Rassistischer Angriff:Die Polizei spricht von eindeutig rechts motivierter Gewalt

Nach der Attacke auf einen 39-jährigen Deutschen afrikanischer Herkunft ermittelt der Staatsschutz - noch gibt es keine heiße Spur

Von Martin Bernstein

Nach der rassistischen Attacke vom Freitagabend, bei der vier oder fünf junge Männer einen 39-jährigen Deutschen afrikanischer Herkunft mit einer Holzlatte und Fußtritten bis zur Bewusstlosigkeit traktiert haben, ermittelt der Staatsschutz des Polizeipräsidiums auf Hochtouren. Für die Polizei steht fest, dass der Angriff ein eindeutig rechts motiviertes "Hate Crime" war. Das Kommissariat 44, zuständig für politische Kriminalität aus der rechten Ecke, sucht Zeugen des Geschehens in einem Hinterhof am Werner-Egk-Bogen 6.

Dort hatten nach Aussagen des Opfers gegen 22.45 Uhr eine Gruppe etwa 16 bis 20 Jahre alter Männer einem 39-jährigen Lageristen aufgelauert und ihn krankenhausreif geprügelt. Der Mann hatte sich zuvor schützend vor eine Gruppe mutmaßlich somalischer Flüchtlinge gestellt, die von den jungen Männern angepöbelt und bedrängt worden waren. Daraufhin hatten die Angreifer den Helfer mit den Worten beschimpft: "Halt's Maul, Nigger!" Die Täter ließen dennoch von ihren Opfern ab. Kurz darauf entriss einer der Männer dem 39-Jährigen aber dessen Tasche und lief davon. Als der Lagerist ihn verfolgte, ging er in die Falle.

Am Mittwoch rekonstruierten Kriminalbeamte das Geschehen am Tatort. Mit dabei war das Opfer. Der Mann war kurz zuvor aus dem Krankenhaus entlassen worden, in dem seine schweren Gesichtsverletzungen behandelt worden waren, die er durch die Tritte davongetragen hatte. Er konnte nähere Angaben zu den vier bis fünf Tätern machen. Sie sollen zwischen 16 und 20 Jahre alt sein, mitteleuropäisches Aussehen und kurze Haare haben. Bekleidet waren die Jugendlichen dem Opfer zufolge im "Rapper-Stil". Einer der Täter war 1,80 Meter groß, schlank und athletisch. Er hat seitlich sehr kurz rasierte Haare. Eine heiße Spur haben die Ermittler noch nicht - sie hoffen weiterhin darauf, dass sich Augenzeugen des Überfalls unter Telefon 089/29100 melden. Ein Ohrenzeuge des Überfalls hatte den bewusstlosen Mann im Hinterhof liegend gefunden und die Polizei alarmiert. Intensiv sucht die Polizei auch nach den möglicherweise somalischen Flüchtlingen, unter ihnen zwei Frauen, die von der Gruppe zunächst bedrängt worden waren.

Entsetzt über den Vorfall zeigte sich am Donnerstag Christian Vorländer, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im Stadtrat und Fachsprecher gegen Rechtsextremismus. Er dankte dem 39-Jährigen für dessen "mutiges Einschreiten, denn Hass gegen andere Menschen darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben". Für Vorländer ist es erschreckend, "dass Menschen, die Zivilcourage zeigen und andere vor Angriffen schützen wollen, immer wieder auch selbst zur Zielscheibe werden". Die Beratungsstelle "Before", die sich seit März für Betroffene von rechter und rassistischer Gewalt in München einsetzt, will sich um den Mann kümmern.

Große Betroffenheit herrschte auch in der Sitzung des Bezirksausschusses Milbertshofen-Am Hart. Viele Menschen im Norden der Stadt befürchten, dass sich dort ein Schwerpunkt rechter und fremdenfeindlicher Aktivitäten entwickelt. Im vergangenen Jahr marschierten die Neonazi-Parteien "Die Rechte" und "Der III. Weg" vorm Einkaufszentrum Mira auf. Auf die Flüchtlingsunterkunft in der Neuherbergstraße warfen Anfang März drei 16 und 17 Jahre alte Jugendliche Brandsätze, nachdem die Baustelle bereits im Dezember zweimal angegriffen worden war. Ende Februar hatte die NPD auf drei Kundgebungen im Umfeld gegen die Unterkunft Stimmung gemacht. Ende April wurde eine gut einsehbare Wand am Schulzentrum Nordhaide großflächig mit Nazi-Parolen und Hakenkreuzen besprüht. Im letzten Fall hat die Polizei auch eine konkrete Spur: Auf einer Sprühdose hat einer der Täter seine DNA zurückgelassen. Eine Zunahme rechtsextremer Vorfälle im Münchner Norden sieht die örtliche Polizei indes nicht.

Auch Miriam Heigl von der städtischen Fachstelle gegen Rechtsextremismus warnt vor einer vorschnellen räumlichen Eingrenzung. Sie verweist aber auf die Zunahme rechts motivierter Gewaltdelikte im gesamten Stadtgebiet. Die Statistik des Polizeipräsidiums weist für das vergangene Jahr 39 rechte Gewaltdelikte aus - im Jahr zuvor waren es 24 gewesen. 13 von der Polizei als politisch motiviert eingestufte Straftaten richteten sich gegen Asylbewerberunterkünfte.

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