen die als Sicherheit geleistete Summe automatisch zurücküberwiesen. nase

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